Rüstung:Entscheidung zu Kampfdrohnen für die Bundeswehr rückt näher

Kampfdrohne Heron TP

Heron-Aufklärungsdrohnen benutzt die Bundeswehr bereits, von 2021 an sollen waffenfähige Heron in Dienst genommen werden.

(Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Die Verteidigungsministerin will die Bundeswehr so schnell wie möglich mit bewaffneten Drohnen in den Einsatz schicken können. Nun muss sich die SPD entscheiden, ob sie ihren Widerstand dagegen aufgibt.

Von Mike Szymanski, Berlin

Warum die Bundeswehr bewaffnete Drohnen brauche? Oberst Matthias E. fällt die Antwort nicht schwer: Am 31. August 2019 hätte er sich gewünscht, eine solche Drohne in der Luft zu haben, die eben nicht nur den Feind beobachten, sondern ihn auch ausschalten kann. An diesem Tag konnte er auf dem Bildschirm in der Operationszentrale mitverfolgen, wie Taliban-Kämpfer eine Raketenstellung aufbauten, und er sah zu, wie sie Schüsse abfeuerten. Nur, eingreifen konnte er nicht.

Ein Kampfflugzeug anzufordern, erzählt der Oberst, das hätte zu lange gedauert. Die Taliban feuerten acht Raketen ab, von denen vier das Camp trafen. Immerhin hatten die Soldatinnen und Soldaten gerade noch genügend Zeit, sich in den Schutzbauten in Sicherheit zu bringen. Verletzt wurde so niemand. "Wir wussten, dass wir beschossen werden. Aber wir waren wehrlos", erzählt der Oberst. Hätten sie eine bewaffnete Drohen gehabt, dann wäre es nur zu einem gezielten Schuss gekommen - um die Raketenstellung auszuschalten.

Oberst E. ist nur einer von mehreren Gesprächspartnern neben Kirchenvertretern und Wissenschaftlern, die das Verteidigungsministerium in den vergangenen Wochen und Monaten aufgeboten hat, um in einer der umstrittensten Fragen der Rüstung zu einem Ergebnis zu kommen. Setzt auch bald die Bundeswehr Kampfdrohnen ein? Die Debatte läuft seit vielen Jahren.

Geht es nach Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist es ganz klar, dass die Bundeswehr möglichst bald diese Waffen bekommt. Für den "bestmöglichen Schutz" der Soldaten sei das "unerlässlich", sagte sie vergangene Woche im Bundestag. Nur, die SPD tut sich noch schwer mit diesem Schritt. Nachdem das Verteidigungsministerium im Frühjahr eine Debattenreihe zu dieser Frage gestartet hat, wird es an diesem Montag auf Drängen der Sozialdemokraten im Verteidigungsausschuss noch einmal eine Expertenanhörung zum Thema geben, bei dem "die völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Bewertung" im Gespräch mit den Abgeordneten vorgenommen werden soll.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass der Bundestag erst "nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung" über den Kauf von Waffen für Drohnen der Bundeswehr entscheiden werde. Dieser Zeitpunkt rückt nun näher. In Afghanistan und Mali werden längst Aufklärungsdrohnen eingesetzt. Ein Wechsel zu einem moderneren, bewaffnungsfähigen Modell, der Heron TP, ist von 2021 an vorgesehen. Dann fehlen nur noch die Waffen.

Der Widerstand in der SPD hat bereits zu bröckeln begonnen, als sie der Anschaffung dieses Drohnenmodells zustimmte. "Im Gegensatz zu anderen Parteien, die einfach den Daumen heben oder senken, werden wir die Bewaffnung von Drohnen gewissenhaft abwägen", sagte Fraktionsvize Gabriela Heinrich jetzt der Süddeutschen Zeitung. Eine Bewaffnung wollen die Sozialdemokraten an strikte Bedingungen knüpfen. Auch der SPD gehe es, so Heinrich, um "den bestmöglichen Schutz" der Soldatinnen und Soldaten, die in gefährliche Auslandseinsätze geschickt würden. Sie treibe aber etwa die Frage um, ob der Einsatz von bewaffneten Drohnen und die damit vermeintlich höhere Sicherheit am Ende zu gefährlicheren Einsätzen führe.

So nah waren die Befürworter bewaffneter Drohnen ihrem Ziel noch nie

Über die Erkenntnisse aus der Anhörung werde ihre Fraktion anschließend beraten. Eilig hat es nur Kramp-Karrenbauer, sie macht Druck. Sie hoffe, dass die SPD schon in dieser Woche zu einer "abschließenden Beschlussfassung" komme, denn sie will "schnellstmöglich" ins Beschaffungsvorhaben einsteigen, das durch den Bundestag muss.

In wesentlichen Fragen waren sich Union und SPD in den vergangenen Woche nähergekommen. Im einem Bericht zum Stand der Debatte aus dem Juli geht das Ministerium auf Bedenken ein, die gerade auch von der SPD vorgetragen worden waren. So sollen die Drohnen-Bediener "grundsätzlich im Einsatzgebiet" stationiert sein, heißt es darin. Ein Grund: Ihr Handeln soll nicht komplett losgelöst sein vom Kampfgeschehen im Einsatzland. Die Sorge, dass bewaffnete Drohnen ein Schritt hin zu voll automatisierten Waffensystemen sein könnte, versucht das Ministerium mit der Feststellung auszuräumen, dass die Entscheidung zum Einsatz der Waffen "immer durch Menschen getroffen" werde. Und Tötungen außerhalb des geltenden Rechts widersprächen allem, "wofür die Bundeswehr seit ihrer Gründung steht, und kommt unter keinen Umständen infrage".

Den Wunsch nach Transparenz sieht das Verteidigungsministerium unter anderem dadurch erfüllt, dass der Einsatz der Drohnen genauso den Vorgaben des Bundestages unterliege. So nah wie jetzt waren die Befürworter bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr ihrem Ziel noch nie.

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