Kanada:Auf Putins schwarzer Liste

Kanada: Chrystia Freeland war zunächst Journalistin, dann Handelsministerin.

Chrystia Freeland war zunächst Journalistin, dann Handelsministerin.

(Foto: Michael Bradley/AFP)

In Russland ist die neue kanadische Außenministerin Persona non grata. Und auch in den USA dürfte man die Ernennung Chrystia Freelands als Statement auffassen.

Von Frank Nienhuysen

Es waren Liebesgrüße nach Moskau, aber den russischen Präsidenten hat sie dabei ausdrücklich ausgespart. Chrystia Freeland herzte zum Abschied in ihrem Twitter-Eintrag die russische Sprache, die russische Kultur, die vielen Jahre, die sie in diesem Land gelebt hatte, doch sie schrieb auch, "es ist eine Ehre, auf Wladimir Putins Sanktionsliste zu stehen". Zwei Jahre ist das nun her, dass sie beim Zubereiten der Schulbrote für ihre Kinder erfuhr, dass Russland sie zur Persona non grata erklärt hatte. Seitdem ist für die einstige Journalistin viel passiert. Sie wechselte in die kanadische Regierung, wurde Handelsministerin, kämpfte erfolgreich für das Ceta-Abkommen mit der Europäischen Union, und seit wenigen Tagen ist Chrystia Freeland sogar Kanadas neue Außenministerin. Auf der russischen Sanktionsliste steht sie allerdings noch immer.

Aus der Regierungsumbildung in Ottawa ist damit nun ein diplomatisches Problem erwachsen. Dass eine Außenministerin ein anderes Land nicht bereisen darf, kommt nicht sehr häufig vor. Und Moskau scheint gewillt zu sein, das Problem aus der Welt zu schaffen. Die Nachrichtenagentur Ria-Nowosti zitierte eine namentlich nicht genannte Quelle im russischen Außenministerium, nach der Moskau Außenministerin Freeland von der Sanktionsliste nehmen könnte, sollten sich die Beziehungen zwischen Moskau und Ottawa verbessern. "Wir sind zu einem Ende des Sanktionskrieges bereit. Aber wir haben damit nicht angefangen. Der Schlüssel liegt in Ottawa", sagte der Mitarbeiter. Im Übrigen sei es trotz der Sanktionsliste möglich, etwa den russischen Außenminister Sergej Lawrow bei internationalen Foren und Konferenzen zu treffen.

Freeland denkt allerdings gar nicht daran, politisch nachzugeben, nur damit sie persönlich von der Liste gestrichen wird. "Es wird für Aggression und illegales Handeln kein Quid pro Quo geben", ließ die neue Außenministerin ihren Kommunikationsdirektor Joe Pickerill ausrichten. Kanada hält also bis auf Weiteres an seinen Wirtschaftssanktionen gegen Russland sowie diversen Einreiseverboten fest. Auch Freeland sei ja für ein besseres Verhältnis zu Russland; aber ob sie dort einreisen dürfe, liege nicht an ihr.

Anders als der designierte US-Präsident Donald Trump wird also die liberale Regierung in Kanada ihre Linie gegenüber Russland kaum von sich aus abmildern. Freelands Familie mütterlicherseits stammt aus der Ukraine, daher spricht sie Ukrainisch so fließend wie Russisch. Die kremlkritische Journalistin schrieb für die Financial Times, den Economist, die Washington Post, in den Neunzigern war sie Korrespondentin in Moskau. Später, als Abgeordnete im kanadischen Parlament, verurteilte Freeland den Ukraine-Konflikt und machte Putin für die Eskalation im Donbass verantwortlich. Vor zwei Jahren geriet sie mit einem Dutzend weiterer Kanadier auf die russische Sanktionsliste. "Echt traurig", sei sie darüber gewesen, schrieb sie im vergangenen Jahr in einem Artikel mit dem Titel "Meine Ukraine und Putins große Lüge". Unwahrscheinlich, dass sie als Außenministerin die Annexion der Krim, Russlands Eingriff im Osten der Ukraine und die Rolle Putins weniger kritisch sehen wird.

Weiter südlich, beim kanadischen Nachbarn USA, dürfte man Freelands Berufung zur Außenministerin als Statement auffassen. Mit dem scheidenden Präsidenten Barack Obama pflegte Ottawa ein recht entspanntes Verhältnis. Trumps Sieg ist für die Regierung von Justin Trudeau dagegen eine ernsthafte Herausforderung.

Nicht nur in der Russland-Politik ist Kanadas Kurs anders als der erwartete in Washington - was der Europäischen Union signalisieren dürfte, nicht ganz Nordamerika weiche seine Sanktionen auf. Auch beim Handel und in der Flüchtlingspolitik dürften im amerikanisch-kanadischen Verhältnis schwierige Zeiten anbrechen.

Der protektionistische Trump hatte im Wahlkampf das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta als "schlechtesten Deal der Geschichte" kritisiert. Für Kanada ist er es sicher nicht, denn für das vom Export abhängige Land sind die USA der mit Abstand größte Handelspartner. Mit Freeland, bisher hartnäckige Handelsministerin, dürften Washington schwierige Verhandlungen bevorstehen.

Und die Flüchtlingspolitik? Trump bevorzugt Mauern, Trudeau offene Türen. Das dürfte noch Streit mit dem Nachbarn geben. Kanada hat bereits Zehntausende syrische Flüchtlinge aufgenommen, als die ersten kamen, holte sie der Regierungschef persönlich am Flughafen ab. Nun hat Trudeau bei der Regierungsumbildung vor wenigen Tagen außer mit Freeland noch ein weiteres Zeichen gesetzt: Ahmed Hussen ist 1993 mit 16 Jahren aus Somalia nach Kanada geflüchtet. Jetzt ist er Immigrationsminister.

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