Kampf gegen Rechtsextremismus:Was in der Neonazi-Datei stehen soll

Der rechte Terror des Zwickauer Neonazi-Trios hat im ganzen Land Schrecken verbreitet. Um derartige Gewalttaten und Ermittlungspannen künftig zu verhindern, hat der Bundestag nun eine gemeinsame Datei von Polizei und Nachrichtendiensten beschlossen. Doch welche Informationen finden sich in dieser Datenbank? Ein Überblick.

Susanne Höll

Das Bundeskabinett hat an diesem Mittwoch eine neue Datenbank beschlossen, in der Polizei und Verfassungsschutzämter sowie der Militärische Abschirmdienst (MAD) Informationen über gewalttätige Neonazis speichern und austauschen sollen. Mit der Datenbank soll als Konsequenz aus der jahrelang unentdeckten rechtsextremistischen Mordserie der Kampf gegen rechte Gewalt verbessert werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu der Datei im Überblick:

Warum brauchen die Behörden eine neue Datenbank? Schließlich gibt es schon andere Dateien im Kampf gegen Rechtsextremismus

Dies ist die erste gemeinsame Datei von Polizei und Geheimdiensten zu gewalttätigen Rechtsextremisten. Sie soll vor allem dafür sorgen, dass jene Geheimnistuerei zwischen den Sicherheitsbehörden beendet wird, die zu Pannen und Versäumnissen bei der Fahndung nach den Mitgliedern der Zwickauer Terrorzelle führte. Sicherheitsexperten klagen seit Jahren darüber, dass die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern ihre Informationen untereinander nicht austauschen, aus Misstrauen oder Konkurrenzdenken. Deshalb sind die Landesämter für Verfassungsschutz inzwischen auch verpflichtet worden, alle ihre Informationen an das Bundesamt in Köln weiterzugeben.

Werden die Daten aller bekannten Neonazis in der Datei gespeichert?

Nein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Informationen über drei Gruppen registriert werden: Neonazis, bei denen Tatsachen nahelegen, dass sie einer terroristischen Vereinigung angehören oder sie unterstützen sowie diejenigen, die einer rechtsextremistisch motivierten Gewalttat beschuldigt werden oder bereits verurteilt sind. Kontaktpersonen und Unterstützer mutmaßlicher Rechtsterroristen oder Straftäter sollen ebenfalls dann gespeichert werden, wenn sie zu Gewalt aufrufen. Rechtsextreme, die friedfertig sind, sollen in dieser Datei nicht erfasst werden.

Ist die neue Datei eine politische "Gesinnungsdatei"?

Nein, denn der Kreis der Personen sei inzwischen begrenzt, sagt der Innenexperte der Grünen, Wolfgang Wieland. Das CSU-geführte Bundesinnenministerium wollte ursprünglich noch Daten eines größeren Personenkreises speichern, nämlich all derer, die als gewaltbereit gelten. Das FDP-geführte Bundesjustizministerium sperrte sich dagegen, weil der Begriff zu unbestimmt und zu weitgehend sei.

Welche Informationen werden in der Datei gespeichert?

Namen, persönliche Daten wie Geburtstag und Geburtsort und Familienstand, aber auch eigene Fahrzeuge, Sprachkenntnisse, Bankverbindungen und der Besitz von Waffen. Auch sollen erstmals alle aktuellen Haftbefehle gegen Rechtsextremisten gespeichert werden. Bislang haben die deutschen Sicherheitsbehörden keinen Überblick, wie viele per Haftbefehl gesuchte Rechtsextreme untergetaucht sind.

Wer hat Zugriff auf die Daten?

Werden die Daten jemals wieder gelöscht?

Die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden sowie der MAD, der für die Sicherheit der Bundeswehr verantwortlich ist und auch in Kontakt mit einheimischen Rechtsextremen kommt. Der Bundesnachrichtendienst, der deutsche Auslands-Geheimdienst, hat keinen Zugriff.

Wie dürfen Polizei, Verfassungsschutz und MAD die Daten nutzen?

Jede Behörde darf die Informationen nur zu ihren jeweiligen gesetzlichen Aufgaben nutzen. Die Polizei zur Strafverfolgung, der Verfassungsschutz zur Erkennung, Klärung und Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Nicht jede Behörde erhält automatisch Zugang zu allen gespeicherten Daten. Es soll in der Datei auch verdeckte Daten geben, die etwa eine Polizeistelle im Detail beim Verfassungsschutz erfragen muss. Auch dürfen Polizei und Geheimdienste mit den Informationen aus der neuen Datei Profilbilder erstellen, etwa herausfinden, wer an welchen Neonazi-Konzerten teilgenommen hat. Doch für diese gemeinsamen Projekte gelten strenge Regeln, sie sind zudem auf maximal vier Jahre begrenzt. Dann soll überprüft werden, ob diese gemeinsamen Recherchen nötig und sinnvoll sind.

Wird das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten gewahrt?

Ja, sagen Sicherheitsexperten aller Fraktionen.

Wird die neue Datei Verbrechen wie die rechtsextremistische Mordserie verhindern?

Nein. Aber sie soll dafür sorgen, dass alle deutschen Sicherheitsbehörden über eine mutmaßlich gewalttätige Gruppe wie die Zwickauer Zelle informiert sind und sie nicht, wie im Fall des Trios geschehen, aus dem Augenmerk der Behörden verschwindet.

Werden die Daten jemals wieder gelöscht?

Ja. Sie müssen entsprechend der geltenden Fristen gelöscht werden, in der Regel nach zehn Jahren, so zwischenzeitlich keine neuen Erkenntnisse hinzukommen. Die Forderung des Bundesinnenministeriums, die Speicherfristen auf 15 Jahre zu verlängern, lehnte das Bundesjustizministerium ab.

Was hält die Opposition von der Datei?

Die SPD unterstützt das Projekt. Ursprüngliche Bedenken der Grünen wurden nach Worten ihres Innenexperten Wieland mit dem abgespeckten neuen Kompromissvorschlag weitgehend ausgeräumt. Grüne und Linkspartei pochen aber darauf, dass der Personenkreis, dessen Daten gespeichert werden, nicht ausgedehnt werden darf.

Was sagen Datenschützer?

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar begrüßt, dass seinen Einwänden Rechnung getragen wurde und strengere Regeln gelten, sowohl für den Personenkreis als auch für die gemeinsamen Rechercheprojekte. "Die Schranken und Schwellen sind höher geworden", sagte Schaar. Im Grundsatz aber beurteile er die Tendenz zu immer neuen gemeinsamen Dateien unterschiedlicher Behörden weiter kritisch. Er wird auch die neue Datei kontrollieren.

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