Kampf gegen Kriminalität:Honduras erlaubt Gründung privater Stadtstaaten

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Drogen, Gewalt, Korruption: So sieht das Bild auf Honduras' Straßen aus. Weil die Regierung nicht mehr weiter weiß, hat sie private Firmen beauftragt, drei neue Städte in dem zentralamerikanischen Land zu bauen. Mit eigenen Gesetzen, Gerichten und Sicherheitskräften.

Inga Methling

Es klingt wie ein letzter Versuch der Regierung, Normalität und Sicherheit zu schaffen, wie eine Kapitulation vor dem eigenen Gesetz. In Honduras, dem Land mit der höchsten Mordrate der Welt, sollen private Investoren drei neue Städte errichten - mit eigenen Gesetzen, Gerichten und eigener Polizei. Eine entsprechende Genehmigung wurde nun unterzeichnet. In sechs Monaten soll der Bau der Modell-Städte beginnen, mehr als 200.000 neue Jobs sollen dabei geschaffen werden.

Die "Charter Cities" sollen einmal so groß sein wie Hongkong. (Foto: REUTERS)

Der zentralamerikanische Staat mit etwa acht Millionen Einwohnern gilt als einer der gefährlichsten der Welt. Korruption, Drogenhandel und Gewalt gehören in vielen Gegenden des Landes zum Alltag. Die Polizei traut sich nicht in die gefährlichen Gebiete oder arbeitet gar mit den Straßengangs zusammen.

Im vergangenen Jahr ist die Mordrate dem Auswärtigen Amt zufolge auf mehr als 6.300 Opfer gestiegen (2010 waren es 6000), etwa 95 Prozent der Frauenmorde werden nie aufgeklärt. Die Menschen sehen sich vom Staat alleingelassen, und eine Verbesserung der Situation ist nicht in Sicht. "So fühlt man sich hier in diesem Land, komplett schutzlos vor all diesen Verbrechen", erzählt eine Mutter, deren Töchter vergewaltigt und erschossen wurden, vor wenigen Tagen im ZDF-Auslandsjournal.

Weil die Regierung keine Chancen für bestehende Städte sieht, müssen eben drei neue her: mit neuer Regierung, neuen Gesetzen und neuen Polizisten. Die künstlichen Gebiete, "Charter Cities" genannt, sollen zudem eigenständig internationale Handelsabkommen unterschreiben und eine eigene Einwanderungspolitik betreiben können.

Steuererleichterungen sollen Firmen anlocken

Regiert werden sollen die Gebiete von einem Gouverneur, der von einem Aufsichtsrat kontrolliert wird. Zu Beginn bestimmen die privaten Investoren die Gesetze und Verantwortlichen, demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten erhalten die Bewohner erst später. Menschenrechte und andere internationale Bestimmungen müssen zu jeder Zeit beachtet werden. Die drei Modell-Städte gelten als Sonderwirtschaftszonen, die mit steuerlichen Erleichterungen Firmen anlocken sollen.

"In der Zukunft werden sich die Menschen an den Tag erinnern, an dem Honduras begann zu wachsen", sagt Michael Strong, Chef der Investorengruppe MGK, der Nachrichtenagentur AP. 15 Millionen Dollar will sein Unternehmen aufwenden, um eine grundlegende Infrastruktur in der ersten der drei neuen Städte nahe Puerto Castilla an der karibischen Küste zu schaffen. Die zweite soll im Sula Valley im Norden des Landes, eine dritte im Süden gebaut werden.

Neben Strongs Firma steuert Südkorea weitere vier Millionen Dollar bei - aus Neugierde, ob das Projekt funktioniert, erklärte der honduranische Kongresspräsident Juan Hernandez. Namen weiterer Investoren sind nicht bekannt. Erfinder der Charter Cities ist Paul Romer, Wirtschaftsprofessor an der New York University. Sein vermeintlich einfaches Prinzip: Nimm ein Stück unbewohntes Land, das groß genug für mehrere Millionen Menschen ist, baue eine Stadt darauf, regiere sie mit erprobten Gesetzen und lasse diejenigen dort hinziehen, denen die Idee gefällt. Falls es funktioniert, könnten die Modell-Städte ein "Entwicklungsinstrument für alle Dritte-Welt-Länder" werden, zitiert AP Carlos Pineda, den Präsidenten der Kommission zur Förderung staatlich-privatwirtschaftlicher Beziehungen.

Anwalt bezeichnet Projekt als "Katastrophe für Honduras"

Nicht alle sind von der Idee begeistert. Protest kommt von den Bewohnern der Region nahe Puerto Castilla. Sie wollen ihr Land nicht für das Projekt hergeben und bezeichnen die Bauherren als "Terroristen", die ihr Geld für eine Idee ausgeben, "die an die Kolonialzeit erinnert, als Honduras zur Bananen-Enklave wurde". Oscar Cruz, ein ehemaliger Verfassungsanwalt, reichte beim Obersten Gericht eine Beschwerde ein, in der er das Vorhaben als "verfassungswidrig" und "eine Katastrophe für Honduras" bezeichnet. "Durch die drei neuen Städte wird ein Staat im Staat errichtet, ohne juristische Staatsgewalt", sagt Cruz. Das Gericht hat sich bislang nicht dazu geäußert.

Investor Strong zufolge muss die Regierung nur noch die genauen Grenzen feststecken, dann könnten die Arbeiten starten. Der Anfang ist, verglichen mit den Zielen, eher klein: Unter den Augen der "Transparency Commission", einem Expertenteam zur Überwachung des Projekts, wird als erstes eine Fläche von etwa 27 Quadratkilometern bebaut, das entspricht etwa einem Viertel der Fläche von Sylt. Textilfabriken, Montagefirmen oder Call Center könnten in Strongs Vorstellung dort Platz finden.

Später sollen die Städte die Größe Hongkongs oder Singapurs erreichen, Menschen aus allen Schichten dort zusammenleben. "Wenn wir erstmal Jobs geschaffen haben, brauchen wir Häuser, Schulen, Krankenhäuser, Kirchen, Restaurants - alles, was eine richtige Stadt braucht." Der Investor ist offenbar optimistisch, dass sich die Städte schnell entwickeln werden: "Ich gebe kein Geld für etwas aus, das nicht zustande kommt."

Linktipp: Der Filmemacher Paul Poet hat sechs Mikronationen besucht und einen Dokumentarfilm gedreht. Im SZ-Interview erklärt er, wie man seinen eigenen Staat gründen könnte.

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