Premierminister Carney bei Trump„Kanada steht niemals zum Verkauf“

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Mark Carney wollte mit Donald Trump im Weißen Haus vor allem über die Handelsbeziehungen zwischen ihren Staaten sprechen.
Mark Carney wollte mit Donald Trump im Weißen Haus vor allem über die Handelsbeziehungen zwischen ihren Staaten sprechen. (Foto: JIM WATSON/AFP)

Beim Besuch des neuen kanadischen Premiers Mark Carney schwärmt US-Präsident Donald Trump wieder von der Idee, ihre Länder zusammenzufügen. Der Kanadier blockt das ab – und wird nicht aus dem Weißen Haus geworfen.

Von Peter Burghardt, Washington

Der Mann, der da nun neben Donald Trump saß, muss dem US-Präsidenten dankbar sein. Ohne Trumps Drohung, Kanada zum 51. Bundesstaat zu machen, wäre Mark Carney sicher nicht kanadischer Premierminister geworden. Nach dem Rücktritt seines Parteifreundes Justin Trudeau holte er in den Umfragen einen himmelweiten Rückstand gegen die Konservativen auf und gewann die Wahl. Die Wählerschaft hatte sich hinter ihm versammelt wegen seines Widerstands gegen Trump und weil er das liberale Gegenmodell zum US-Präsidenten darstellt.

Eine gute Woche nach seinem Sieg war er am Dienstag nun im Weißen Haus, der Gastgeber leitete den Besuch in seinem Netzwerk Truth Social ein: „Wir benötigen nichts, was sie haben, außer ihrer Freundschaft, die wir hoffentlich immer aufrechterhalten werden“, schrieb Trump. „Sie hingegen brauchen ALLES von uns!“ Würde er den Kanadier, wenn der nicht spurt, aus dem Oval Office werfen wie im Februar den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij?

Zusammengefügt wären die USA und Kanada „eine wunderschöne Struktur“, findet Trump

Ganz so schlimm kam es nicht. Zur Begrüßung lobten sich die beiden Männer sogar gegenseitig. Carney nannte Trump „Präsident des Wandels, der sich auf die Wirtschaft konzentriert, mit einem unerbittlichen Fokus auf den amerikanischen Arbeiter, die Sicherheit, die Grenzen, die Beendigung der Geißel von Fentanyl und anderen Opioiden und die Sicherung der Welt“. Trump schwärmte, Carney habe eines der größten Comebacks in der Geschichte der Politik hingelegt. Dass die Aufholjagd wesentlich mit der Distanzierung von ihm zu tun hatte, ließ er unter den Tisch fallen.

Aber natürlich kam im öffentlichen Teil der Begegnung von einem Reporter bald die Frage nach der geplanten Übernahme des Nachbarlandes. Er werde das nicht besprechen, sofern nicht jemand darüber diskutieren wolle, antwortete Trump. Dann legte er trotzdem nach, als wollte er einen Brautvater von der Zwangshochzeit seiner Tochter überzeugen.

Wenn er Kanada nicht zum 51. Bundesstaat der USA machen kann, wünscht sich Donald Trump beim Besuch des kanadischen Premiers doch eine „wunderbare Ehe“ zwischen beiden Ländern.
Wenn er Kanada nicht zum 51. Bundesstaat der USA machen kann, wünscht sich Donald Trump beim Besuch des kanadischen Premiers doch eine „wunderbare Ehe“ zwischen beiden Ländern. (Foto: Jim Watson/AFP)

Eine „wunderbare Ehe“ könne dies werden, mit großartigen Vorteilen für Kanada bei Steuern und Verteidigung. Er sei ja „im Herzen ein Immobilienentwickler“, und „wenn man diese künstlich gezogene Linie“ loswerde, er meinte die US-kanadische Grenze, wenn man „diese schöne Struktur betrachtet, wenn sie zusammengefügt ist“, da habe er gedacht: So sollte es sein. Er sei ja auch „ein sehr künstlerischer Mensch“. Für Letzteres stand Trump bisher eigentlich nicht.

Gerade Trump müsste wissen, dass manche Orte nie zum Verkauf stehen, sagt Carney

Carney allerdings war vorbereitet. Aus der Immobilienbranche wisse Trump doch sicher, dass manche Orte nie zum Verkauf stünden, erwiderte er. Wie der, an dem man gerade sitze (das Weiße Haus), und auch der Buckingham Palace in London, den Trump besucht habe. „Und nachdem ich mich im Laufe des Wahlkampfes in den vergangenen Monaten mit den Eigentümern Kanadas getroffen habe“ – er meinte die Wählerinnen und Wähler – „steht es nicht zum Verkauf und wird auch nie zum Verkauf stehen. Aber die Chance liegt in der Partnerschaft und in dem, was wir gemeinsam aufbauen können.“

Das saß, auch wenn Trump weiter stichelte, man solle niemals nie sagen. Carneys Körpersprache vermittelte kurz Unruhe, er konterte dennoch cool. Nein, Kanada werde seine Meinung da nicht ändern, sagte der Kanadier. Trump erinnerte auch an „einen kleinen Streit mit jemand anderem“, Selenskij, doch das sei „etwas ganz anderes“, gewesen. Dies sei „ein sehr freundschaftliches Gespräch“. Anders als den Präsidenten der von Russland überfallenen Ukraine scheint er den kanadischen Regierungschef immerhin zu respektieren; Carney leitete früher die Bank of Canada und die Bank of England.

Das Gespräch setzte sich offenbar auch ohne Reporter vergleichsweise zivilisiert fort. Carney sprach von einer konstruktiven Diskussion, Trump von einem guten Treffen – was man halt so sagt, wenn man einen Streit vorläufig nicht weiter öffentlich eskalieren lassen will. Über die Handelsschranken wird nach wie vor gesprochen, bisher ergebnislos. „Wir verhandeln zwischen souveränen Nationen und werden nur ein Abkommen anstreben und akzeptieren, das im besten Interesse Kanadas ist“, gab Carney vor seiner Heimreise bekannt.

Immerhin will Trump gegenüber Kanada keine Gewalt anwenden

Die USA haben Kanada, einem ihrer wichtigsten Geschäftspartner, 25 Prozent Zoll auf Waren auferlegt, die im Rahmen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens nicht zollfrei sind. Kanada verlangt umgekehrt Abgaben für US-Importe, kanadische Händler räumten bereits Whiskey oder Wein aus den USA aus ihren Regalen. Die Beziehung mit den USA, „die auf einer vertieften Integration unserer Volkswirtschaften und einer engen sicherheitspolitischen und militärischen Zusammenarbeit beruht, ist vorbei“, hatte Carney nach seinem Wahlerfolg gesagt. Kanada müsse seine Wirtschaft „von Grund auf neu gestalten“.

Bisher sind die USA sein mit Abstand bedeutendster Abnehmer, unter Carney will die Nation notgedrungen unabhängiger werden. Trumps Handelskrieg und die internationalen Spannungen sind voraussichtlich auch große Themen, wenn sich die Anführer der wichtigsten Industriestaaten zum G-7-Gipfel Mitte Juni in Kananaskis im kanadischen Bundesstaat Alberta treffen.

Am Wochenende hatte Trump übrigens beim Sender NBC versichert, dass er nicht gedenke, im Fall Kanada Gewalt anzuwenden. „Ich sehe es nicht bei Kanada“, sagte er. „Ich kann es einfach nicht sehen.“ So weit ist es bei ihm gekommen, dass solche Fragen gestellt werden. Am Montag wiegelte er später ab, man komme mit Kanada und Mexiko eigentlich gut zurecht. „Sie müssen nur ein bisschen mehr Geld bezahlen.“ Im privaten Gespräch bat Carney ihn, Kanada nicht mehr den 51. Bundesstaat zu nennen, wie er anschließend verriet. Anders als seinen Vorgänger Trudeau nennt ihn Trump auch nicht „Gouverneur“, immerhin.

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