Süddeutsche Zeitung

Kampf ums Weiße Haus:Bush und die wilden Kerle

  • In 20 Monaten wählen die USA ihr nächstes Staatsoberhaupt. Jeb Bush hat eine Kandidatur für die Republikaner noch nicht ausdrücklich angekündigt, verhält sich aber längst wie der Favorit.
  • Er sammelt Geld bei Großspendern und hält Grundsatzreden.
  • Für die Rolle des gemäßigten Kandidaten kommen aber auch andere in Frage: Marco Rubio aus Florida etwa oder Chris Christie, Gouverneur von New Jersey.

Von Nicolas Richter, Washington

Noch läuft nicht alles rund, noch ist nicht jedes Wort an seinem Platz. Vor ein paar Tagen hat John Ellis Bush, genannt "Jeb", eine seiner ersten größeren Reden gehalten. Er wollte etwas darüber sagen, wie die USA mit Iran umgehen. Versehentlich geißelte er dann allerdings "den Umgang unserer Regierung mit dem Irak". Ein ungünstiger Versprecher, denn als wahlkämpfender Bush sollte man das Wort "Irak" lieber meiden: Es erinnert daran, dass Jebs großer Bruder George W. einst Amerikas Soldaten dorthin schickte - mit schlimmen Folgen für den Irak und nicht zuletzt für den Ruf der politischen Marke Bush.

Wenn Patzer aber schon passieren müssen, dann am besten jetzt. Vermutlich sind sie vergessen, wenn die USA in 20 Monaten ihr nächstes Staatsoberhaupt wählen. Jeb Bush hat seine Kandidatur noch nicht ausdrücklich angekündigt, er verhält sich aber längst wie der Favorit, sammelt Geld bei Großspendern, hält Grundsatzreden.

Der frühe Start hat seine Rivalen überrascht. Mitt Romney, im Jahr 2012 republikanischer Kandidat, wollte es eigentlich noch einmal versuchen. Aber er musste einsehen, dass der Platz in der Mitte diesmal schon besetzt war. Jeb Bush, 62, wirkt ausgeruht. Bis 2007 war er der Gouverneur von Florida, seitdem sah es so aus, als habe er sich im Ruhestand behaglich eingerichtet. Nun lässt er wissen, dass er wohl gerne Präsident wäre, dies aber nicht unbedingt nötig hat.

Er sagt, dass er nur für Ideen kämpfen wird, weil er von ihnen überzeugt ist, nicht, weil Parteitaktik es verlangt. Anders als einst Romney will er sich nicht beim rechten Rand der Partei anbiedern, um die Vorwahl zu gewinnen. Bush zum Beispiel fordert Empathie für Amerikas illegale Einwanderer, im Gegensatz zu Romney 2012 dürfte er sie nicht auffordern, "sich selbst abzuschieben".

Von Hillary Clinton heißt es, sie fürchte nur einen Gegner

Fachlich ist Jeb Bush zweifellos geeignet für das Weiße Haus. Anders als sein Bruder George W. ist er ein Kopfmensch; in seiner Familie hielt man eigentlich immer ihn für den künftigen Präsidenten. Er ist ein traditioneller Republikaner, neigt zu niedrigen Steuern, großen Militärbudgets und Nähe zur Geschäftswelt. Da sein Vater George und sein Bruder bereits Präsidenten waren, besitzt er einmaligen Zugang zu Großspendern.

Wie sein Bruder, der sich als "mitfühlenden Konservativen" beschrieb, möchte auch Jeb Bush so wirken, als nehme er sich die Sorgen aller Amerikaner zu Herzen. Er nennt sich einen "Reform-Konservativen". Als solcher könnte er Wechselwähler überzeugen. Die mutmaßliche Kandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, soll in der Hauptwahl nur einen Gegner fürchten - Jeb Bush.

Und trotzdem ist es keineswegs sicher, dass nach dem 41. und dem 43. auch der 45. US-Präsident Bush heißt. Für die Rolle des gemäßigten Kandidaten kommen auch andere, vielleicht interessantere Wettbewerber in Frage, etwa der junge Senator Marco Rubio aus Florida oder Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey. Christie galt lange als größtes Talent seiner Partei. Als Republikaner in einem demokratischen Staat hat er bei Frauen, Latinos und Schwarzen besser abgeschnitten als in seiner Partei üblich. Und er ist Bush jedenfalls in der Hinsicht überlegen, dass er charismatisch, sogar unterhaltsam ist, was in US-Wahlen echte Vorteile bringt.

Seit einem Jahr aber ist Christie in Schwierigkeiten. Seine Mitarbeiter haben politische Gegner schikaniert, und sein barscher Ton weckt zuweilen Zweifel daran, ob sein Temperament zum Weißen Haus passt. Christie gab sich in dieser Woche unerschrocken. "Ist die Wahl nächste Woche?", antwortete er auf die Frage nach seinen Umfragewerten. Über die frühen Erfolge Bushs bei Großspendern sagte er, Bush sei bloß Kandidat der "Eliten in Washington, die Deals in Hinterzimmern machen". Als man ihm vorhielt, er habe unlängst einen Zwischenrufer mit dem Satz "Setz dich hin und halt die Klappe" abgefertigt, sagte Christie: "Manchen Leuten muss man sagen, dass sie sich hinsetzen und die Klappe halten sollen." Das schließe viele Leute in Washington mit ein.

Längst erstellen US-Medien Ranglisten der besten republikanischen Kandidaten, aber es ist völlig offen, wer 2016 die Vorwahl gewinnen könnte. Manchmal reicht zurzeit schon eine gute Rede, um zum Mitfavorit aufzusteigen, so zum Beispiel Scott Walker, dem Gouverneur von Wisconsin. Walker hat sich erbitterte Machtkämpfe mit den Gewerkschaften geliefert - er hat sie gewonnen, das macht ihn in seiner Partei zum Heroen. Am Donnerstag antwortete er auf die Frage, wie er als US-Präsident gegen den Terror des Islamischen Staats kämpfen würde: "Wenn ich mit 100 000 Demonstranten fertig werde, kriege ich das auch weltweit hin."

Später musste eine Sprecherin versichern, dass er US-Bürger nicht mit Terroristen vergleichen wollte. Noch weiter rechts steht Ted Cruz, der US-Senator aus Texas. Er gilt im Kapitol selbst unter Parteifreunden als rücksichtsloser Selbstdarsteller, weil er jeden Kompromiss sabotiert. Er hat im Budgetstreit 2013 die Eskalation befeuert, die fast zur Staatspleite führte. Doch für stramm Konservative ist er ein unbeugsamer Held. Wäre er Präsident, sagt er, würde er die Steuerbehörde IRS abschaffen und die Finanzbeamten in den Süden schicken, um die Grenze nach Mexiko abzusichern.

Die Republikaner haben sich am Ende meist für den gemäßigten Kandidaten entschieden, zuletzt waren dies George W. Bush, John McCain, Mitt Romney. Doch musste sich Romney derart verrenken, um dem rechten Rand zu gefallen, dass er später in der Hauptwahl kaum noch vermittelbar war. Bush möchte diesen Fehler vermeiden. Auf Rücksicht seiner rechten Parteifeinde aber kann er nicht hoffen. Die rechtspopulistische Tea Party ist noch immer einflussreich, Republikaner wie Cruz oder der libertäre Rand Paul gelten in Tea-Party-Kreisen als die echten Konservativen und als wahre Volksvertreter - anders als die Bushs, die das "Establishment" verkörpern.

"Der größte Graben liegt nicht zwischen Republikanern und Demokraten, sondern zwischen Washingtons Karrierepolitikern und dem amerikanischen Volk", sagt Cruz. Man kann davon ausgehen, dass er zum System Washington auch Jeb Bush zählt. Der hat dort zwar nie ein Amt bekleidet, aber wer verkörpert Washington schon mehr als die Bushs?

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SZ vom 28.02.2015/fie
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