Lange galt es als unwahrscheinlich, dass in der Ukraine westliche Kampfflugzeuge zum Einsatz kommen. Doch in der vergangenen Woche kündigten Großbritannien und die Niederlande die Bildung einer "internationalen Koalition" an, um die Ukraine mit Jets des Modells F-16 auszustatten. Das entscheidende Signal kam dann wenige Tage später von Joe Biden, der die Flugzeugforderungen der Ukraine lange zurückgewiesen hatte. Beim G-7-Gipfel in Hiroshima erklärte der US-Präsident plötzlich, an den USA würde das Vorhaben nicht scheitern. Weil F-16 in den USA gebaut werden, ist eine Zustimmung von dort unerlässlich. Es sieht also so aus, als würde die Ukraine F-16 bekommen. Daran knüpfen sich substanzielle Fragen:
Wann können F-16 in der Ukraine zum Einsatz kommen?
Der Plan der Verbündeten sieht vor, so schnell wie möglich ukrainische Piloten auszubilden. Die Entscheidung, wann, aus welchen Beständen und wie viele Flugzeuge geliefert werden, soll später fallen.
Wie lange die Ausbildung dauert, hängt davon ab, was die Piloten am Ende können müssen. Eine F-16 zu fliegen und dabei aus der Ferne auf feindliche Flugzeuge oder Bodenziele zu feuern, können erfahrene Piloten in drei bis vier Monaten lernen. Etwa 50 Piloten hat die Ukraine bereits ausgewählt. Für schwierigere Operationen, nächtliche Angriffe in geringer Höhe mithilfe von Infrarotsystemen beispielsweise, bräuchte man mit Sicherheit mehr Zeit. Mehrere Länder haben sich bereit erklärt, die Ausbildung zu übernehmen, darunter Großbritannien, Polen, die USA und die Niederlande. Auch Deutschland, das selbst nicht über F-16 verfügt, hat Hilfe angeboten. Laut EU-Chefdiplomat Josep Borrell hat das Training in mehreren Ländern bereits begonnen. Details nannte er nicht.
Zu den Lieferungen von Maschinen gibt es bislang nur vage Versprechungen, hierzu werden noch umfangreiche Verhandlungen nötig sein. Eine Bereitstellung noch in diesem Jahr ist deshalb eher unwahrscheinlich. Polen, das über einige der neuesten und leistungsfähigsten F-16 weltweit verfügt, hat bereits ausgeschlossen, Maschinen des Typs an die Ukraine zu liefern: Sie würden zum Schutz der Nato-Ostflanke und vor allem der drei baltischen Staaten benötigt.
Doch gerade weil es noch dauern wird, geht von der F-16-Zusage an die Ukraine ein starkes politisches Signal aus. Der Kreml spielt auf Zeit, glaubt, dass die Unterstützung für die Ukraine bald nachlassen wird. Die Zusicherung, F-16 zu liefern, zeigt der russischen Regierung nun einmal mehr, dass der Westen noch lange zu militärischer Hilfe bereit ist. Die F-16 werden damit Teil der psychologischen Kriegsführung.
Was können die F-16 militärisch leisten?
Die Flugzeuge werden den Krieg nicht grundlegend verändern. Sie sind weder eine Wunderwaffe noch können sie herbeiführen, dass die Ukraine Lufthoheit bekommt oder über russisch besetzte Gebiete fliegen kann. Dafür ist Russlands Flugabwehr am Boden zu effektiv. Außerdem verfügen die russischen Maschinen, Mig-31 und Su-35, über bessere Radarsysteme und weitreichendere Raketen. Im modernen Luftkampf, der über so weite Distanzen ausgetragen wird, dass die Piloten sich gegenseitig nicht sehen können, sind F-16 deshalb stark im Nachteil. Und für die geplante Offensive kommen die Flugzeuge ohnehin zu spät, sollte die Ukraine damit nicht bis Ende des Jahres warten, wovon niemand ausgeht.
Dennoch werden die F-16 der Ukraine militärisch von Nutzen sein. Als wendige Mehrzweckkampfflugzeuge können sie, vor allem in Verbindung mit den modernen Radargeräten des Patriot-Flugabwehrsystems, den Schutz der Ukraine gegen Angriffe mit Flugkörpern und Kampfjets deutlich verbessern. Außerdem ist es mit geeigneter Munition, beispielsweise Marschflugkörpern vom Typ AGM-158 JASSM, möglich, aus großer Entfernung russische Ziele am Boden zu zerstören. JASSM haben, je nach Version, eine Reichweite von bis zu 1800 Kilometern.
Welche Probleme bringen die F-16 mit sich?
15 Prozent der weltweit vorhandenen Kampfjets sind F-16. Tausende Maschinen wurden hergestellt, Ersatzteile und Logistik wären deshalb vergleichsweise einfach bereitzustellen, auch wenn für die oft fast 40 Jahre alten Maschinen einige Teile nicht mehr angefertigt werden. Die größte Herausforderung stellen die Wartung nebst dem Einbau von Ersatzteilen dar. 16 bis 18 Wartungsstunden werden pro Flugstunde veranschlagt. Bei einem Flugzeug wie der F-16 gibt es, anders als etwa bei einem Leopard-2-Kampfpanzer, so gut wie keine Möglichkeit der Improvisation. Zudem dauert die Ausbildung einer F-16-Wartungscrew länger als die eines erfahrenen Piloten. Voraussichtlich müssten die Jets außerhalb der Ukraine, in Polen oder Rumänien, von externen Unternehmen instand gesetzt werden. Das allerdings wäre extrem zeitaufwendig.
Schwierig wird es auch sein, geeignete Start- und Landebahnen in der Ukraine zu finden. Um zu verhindern, dass die russische Seite aufklärt, wo Flugzeuge stationiert sind, nutzt die ukrainische Luftwaffe für ihre alten Jets sowjetischer Bauart wie die Mig-29 sogar große Straßen. Möglich ist das auch deshalb, weil die Migs über Abdeckungen verfügen, die das Ansaugen von Kleinteilen verhindern. Das kann eine F-16 nicht, sie braucht lange und vor allem sehr saubere Bahnen. Jeder Stein, jede Schraube, die in den Motor gelangt, kann katastrophale Auswirkungen auf ein modernes Hochleistungsstrahltriebwerk haben - und zum Absturz führen. Die Ukraine versucht, diese Bedenken zu zerstreuen. Noch ist aber unklar, wie sie das Problem lösen kann.