Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Piraten:GSG-9-Mission abgebrochen

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Unerfüllte Mission vor Somalias Küste: Das Innenministerium bläst die Befreiungsaktion des gekaperten deutschen Schiffes Hansa Stavanger ab - das Risiko für die Geiseln sei zu hoch.

Die Bundesregierung hat laut Medienberichten eine Befreiung des vor Somalia gekaperten deutschen Schiffes Hansa Stavanger durch die Eliteeinheit GSG 9 gestoppt. Angesichts zu hoher Risiken sei die Aktion zur Befreiung der 24 Besatzungsmitglieder aus der Hand von Piraten abgesagt worden, berichteten die Magazine Spiegel und Focus vorab.

Als Begründung habe es im Krisenstab geheißen, die Risiken für das Leben der Geiseln - darunter fünf Deutsche - und für die Polizeibeamten seien zu hoch gewesen.

Das Containerschiff war am 4. April rund 400 Seemeilen vor der somalischen Küste von Seeräubern gekapert worden. Es fährt für die Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg. Das Schiff wurde 1997 gebaut, ist 170 Meter lang und kann 1550 Standardcontainer laden.

Sowohl das an den Bemühungen zur Befreiung von Schiff und Geiseln beteiligte Verteidigungsministerium als auch das für die GSG 9 zuständige Bundesinnenministerium wollten keine näheren Informationen mitteilen. "Wir machen keine Angaben zu operativen Dingen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Im Verteidigungsministerium hieß es, der Krisenstab arbeite weiter mit Hochdruck an einer Lösung.

Nach Angaben des Spiegel seien bereits mehr als 200 Mann einer GSG-9-Spezialeinheit vom amerikanischen Hubschrauberträger USS Boxer in die Nähe der Hansa Stavanger transportiert worden, wurden aber am vergangenen Mittwoch zurückbeordert.

In Berlin sei die Entscheidung zum Stopp der Aktion nach einer Sitzung des Krisenstabs gefallen, weil der Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, James Jones, die notwendige Zustimmung für den Einsatz verweigert hatte. Für die Rettungsaktion hatte der Krisenstab die US-Regierung um Hilfe gebeten, berichtete das Nachrichtenmagazin.

Erfolgloser Befreiungsversuch

Das maritime Kommando der GSG 9 solle nun Anfang kommender Woche nach Deutschland zurückkehren, berichtete der Focus. Das Eliteteam, das von Kampfschwimmern der Marine unterstützt worden sei, habe vergeblich auf einen günstigen Moment für einen Überraschungsangriff gewartet. Das Risiko sei auch deswegen zu hoch gewesen, weil die Piraten ihre Wachen an Bord verdoppelt hätten.

Vor drei Wochen hatte die GSG 9 laut Medienberichten eine erste Befreiungsaktion versucht. Sie verlief aber erfolglos, weil die Seeräuber das Containerschiff zu schnell in ihren Schlupfwinkel in der Bucht von Harardere an der somalischen Küste brachten.

Derweil wurde bekannt, dass ein portugiesisches Kriegsschiff der Nato vor Somalia einen Piraten-Angriff auf einen norwegischen Öltanker verhindert hat. Nach der Verfolgung eines Seeräuber-Schiffes wurden 19 Piraten in Gewahrsam genommen und später wieder freigelassen, sagte der Nato-Kapitänleutnant Alexandre Fernandes.

Erstmals Sprengstoff gefunden

Auf dem Piraten-Schiff sei neben Gewehren erstmals auch hochexplosiver Sprengstoff gefunden worden. Er gehe aber nicht davon aus, dass man nun auf einer neuen Stufe der Gewalt stehe, sagte Fernandes.

Mitte April hatten Scharfschützen der US-Marine drei Seeräuber erschossen, die einen US-Kapitän gefangengenommen hatten. Daraufhin war aus den Reihen der Piraten Rache angekündigt worden, die allerdings auf Franzosen und US-Bürger gemünzt war.

Der Öltanker MV Kition hatte am Freitag nach Nato-Angaben im Golf von Aden um Hilfe gefunkt, nachdem sich ihm ein Boot genähert hatte. Die Männer an Bord hätten Propeller-Granaten und Gewehre in die Luft gehalten, woraufhin sich die Norweger von Piraten bedroht gefühlt hätten.

Die Nato-Begleitfregatte Corte-Real habe den Funkspruch aufgefangen, sei aber 20 nautische Meilen (etwa 40 Kilometer) entfernt gewesen. Daher sei zunächst ein Hubschrauber von Bord der Corte-Real losgeflogen. Als die Piraten den Helikopter sahen, hätten sie beigedreht und seien zu ihrem Mutterschiff gefahren. Die Fregatte habe das Mutterschiff dann verfolgt und später hätten Spezialkräfte an Bord des Piratenschiffs gehen können. Schüsse seien nicht gefallen und niemand sei verletzt worden.

An Bord des Piratenschiffs seien vier Sturmgewehre AK-47, ein Granatwerfer mit neun Granaten und vier Stangen mit je 200 Gramm des Sprengstoffs P4A gefunden worden. Mit der Menge könne ein Schiff versenkt werden, sagte Fernandes. Die 19 Piraten hätten sich ergeben und seien zunächst festgesetzt worden. Nach Rücksprache mit den portugiesischen Behörden seien sie aber wieder freigekommen.

Jedes vor Somalia eingesetzte Nato-Schiff zur Bekämpfung der Piraterie muss beim Umgang mit den Piraten nach den Vorgaben aus seinem jeweiligen Heimatland handeln.

Schwer bewaffnete Piraten sind in den vergangenen Monaten in der Region verstärkt aktiv und halten derzeit Dutzende Schiffe mit Hunderten Geiseln in ihrer Gewalt. Wiederholt haben die Seeräuber Lösegeld erpresst.

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