Verteidigungspolitik:Krisensitzung wegen neuer Kampfjets

Verteidigungspolitik: Damit die neuen "F-35"-Kampfjets in Deutschland von 2027 an fliegen können, muss der Stützpunkt in Büchel grundsaniert werden. Der Umbau setzt die Bundesregierung unter Zeitdruck. Im Bild: Eine "F-35" auf dem Schweizer Militärflugplatz Emmen bei Luzern.

Damit die neuen "F-35"-Kampfjets in Deutschland von 2027 an fliegen können, muss der Stützpunkt in Büchel grundsaniert werden. Der Umbau setzt die Bundesregierung unter Zeitdruck. Im Bild: Eine "F-35" auf dem Schweizer Militärflugplatz Emmen bei Luzern.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Bis Ende des Jahres soll der Vertrag über 35 neue US-Flugzeuge unterschrieben sein. Die Anschaffung ist allerdings mit hohen zeitlichen und finanziellen Risiken verbunden.

Von Mike Szymanski, Berlin

Das geplante Kampfflugzeug-Geschäft mit den USA wird von zahlreichen Risiken begleitet. Für knapp zehn Milliarden Euro will die Bundeswehr F-35-Jets kaufen, um damit die Tornados zu ersetzen, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Wie aus der vertraulichen Beschaffungsvorlage für die Haushalts- und Verteidigungspolitiker im Bundestag hervorgeht, ist aber längst nicht sicher, ob der geplante Stützpunkt in Büchel in Rheinland-Pfalz rechtzeitig bis zur Auslieferung der ersten Maschine im Jahr 2027 umgebaut sein wird.

Ob die Kosten im Rahmen bleiben, kann die Regierung ebenso wenig zusagen wie alle erforderlichen Genehmigungen, damit die Maschinen in Deutschland fliegen können. Das geht aus dem vertraulichen Dokument hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Noch in diesem Jahr soll der Vertrag geschlossen werden.

Wegen der vielen offenen Fragen wächst auch innerhalb der Ampelkoalition der Druck auf Verteidigungsministerin Christine Lambrecht von der SPD. Karsten Klein, Haushaltsexperte der FDP, sagte der SZ: "Ich erwarte von der Ministerin, dass sie mit Nachdruck alle Voraussetzungen für den zeitgerechten Einsatz der F-35 schafft." Der Zeitplan für die Ablösung des Tornados dürfe nicht in Gefahr geraten. "Ein solches zentrales Projekt für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes muss Chefinnen-Sache sein", sagte Klein.

"Wir brauchen ein kollektives Zackzack"

Sein Fachkollege von den Grünen, Sebastian Schäfer, kritisierte, dass sich noch "zahlreiche Fragen" bei diesem Projekt stellten. Es müsse sicher sein, dass das Flugzeug für "alle geplanten Einsatzszenarien" genutzt werden könne. Der SPD-Politiker Andreas Schwarz bezeichnete es in der Bild am Sonntag als nicht hinnehmbar, dass das Parlament erst jetzt von den Problemen erfahre. An diesem Montag wollen sich die Haushälter beraten.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte der SZ, sie habe erwartet, dass bei einem derart großen Vorhaben "hohe Hürden" zu nehmen seien, zeigte aber wenig Verständnis, wenn die Flieger nicht ausgeliefert würden, weil Deutschland zu langsam sei beim Bau der Infrastruktur. Daran sind Landesbaubehörden beteiligt, die aber unter Personalmangel leiden. "Angesichts der sicherheitspolitischen Lage erwarte ich, dass jetzt zügig gearbeitet wird. Ich will von keiner Landesbehörde, von keinem Baudezernenten, Landrat oder Bürgermeister hören, wie schwierig jetzt alles ist. Wir brauchen ein kollektives Zackzack."

Wie aus der Vorlage für den Bundestag hervorgeht, der derart große Vorhaben bewilligen muss, will das Verteidigungsministerium 35 Maschinen vom Typ F-35 A Lightning II samt Bewaffnung und Ausbildung kaufen. Die Flugzeuge verfügen über Tarnkappenfähigkeiten und gehören zu den Jets der neuesten Generation. Das Gesamtpaket kostet 9,9 Milliarden Euro, wobei explizit in der Vorlage darauf hingewiesen wird, dass "alle in den Verträgen genannten Preise auf konservativen Prognosen und Ableitungen" der US-Seite beruhten und Anpassungen möglich seien. Verhandlungsspielraum besteht keiner.

USA stellt hohe Vorgaben an die Auslieferung

Die neuen Kampfjets für die Bundeswehr kommen frühestens in fünf Jahren. 2026 sollen laut Planung die ersten Maschinen des Herstellers Lockheed Martin ausgeliefert und mit der Ausbildung in Amerika begonnen werden. Nach Deutschland kommen die Maschinen demnach 2027. Mit den Jets würde Deutschland seinen Beitrag zum atomaren Abschreckungskonzept der Nato fortführen können. Sie sind technisch in der Lage, US-Atombomben ins Ziel zu tragen. Bislang leistet Deutschland mit den Tornado-Kampfjets in Büchel diesen Beitrag zur sogenannten nuklearen Teilhabe.

Das Problem ist: Die USA überführen die Flugzeuge erst dann nach Deutschland, wenn der Stützpunkt alle neuen Sicherheitsstandards erfüllt. Der Fliegerhorst muss allein für die F-35 für mindestens 550 Millionen Euro umgebaut werden. Die Grundsanierung, zu der auch eine neue Start- und Landebahn und moderne Technik gehören, kostet weitere 200 Millionen Euro. Nur damit kann der Stützpunkt seinen Status als anerkannter Nato-Flugplatz erhalten.

Erschwerend hinzu kommt, dass die USA Vorgaben zur Absicherung der Baustelle machten und Personal verlangten, das Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen hat. Dabei hat das Handwerk jetzt schon Mühe, Fachkräfte zu finden. Im Verteidigungsministerium hält man es jedenfalls für "höchst ambitioniert", bis 2026 fertig zu werden. Hielte sich Deutschland nicht an die Vorgaben aus den USA, würde das den "Projektfortschritt zu jeder Zeit unverzüglich gefährden", heißt es in der Vorlage.

Sollten die Maschinen in Deutschland sein, ist laut Regierung nicht sicher, dass sie dann auch sofort voll eingesetzt werden können. Es bestehe einerseits das Risiko, dass die Zulassung der F-35 womöglich nicht rechtzeitig erfolgt und die Jets nur "unter Einschränkungen" fliegen könnten. Fraglich ist nämlich, ob die USA Einblicke in alle erforderlichen Unterlagen erlauben. Weil die Maschinen aus den USA nicht für das deutsche und europäische Regelwerk ausgelegt seien, könnte es auch dazu kommen, dass Ausnahmegenehmigungen erteilt werden müssten. Das Verteidigungsministerium stuft die Risiken in der Gesamtschau jedoch als "gering bis mittel" ein, das Vorhaben sei zu bedeutsam.

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