Kampf gegen Terror:Gefährder von rechts

Behörden wollen Rechtsextreme mit denselben Mitteln verfolgen wie Islamisten. Die Opposition kritisiert, dass die Maßnahmen viel früher hätten kommen müssen.

Von Stefan Braun, Berlin

Vor Prozessauftakt gegen 'Revolution Chemnitz'

Polizisten bringen einen Rechtsterrorverdächtigen zum Bundesanwalt.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Die deutschen Sicherheitsbehörden schlagen Alarm: Mit Blick auf das Gewaltpotenzial von Rechtsextremisten sprechen das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz inzwischen von einer "Gefahr für die Demokratie". Aus diesem Grund wollen sie ihre Arbeit im Kampf gegen gewaltbereite Rechtsextremisten ausbauen und ein Analysesystem, das sie bislang allein auf islamistische Gefährder anwandten, auch für den Kampf gegen Rechtsextremisten nutzen. Aus der Opposition kam Lob, allerdings verbunden mit der Kritik, dass die Maßnahmen viel früher hätten kommen müssen.

Der Verfassungsschutz spricht in einem aktuellen Lagebild von einer "Verschärfung" und "nachhaltigen Veränderung der rechtsextremen Szene". Das mache einen technisch und personell neuen Schwerpunkt notwendig. Die Identifizierung gewaltorientierter Einzeltäter sowie mögliche Verbindungslinien zu Unterstützern und Nachahmern soll "oberste Priorität" erhalten, heißt es in der Analyse des Verfassungsschutzes. Dort steht auch, dass künftig alle rechtsextremen Szenen gemeinsam behandelt werden sollen; außerdem sollen verstärkt Verbote geprüft und Akteure und Gruppierungen beobachtet werden, die in die gewaltbereiten Szenen hineinwirken. Das dürfte auch für die sogenannte "Identitäre Bewegung" gelten.

Ein besonderer Fokus wird auf den sozialen Medien als einem von Extremisten besonders intensiv genutzten Kommunikationsraum liegen. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang beklagte "die virtuelle Globalisierung des Rechtsterrorismus" und einen neuen "Tätertyp, der zugleich Nachahmer ist und Nachahmer generieren will. Soziale Medien und Internetplattformen böten Rechtsextremisten "Ankerstellen", in denen sie sich radikalisieren und hinsichtlich Tatmitteln, Opfern und Tatorten anonym austauschen könnten. Auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, warnte vor einer Bedrohung der Demokratie durch den gewaltbereiten Rechtsextremismus. Gewalttaten und Bedrohungen im Internet hätten ein "Klima der Angst" geschaffen, das längst dazu führe, dass ehrenamtliches wie kommunalpolitisches Engagement abnehme. Münch kündigte an, dass BKA und Verfassungsschutz ein Bewertungssystem für rechtsextreme Gefährder schaffen werden, das mit den Risikobewertungen für islamistische Gefährder vergleichbar sein soll.

Nach dem Anschlag von Halle erhöhten die Behörden die Zahl der Rechtsextremisten, die sie für akut gefährlich halten. 43 gelten als "Gefährder" und werden mit entsprechendem Aufwand überwacht. Politiker der Opposition lobten die Ankündigungen, übten aber auch Kritik. Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic sagte, die Behörden würden immer noch viel zu wenige Rechtsextremisten als Gefährder einstufen. Und der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle verlangte, zusätzlich zur besseren Risikobewertung müsse auch der Verfolgungsdruck auf die Szene spürbar steigen.

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