Mit dem massiven Einsatz von Kampfhubschraubern und Artillerie versuchen syrische Regierungstruppen Berichten zufolge, die Entscheidung im Kampf gegen die Rebellen in der Millionenmetropole Aleppo zu erzwingen. Bislang aber offenbar ohne Erfolg. "Unsere Positionen sind unverändert", sagte der Rebellenkommandeur Abu Omar al-Halebi der Nachrichtenagentur dpa. Die Angriffe konzentrierten sich auf den Zugang zum südwestlichen Randbezirk Salaheddin, einer Hochburg der aufständischen Freien Syrischen Armee (FSA). Ein entscheidender Vorstoß sei aber bislang nicht gelungen, sagte Al-Halebi.
Schwere Kämpfe seien am Sonntag auch am nördlichen Rand von Aleppo aufgeflammt, berichtete die in London ansässige Organisation "Syrische Menschenrechtsbeobachter". Regimetruppen griffen demnach die FSA-Stellungen in den Stadtteilen Bab al-Hadid, Al-Sahara and Al-Arkub an. Die Rebellen zerstörten nach eigenen Angaben mehrere Panzer. Bilder, die die ausgebrannten Wracks zeigen sollen, tauchten im Internet auf. Von unabhängiger Seite ließen sich die Berichte wegen der Situation im Land erneut nicht bestätigen.
Die Schlacht um Aleppo, das wirtschaftliche Zentrum des Landes, gilt als bislang wichtigste Machtprobe für die Regierung. Die regierungstreue Zeitung Al-Watan schrieb, die Regierung habe einen "sehr schwierigen Einsatz" in Aleppo begonnen, um "die Bewohner aus den Händen der aus verschiedenen Teilen der Welt entsandten Terroristen" zu befreien. Nach Angaben eines AFP-Reporters kämpfte auf Seiten der Rebellen eine aus ausländischen Kämpfern gebildete sogenannte Brigade Vereinigter Mudschahedin.
Nach Darstellung der "Syrischen Menschenrechtsbeobachter" wurden am Samstag in Aleppo 17 Zivilisten, 13 Aufständische und eine ungenannte Anzahl Regierungssoldaten getötet. Der Vorsitzende des oppositionellen Syrischen Nationalrats (SNC), Abdel Baset Seida, warnte indessen vor einem möglichen Massaker der Regimekräfte in Aleppo. "Die internationale Gemeinschaft wird die Verantwortung dafür tragen, wenn es passiert", sagte der Exil-Politiker am späten Samstagabend auf einer Pressekonferenz in Abu Dhabi. Der Nationalrat fordert ein militärisches Eingreifen des Auslands.
Westerwelle: "Syrien hat mit Assad keine Zukunft."
Internationale Reaktionen beschränken sich am Wochenende jedoch weiterhin auf rhetorische Appelle. So warf Bundesaußenminister Guido Westerwelle Staatschef Baschar al-Assad "verbrecherische Akte" in Aleppo vor. Er forderte ihn in der Zeitung Bild am Sonntag auf, die Macht abzugeben. "Syrien hat mit Assad keine Zukunft. Assad muss gehen."
US-Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney beschuldigte das Regime in Syrien am Sonntag, "undenkbare Horrortaten gegen das eigene Volk" zu begehen. Bei einem Treffen mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres in Jerusalem sprach Romney sich dafür aus, einen "Weg zu Frieden in Syrien" zu finden. Auch Peres äußerte Empörung über die große Brutalität des syrischen Regimes, das "auf seine eigenen Kinder schießt". Es müsse alles für eine Beruhigung der Lage unternommen werden.
Auch Papst Benedikt XVI. forderte zum wiederholten Male ein Ende der Gewalt in Syrien. Mit Sorge verfolge er weiterhin die wachsende Eskalation des Konflikts mit Toten und Verletzten auch unter der Zivilbevölkerung, klagte Benedikt am Sonntag nach dem Angelus-Gebet in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gondolfo.
Der internationale Syrien-Sondergesandte Kofi Annan rief am Samstagabend von Genf aus Regierungstruppen und Rebellen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts auf. Er fordere alle Konfliktparteien auf, jedes weitere Blutvergießen zu vermeiden.
Bei derlei Appellen von internationaler Seite blieb es am Wochenende, zumal die Vereinten Nationen durch den Widerstand der UN-Vetomächte Russland und China weiterhin nicht in der Lage sind, eine Resolution zu neuen Maßnahmen zu verabschieden.
Der französische Staatspräsident François Hollande appellierte angesichts eines befürchteten Massakers an der Zivilbevölkerung Aleppos erneut an Moskau und Peking, sie sollten berücksichtigen, dass "Chaos und Bürgerkrieg herrschen werden, wenn Baschar al-Assad nicht gestoppt wird" Die UN müssten "so schnell wie möglich" handeln, denn Assad werde "bis zum Ende Gewalt anwenden", sagte Hollande am Samstag dem Fernsehsender iTele TV.
Nach Ansicht Russlands wiederum würde eine stärkere Unterstützung der syrischen Opposition durch das Ausland nur zu noch mehr Blutvergießen führen. Der mit Syrien verbündete Iran bezeichnete Überlegungen einer ordentlichen Machtübergabe in Syrien als Illusion. Es sei naiv zu glauben, dass nach einem Machtvakuum und einer Übergangsphase einfach eine neue Regierung das Ruder übernehmen könne, sagte Außenminister Ali Akbar Salehi.
"Geheimdienstliche Agententätigkeit"
Die Bundesanwaltschaft hat einem Bericht zufolge indes Anklage gegen einen mutmaßlichen Mitarbeiter des syrischen Nachrichtendienstes erhoben. Dem 35-jährigen Akram O. aus Berlin wird "geheimdienstliche Agententätigkeit" in 35 Fällen vorgeworfen, wie das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet.
Seit 2008 soll O., der bis zu seiner Verhaftung im Februar als Zivilangestellter in der syrischen Botschaft in Berlin tätig war, demnach seinen Führungsoffizier regelmäßig mit Informationen aus Deutschland versorgt haben. Laut Anklage kundschaftete O. vorwiegend syrische Oppositionelle in der Bundesrepublik aus, lieferte aber auch Details über Parteien und politische Stiftungen, wie das Magazin weiter berichtete.