Kampf um US-Präsidentschaftskandidatur:Prediger stiehlt Palin die Show

"Heiliger Vater, wir sehen Zorn in den Hallen der Regierung": Wenn Rick Perry betet, hören ihm schon mal 30.000 Menschen andächtig zu. Jetzt strebt er nach Höherem. Der US-Republikaner will offenbar Obama aus dem Weißen Haus verjagen und Präsident werden. Zuvor muss er sich aber gegen andere republikanische Anwärter wie Sarah Palin durchsetzen - seine Chancen stehen gut.

Christian Wernicke, Washington

Rick Perry betet vom Blatt. Er hält den Kopf gesenkt, seine mächtigen Hände umklammern das Rednerpult, als müsse er Halt suchen in diesem Moment: "Heiliger Vater, Amerika bricht unsere Herzen", raunt er langsam, "wir sehen Zwietracht daheim, wir sehen Angst in den Märkten, und wir sehen Zorn in den Hallen der Regierung." Der Laienprediger hält inne, beklagt reuig, "dass wir als Nation vergessen haben, wer uns erschaffen hat".

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Betender Bewerber: Rick Perry begeistert die christliche Rechte.

(Foto: AFP)

Perrys Stimme hallt nach im weiten Fußballstadion von Houston, Texas, ein paar Zuhörer am Bühnenrand stöhnen beifällig auf, da Perry nun Gottes Beistand erfleht "für die Führer unserer Nation, für Eltern und Pastoren, für Generäle und Gouverneure". Und schließlich kommt Barack Obama dran: "Vater, wir beten für unseren Präsidenten: Dass Du Deine Weisheit über ihn bringst und dass Du seine Familie schützt. Amen."

Knapp 30.000 Menschen haben da am vergangenen Wochenende eingestimmt: "Amen!" Und Rick Perry hat selig gelächelt. Der Gouverneur von Texas ist ein zutiefst gottesfürchtiger Mann, er zitiert gern Bibelverse. Es hat ihn geärgert, wie vor allem linke Gruppen ihn attackiert hatten wegen seiner Teilnahme an diesem evangelikalen Event.

Perry, so die Kritik, missachte das Verfassungsgebot, Kirche und Staat strikt zu trennen. Eben deshalb hatte der breitschultrige, 61-jährige Republikaner in seiner Predigt auch eine Bemerkung für seine Gegner übrig: "Er ist ein weiser Gott. Er ist weise genug, sich nicht auf irgendeine politische Partei einzulassen."

Natürlich ging es Perry um Politik. Und - mehr noch - um sich selbst. Denn dieser Mann, der seit bald elf Jahren den größten US-Bundesstaat regiert, strebt nach Höherem: Perry will Barack Obama aus dem Weißen Haus verjagen und nächster US-Präsident werden. Offiziell bestätigt ist nichts, seine Berater orakeln viel, ohne Verbindliches preiszugeben.

Bei der TV-Debatte von acht republikanischen Aspiranten an diesem Donnerstag wird der Texaner noch fehlen. Dennoch stiehlt er allen Konkurrenten die Show: Die Spekulationen über seine Ambitionen überschatten all den Eifer, mit dem die übrigen Anwärter derzeit im Mais- und Soja-Staat Iowa für sich werben.

Im Städtchen Ames wird die Grand Old Party am Samstag eine Art Kirmes zelebrieren, samt einer allerersten (und demokratisch höchst zweifelhaften) Urabstimmung der Parteibasis über das bisherige Bewerberfeld. Perry wird auch in Ames nicht dabei sei. Aber am Sonntag fliegt er dann doch nach Iowa, dem Bundesstaat mit der traditionell ersten Vorwahl im Land. Spätestens dann wird er sich und seine Präsidentschaftskandidatur erklären.

Feuer im Bauch der Partei

Perry hat gute Chancen. Neueste Umfragen sehen ihn bereits auf Platz zwei der republikanischen Bewerberliste, hinter dem führenden Mitt Romney. Der frühere Hedgefonds-Manager und Ex-Gouverneur von Massachusetts hat eine scheinbar perfekte Wahlkampfmaschine aufgebaut, angeblich verbergen sich in seiner Kampagnenkasse mehr Millionen, als alle anderen Kandidaten gemeinsam aufzubringen vermögen. Aber Romney, ein so telegener wie kühler Kopf, mag nicht das Feuer im Bauch der Partei entfachen.

Genau diese Kunst beherrscht Perry. Der Gottesdienst vom vergangenen Wochenende hat bewiesen, wie treu Amerikas christliche Rechte diesem Mann ergeben ist. Er predigt Reue und Sühne: 234 Menschen sind unter seiner Regentschaft hingerichtet worden. Auch die Tea Party, also den libertären, fiskal-konservativen Flügel seiner Partei, kann er begeistern.

In Texas steuert Perry einen knallharten Sparkurs: Die Sozialausgaben sind extrem niedrig, kein Bundesstaat gibt pro Kopf weniger für öffentliche Schulen aus als Perrys Heimat. Der Sohn eines Baumwollfarmers und frühere Soldat beschneidet die eigenen Regierung: Umweltvorschriften setze er reihenweise außer Kraft, neulich hat er per Veto sogar ein Gesetz blockiert, das Autofahrern das Schreiben von Textmitteilungen am Steuer verbieten sollte.

Perry hat Erfolg. In einer Zeit, da sich die Wähler nicht so sehr wünschen wie mehr Arbeit, hat Perry Jobs geschaffen. Knapp die Hälfte aller seit 2009 in den USA neu entstandenen Arbeitsplätze finden sich in Texas. Kritiker bemängeln, diese Jobs seien größtenteils nur unqualifizierte Tätigkeiten. Zudem habe Perry mit Fördergeld Unternehmer begünstigt, die später seine Wahlkämpfe finanzierten. Aber der Erfolg - und das Volk - gaben ihm recht: Erst voriges Jahr wurde er mit breiter Mehrheit wiedergewählt.

Zudem kommt ihm zugute, dass er fern von Washington regiert. Perrys Kampagne wird gegen die ungeliebte Hauptstadt zu Felde ziehen, und ein Kandidat, der vor zwei Jahren sogar mit dem absurden Gedanken einer Sezession seines Staates spielte, kann das glaubhafter als der Amtsinhaber Obama. Perry glaubt, Amerika sei vier Jahre nach George W. Bush erneut reif für einen Texaner. Seine Berater streuen, wie Perry und Bush sich schon vor langer Zeit zerstritten. Der Mann, der noch 1988 als Demokrat den texanischen Wahlkampf von Al Gore koordinierte, ist weit nach rechts gedriftet. In den Augen von Perry war Bush ein Verräter republikanischer Prinzipien. Und schlicht zu links.

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