Süddeutsche Zeitung

Rüstungspolitik:Dem Prestigeprojekt droht der Ausstieg

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Die Entwicklung eines neuen europäischen Kampfjets stockt, weil die Hersteller in Frankreich und Deutschland uneins sind. Nun drohen Haushaltspolitiker der Ampel damit, weiteres Geld zu blockieren.

Von Mike Szymanski, Berlin

Das deutsch-französische Verhältnis steht vor einer neuen Belastungsprobe. Haushaltspolitiker der Ampelkoalition drohen beim wichtigsten Rüstungsprojekt zwischen den beiden Ländern, der Entwicklung eines Kampfjets der nächsten Generation, Finanzmittel zu blockieren. Hintergrund ist ein seit Monaten anhaltender Streit der beteiligten Unternehmen.

Im Entwurf für einen sogenannten Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, eine "angemessene Verteilung der Technologiebereiche auf Augenhöhe und eine faire Kosten- und Arbeitsverteilung auf staatlicher und industrieller Ebene" stellten wesentliche Forderungen dar, um auch zukünftig Geld für das Projekt zu bewilligen, diese seien aber "aktuell nicht erfüllt". An diesem Donnerstag sollen in der Bereinigungssitzung die Feinheiten des Haushalts 2023 geklärt werden, dazu gehört dann auch dieser Beschluss.

Vom Jahr 2040 an will die Bundeswehr den Eurofighter-Jet durch ein Kampfflugzeug ablösen, das digital komplett vernetzt mit unbemannten Systemen, etwa Kampfdrohnen, zusammenarbeitet. Future Combat Air System (FCAS), heißt dieses Projekt. Frankreich sucht Ersatz für seine Rafale-Jets. 2017 hatten die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron das gemeinsame Projekt initiiert, an dem inzwischen auch Spanien beteiligt ist. Es geht um Kosten von geschätzt 100 Milliarden Euro in den kommenden Jahrzehnten. Im Bundeshaushalt 2023 sind laut Entwurf 478 Millionen Euro für das Projekt vorgesehen.

Der Modernisierungsbedarf der Streitkräfte ist groß

Zuletzt war das Rüstungsvorhaben ins Stocken geraten. Im ersten Halbjahr 2022 gab es praktisch keine Fortschritte, wie aus einem vertraulichen Sachstandsbericht, der der SZ ebenfalls vorliegt, hervorgeht. Die beteiligten Unternehmen, Dassault auf französischer Seite und Airbus mit seinen Produktions- und Entwicklungsstätten in Deutschland, rangeln um die Macht in dem Projekt. Während Frankreich beim eigentlichen Flugzeug die Führungsrolle übernehmen soll, und daher die Rafale als Grundlage für einen Demonstrator, eine Art Prototyp, im Gespräch ist, soll Airbus bei den unbemannten Systemen und der Vernetzung die Richtung vorgeben. Aktuell gibt es Streit, weil nicht alle Partner Zugriff auf alle Systeme bekämen, Verträge konnten deshalb nicht geschlossen werden, geht aus dem Sachstandsbericht hervor.

Nun wollen die Haushaltspolitiker von SPD, Grünen und FDP den Druck auf die Industriepartner erhöhen, damit Deutschland stärker von dem Projekt profitiert. "Hierzu gehört insbesondere auch die Beteiligung von deutschen Unternehmen an nationalen und internationalen Technologie- und Demonstratorvorhaben", heißt es in dem Entwurf für den Beschluss. Sollte das nicht gelingen, halten Haushaltspolitiker der Ampel nach SZ-Informationen auch einen Ausstieg aus dem Projekt für eine Option. Der Modernisierungsbedarf der Streitkräfte sei gewaltig. Es werde als problematisch angesehen, solche gewaltige Summen wie sie veranschlagt sind, für ein einzelnes Projekt wie FCAS auszugeben.

Sollte der Beschluss so durch das Parlament gehen, dürfte auch der Druck auf Kanzler Olaf Scholz wachsen, mit Frankreich zu einer Verständigung zu kommen. Dabei ist das deutsch-französische Verhältnis ohnehin angespannt. In Paris hat Irritationen ausgelöst, das Deutschland im Zuge der "Zeitenwende"-Politik jetzt modernste F-35-Jets aus US-Produktion bestellt, um die Luftwaffe zu modernisieren. Die Milliardenhilfe in der Energiekrise für Bürger und Wirtschaft in Deutschland werden Scholz als Alleingang ausgelegt. Die für Oktober geplanten deutsch-französischen Regierungskonsultationen wurden aufs kommende Jahr verschoben. Macron und Scholz versuchten stattdessen bei einem Treffen zu zweit, inhaltliche Differenzen beizulegen.

Am Mittwoch sagte Macron bei einem Besuch im südfranzösischen Toulon zur militärischen Zusammenarbeit, es sei "unser Wille, unsere Verbindung mit Deutschland zu stärken, einem unverzichtbaren Partner, mit dem wir in tiefgreifende Programme eingebunden sind". Und weiter: "Vom Gleichgewicht unserer Partnerschaft hängt, glaube ich, zum Teil der Erfolg des europäischen Projekts ab", so Macron. "Und ich hoffe, dass wir in dieser Hinsicht in den kommenden Wochen entscheidende Fortschritte erzielen können."

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