Kampfroboter:Automaten des Todes

Kampfroboter: Seelenlose Tötungsmaschinen: Eine Armee von Kampfrobotern aus dem Film Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger

Seelenlose Tötungsmaschinen: Eine Armee von Kampfrobotern aus dem Film Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger

(Foto: 20th Century Fox)

Die USA geben Milliarden Dollar für eine neue Generation von Waffen aus - Kampfroboter. Im Gegensatz zu Drohnen verrichten sie ihr tödliches Werk ganz ohne menschlichen Einfluss: präzise, ohne zu zögern, skrupellos. Menschenrechtler sind alarmiert, vor allem, weil die Maschinen nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden können. Andere trauen ihnen jedoch eine "zivilisierende Kraft in Kriegen" zu.

Von Reymer Klüver

In Hollywood sind sie so etwas wie gute alte Bekannte: Killer-Roboter, Tötungsmaschinen, die mit solch erbarmungsloser Präzision alles niedermetzeln, dass ihnen der Mensch hoffnungslos unterlegen zu sein scheint. Meist kommen sie als Invasoren aus den Tiefen des Weltalls auf die Erde hernieder. Oder aus der fernen Zukunft wie in den Achtzigerjahren Arnold Schwarzeneggers Terminator, eine fürs Kino Mensch gewordene Mordmaschine.

Doch in der prosaischen Wirklichkeit werden solch vollautomatischen Tötungsapparate kaum extraterrestrischen Ursprungs sein. Und die Zukunft ist nicht mehr so fern, wie sie zu Terminators Glanzzeiten zu sein schien. Im Zweifel werden die Killer-Roboter, Frankensteins Monster gleich, schon bald den Forschungslabors entsteigen, den Labors der Rüstungs- und Computerindustrie in den USA oder in Großbritannien, in Israel und kurz über lang wohl auch in China. "In den nächsten zehn, 20 Jahren" dürfte es so weit sein, prophezeit Bonnie Docherty von der Harvard Law School. Killer-Roboter werden die Waffen des 21. Jahrhunderts sein - wenn nicht bald etwas geschieht.

Mensch als Störfaktor

Seit Jahren schon wird an ihnen im Stillen gearbeitet. Das US-Verteidigungsministerium steckt sechs Milliarden Dollar in die Erforschung und Entwicklung unbemannter Waffensysteme - jährlich. Inzwischen sind die Ingenieure und Programmierer offenbar so vorangekommen, dass Militärs in ihren Doktrinen ernsthaft über Kampfroboter als neue Waffenkategorie nachdenken. Szenarien seien durchaus vorstellbar, heißt es in einer Denkschrift der US-Navy, wonach künftig unbemannte U-Boote "einen Feind aufspüren, verfolgen, identifizieren, ins Visier nehmen und zerstören - und das völlig selbständig". Die US-Air-Force geht davon aus, dass "bis zum Jahr 2030" die technischen Möglichkeiten automatischer Waffensysteme so weit fortgeschritten sind, dass der Mensch nur noch ein Störfaktor wäre.

So beunruhigend ist diese Entwicklung zumindest aus Sicht von Menschenrechtlern, dass sich im kommenden Jahr der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit der Sache befassen soll. Schweden will ein Testverbot für sogenannte Lethal Autonomous Robots (LARs) durchsetzen, wie es im UN-Jargon heißt, die Ächtung autonomer Tötungsroboter. Jeder Staat solle von sich aus ein nationales Moratorium verkünden, in dem er auf die Herstellung und Tests von LARs einseitig verzichtet. Die USA zeigen sich zumindest offen für den Vorschlag, die Deutschen auch, und die Franzosen wollen sogar über eine Aufnahme der LARs in die UN-Waffenkonvention beraten, die etwa den Einsatz von Laserwaffen beschränkt, die den Gegner blenden sollen. Nur die Briten haben sich bisher gegen ein Moratorium ausgesprochen.

"Vergleichbar mit Erfindung des Schießpulvers"

Doch Zögern könne nicht mehr hingenommen werden, sagt Christof Heyns, der Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats, der sich mit außergesetzlichen Tötungen befasst. Die Zeit zum Handeln sei jetzt gekommen, "solange der Geist noch in der Flasche ist". Der Professor aus Südafrika hatte dem UN-Gremium im Mai einen 22 Seiten umfassenden Report vorgelegt und ist um große Worte nicht verlegen. Die Einführung von Kampfrobotern würde eine Revolution der Kriegsführung bedeuten, "vergleichbar nur mit der Erfindung des Schießpulvers und der Atombombe".

Ohne Zweifel würden LARs eine perfide Waffe sein: Was in ihr Schussfeld gerät, hat keine Chance. Sie machen alles automatisch nieder. Präzise, ohne zu zögern. Skrupel kennen sie nicht, Furcht auch nicht. Wie auch, denn sie werden programmiert sein nur für eines: zu töten. Auch jetzt gibt es schon hochautomatisierte Tötungsapparate. An der Grenze zu Nordkorea etwa haben die Südkoreaner SGR-1 postiert, eine Kampfmaschine aus der Produktion des Computerkonzerns Samsung. Sie reagiert auf Körperwärme und Bewegung. Den Schießbefehl allerdings muss ein Soldat geben. Jedoch verfügt der Samsung-Roboter auch über einen Automatik-Modus: In dem würde er auf alles schießen, was sich bewegt.

Die bekanntesten der High-Tech-Halbautomaten sind indes die Drohnen der Amerikaner. Ihre Schöpfer geben ihnen gerne Namen, die den Schrecken noch verstärken sollen, den diese Waffen ohnehin verbreiten. Zum Beispiel die Hellfire-Raketen, die Höllenfeuer-Geschosse. Mit ihnen werden Predator-Drohnen ausgestattet, die fast lautlos in der Luft kreisen - eben wie Beutegreifer, so das deutsche Wort für predator. Einmal abgefeuert, gibt es vor diesen Raketen kein Entrinnen. Aber die letzte Entscheidung über den Einsatz der Rakete fällt auch hier noch immer ein Mensch, der Soldat, der am Computer sitzt und per Mausklick das Geschoss auf den Weg bringt.

"Krieg ohne Möglichkeit zum Innehalten ist mechanisiertes Abschlachten"

Ganz anders ist es bei den LARs. Sie treffen die Entscheidungen über Leben und Tod selbständig. Einmal aktiviert, operieren sie, ohne dass der Mensch noch eingreifen muss. Peter Singer von der Washingtoner Brookings Institution, einer der weltweit führenden Experten für die Kriegsführung der Zukunft, ist sich ziemlich sicher: "Die Predators sind nur die erste Generation - so etwas, wie das Ford-Modell T fürs Auto oder der Flieger der Gebrüder Wright fürs Flugzeug war." In dieser Logik ist die Entwicklung von LARs tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit.

Das sehen Menschenrechtler weltweit offenbar nicht anders. Und versuchen aufzuhalten, solange noch etwas aufzuhalten ist. Bereits Ende vergangenen Jahres gab Human Rights Watch eine 50-seitige Studie unter dem Titel "Der drohende Verlust der Menschlichkeit" heraus, in der die amerikanische Menschenrechtsorganisation ein "präemptives Verbot" von Kampfrobotern verlangte. Im April gründeten 40 Organisationen, darunter Amnesty International und Human Rights Watch, in London eine Initiative, die sich weltweit für die Ächtung der automatisierten Kampfmaschinen einsetzen soll. Im Mai kam die Angelegenheit dann vor den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen. Dort sagte Sonderberichterstatter Christof Heyns, dass sich zwar eine Reihe von Staaten "auf absehbare Zeit" verpflichtet hätten, keine LARs einzusetzen: "Das ist lobenswert." Doch der Druck werde zunehmen, diese Entscheidung zu kippen. Technisch werde ohnehin immer mehr machbar sein.

Selbst bei noch so raffinierten Programmierungen könnten die Kampfroboter nicht unterscheiden zwischen Zivilisten und Kämpfern, zwischen einem Angreifer oder einem Verwundeten, einer Mutter, die ihr Kind in Sicherheit bringen will, und einem Gegner, der sich ergibt. Im Zweifel würden alle getötet, was ein eklatanter Verstoß gegen internationales Kriegsrecht wäre. "Krieg ohne Möglichkeit zum Innehalten ist mechanisiertes Abschlachten", schreibt Heyns in seinem Report. Niemand könnte für diese Handlungen der Maschinen zur Rechenschaft gezogen werden. Etwaige Kriegsverbrechen würden von Computern ausgeführt, nicht von Menschen. Menschen könnte man bestrafen, Computer nicht. Die Rechtsberaterin des Internationalen Roten Kreuzes, Nathalie Weizman, sagt, es sei "schwer vorstellbar", dass LARs gemäß den Grundsätzen des Humanitären Völkerrechts operieren könnten.

"Roboter würden niemanden vergewaltigen"

Menschenrechtler warnen zudem davor, dass Killer-Roboter in den Händen von Diktatoren zur Unterdrückung eingesetzt werden könnten, in Situationen, wenn Soldaten sich weigern würden, auf ihre Landsleute zu schießen. Und schließlich, so befürchtet Human Rights Watch, könnte der Einsatz von Kampfrobotern allgemein die Bereitschaft erhöhen, einen Krieg zu riskieren - einfach weil Maschinen eingesetzt würden und nicht Soldaten, die verletzt und getötet werden könnten: "Derweil würden die Lasten des Kriegs von den Kämpfern auf Zivilisten abgewälzt, die ins Kreuzfeuer geraten."

Aber es gibt auch Befürworter von LARs. Der Amerikaner Ronald Arkin, einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Robotik, ist der Überzeugung, dass es möglich ist, "Roboter zu entwerfen, die weniger Fehler machen, als es jetzt Menschen in Kampfgebieten tun". Die Roboter könnten vielleicht eines Tages so programmiert werden, dass sie nur gemäß Kriegsrecht und den Einsatzregeln von Soldaten handelten. Mit so einem, wie er es nennt, "ethischen Gouverneur" ausgestattete Roboter seien Menschen beim moralischen Abwägen in einer Kampfsituation im Zweifel sogar überlegen, weil sie mehr und schneller als Menschen Informationen verarbeiten könnten. Auch US-Völkerrechtler John McGinnis glaubt, dass mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Roboter weniger Zerstörungen anrichten würden und sogar "eine zivilisierende Kraft in Kriegen" sein könnten.

Selbst Christoph Heyns, der UN-Berichterstatter, räumt ein, dass LARs gewisse Vorteile gegenüber Soldaten hätten: "Typischerweise würden sie nicht aus Rache, Panik oder Angst handeln. Mehr noch, sie würden Zivilisten nicht mit Absicht leiden lassen, etwa durch Folter. Und Roboter würden niemanden vergewaltigen." Dennoch seien die Bedenken gewichtiger, die Gefahren der Killer-Roboter größer: "Maschinen kennen keine Moral", sagt Heyns, "und deshalb sollten sie keine Macht über Leben und Tod von Menschen haben."

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