Kampf gegen Korruption in China:Aus Maos Keller

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Bescheidenheit statt Korruption: Chinas politische Elite versucht, ihr Image zu verbessern (Foto: Getty Images)

Um das Image der Partei aufzupolieren, üben sich Chinas Funktionäre öffentlich in ritueller Selbstkasteiung. Parteichef Xi greift dabei auf Instrumente aus Zeiten Maos zurück. Doch was früher funktionierte, wirkt heute aus der Zeit gefallen. Im Netz überschütten Chinesen die Selbstkritik-Sitzungen mit Spott.

Von Kai Strittmatter, Peking

Der Glaube, dass der Mensch sich bessern kann und soll, ist alt in China. Die Konfuzianer predigten lebenslange Selbstkultivierung; als dann die Kommunisten kamen mit dem Programm der öffentlichen Selbstkritik, da knüpften sie dort an: Ihre während der Kulturrevolution alltäglichen Kritik- und Selbstkritik-Sitzungen fachten das Feuer an, in dem Mao Zedong seinen "neuen Menschen" schmieden wollte.

Aus erzwungener Selbstkritik wurde schnell öffentliche Demütigung und Säuberung, eine Waffe im Machtkampf. In Maos Feuer kamen nicht wenige um, weshalb das Instrument seit dem Ende der Kulturrevolution keinen guten Leumund mehr hatte und kaum mehr eingesetzt wurde. Bis jetzt.

Vergangene Woche nun sahen die überraschten Zuschauer der Abendnachrichten in Chinas Staatsfernsehen Parteichef Xi Jinping inmitten einer Gruppe leitender Kader der Provinz Hebei - und die Provinzführer übten sich geschlagene 24 TV-Minuten in ritueller Selbstkasteiung. Der Gouverneur beschrieb sich als arrogant, der Propagandachef beichtete "ausladende Bankette" und ein Parteisekretär gestand zerknirscht, wie viel "Spaß" ihm das Fahren seines luxuriösen Geländewagens gemacht habe.

Es war der Startschuss einer Kampagne, schnell meldeten die Medien weitere öffentliche Selbstgeißelungen aus Hunan, Yunnan und Chongqing. Die Volkszeitung zitierte einen Beamten, der sich mit einem Mal so über sich selbst schämte, dass er "den Tränen nahe" war.

Xi bedient sich dem Vokabular Maos

Zweck der Kampagne ist wohl zweierlei. Parteichef Xi weiß um das miserable Image der Kommunistischen Partei (KP). Das Volk unterstellt den Funktionären ein Leben in Ausschweifung und Korruption. Der als asketisch geltende Xi will das Bild ändern. Anfangshoffnungen, Xi könne dabei jene Reformen einleiten, die das Übel an der Wurzel anpacken, also für unabhängige Medien und unabhängige Gerichte sorgen, haben sich längst zerschlagen.

Xi greift lieber zurück auf die stumpfen Instrumente aus dem Keller der Partei: Appelle und Kampagnen. Und bedient sich dabei beim Vokabular Mao Zedongs wie keiner seiner Vorgänger: Wie Mao rief Xi eine "Massenlinie" aus, wie jener will er die Partei "berichtigen" und säubern von den vier Übeln "Formalismus, Bürokratismus, Hedonismus und Extravaganz". Die Kader sollten sich gefälligst "sauberschrubben". Ob Xi wirklich an eine Selbstreinigung der KP glaubt? Vielleicht gibt er sich ja zufrieden mit dem zweiten Effekt der Kampagne - mit der Geste der Unterwerfung der Funktionäre landesweit unter seine eben erst begonnene Herrschaft.

Mao hatte einst das Volk in seinen Bann gezogen, heute wirken die alten Methoden merkwürdig aus der Zeit gefallen. Im Netz werden die Selbstkritik-Sitzungen mit Spott überschüttet. Chinas Bürger registrieren sehr wohl, wie ritualisiert Kritik und Selbstkritik sind, wie sehr die Kader darauf achten, sich nicht allzu weh zu tun, wie viel gar als verstecktes Eigenlob daherkommt, etwa beim Parteisekretär von Hebei: "Ich wollte zu viel zu schnell verändern." "Warum eigentlich kritisieren sie nicht die Größe ihrer Bankkonten?", wollten Nutzer im Netz wissen. "Und warum beichtet keiner seine Mätressen und die Kinder, die er vom Staat aushalten lässt?"

© SZ vom 02.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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