Kampf gegen Kinderpornographie:Von der Leyens Mission

Der Kampf für die Sperrung von Kinderporno-Seiten geht weiter - und die Familienministerin macht im Bundestag wieder deutlich: Wer nicht für sie ist, ist gegen sie.

Berlin

Es wird ganz still im Rund des Bundestages, als Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrer Rede beginnt. "Ein Mädchen im Grundschulalter, das mit einem Besenstil missbraucht wird. Ein Säugling hängt von der Decke und wird vergewaltigt." Kinder sterben, sagt von der Leyen und zitiert eine Staatsanwältin: "Wenn ein Säugling vergewaltigt wird, ist alles kaputt."

Familienministerin Ursula von der Leyen, AP

Kämpferin mit Mission: Familienministerin Ursula von der Leyen.

(Foto: Foto: AP)

Jede Silbe betont sie. So scharf und gestochen, als wolle sie Peitschenhiebe an ihre Gegner verteilen. Oder besser an die, die sie als ihre Gegner ausgemacht hat. Was sie sagen will, ist: Sie hat eine Mission. Und jeden, der sich ihr in den Weg stellt, wird sie mit aller Macht bekämpfen.

Aktuelle Stunde im Bundestag. Das Thema ist heikel: Kampf gegen Kinderpornographie im Internet. Gestern hat die Bundesregierung nach zähem Ringen ein Eckpunktepapier zur Sperrung von Internetseiten auf den Weg gebracht. Erste Stufe: Freiwillige Verträge zwischen den Anbietern von Internetzugängen und dem Bundeskriminalamt, um bestimmte Seiten für ihre Kunden zu sperren. Zweite Stufe: Ein Gesetz, dass dieses Vorgehen auf rechtlich sichere Füße stellt.

Gegen das Sperren von Internetseiten gibt es reichlich Bedenken. Redner von FDP, Grünen, Linken und auch der SPD bringen sie alle vor. Die Sperren seien zu leicht zu umgehen, der Eingriff in die Kommunikationsfreiheit sei zu groß, der Erfolg nur schwer zu fassen. Zudem würden damit keine Täter gefasst, kein Kind gerettet. Einzig den Nutzern der Bilder und Videos werde der Zugang etwas erschwert. Mehr nicht. Symbolpolitik, das ist der eigentliche Vorwurf gegen von der Leyen an diesem Tag.

Die Ministerin wischt das alles beiseite. Sie höre immer nur, was alles nicht gehe, statt dass mal einer sage, was gehe. Sie werde den Kampf aufnehmen. Sie werde nicht ruhen. Es müsse jetzt etwas getan werden. Die Würde des Kindes sei ein höheres Gut als die Massenkommunikation.

Wer ihren Weg nicht mitgeht, ist in den Augen der Ministerin ein "Zauderer". Wer nicht für sie ist, ist gegen sie.

Technische Hürden? Gebe es nicht. Weil in anderen Länder solche Seiten längst gesperrt werden. Wer anderes behaupte, der offenbare eine "krachende Unfähigkeit". Internetseiten nicht sperren zu wollen, sei so, als wolle man "kein Schloss an eine Tür anbringen, weil man das Schloss aufbrechen kann".

Die anfängliche Beklommenheit weicht zunehmend einer Empörung, angeheizt durch Redner der Union. Der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl stellt alle unter Generalverdacht, die von der Leyen nicht blind folgen wollen. Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens stünden da "solche und andere", sagte er. Seine Fraktion werde die "anderen" vor sich hertreiben.

"Lieber begrenzte Wirkung als unbegrenzte Wirkungslosigkeit"

Zuvor hatte schon CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach Justizministerin Brigitte Zypries angeriffen, weil diese verfassungsrechtliche Bedenken gegen die freiwilligen Verträge mit den Providern zur Seitensperrung angemeldet hatte. Ob das Instrument überhaupt hilft, interessiert auch ihn nicht. "Lieber begrenzte Wirkung als unbegrenzte Wirkungslosigkeit", sagt er.

Der FDP-Medienexperte Christoph Waitz sagte danach verwundert, dass ja schon "ganz schön Pfeffer in der Debatte" sei.

Justizministerin Zypries versucht, etwas Ruhe in die Debatte zu bringen, mahnte zu Besonnenheit. Auch angesichts schrecklicher Verbrechen "kann doch der Rechtsstaat nicht vor der Tür bleiben", sagte sie. Es sei auch nicht so, dass nichts passieren würde. Der Besitz, der Vertrieb, schon der Versuch, kinderpornographische Darstellungen herunterzuladen sei in Deutschland strafbar. Deutsche Provider würden umgehend anstößige Inhalte von ihren Servern löschen, sobald sie Kenntnis davon bekämen. Die internationale Zusammenarbeit sei gestärkt worden. Die Kriminalämter und Interpol leisteten gute Arbeit.

"Das Ausmaß des Grauens vorher nicht gekannt"

Es gehe um Seiten, die im Ausland erstellt würden. Zypries stellt sich auch gar nicht gegen die Sperrung. Sie hätte nur dafür gerne eine rechtlich wasserdichte Grundlage, was von der Leyen offenbar schon als Affront sieht.

Stellt sich die Frage, warum die Familieministerin erst jetzt, wenige Monate vor der Bundestagswahl, das Thema so hochkochen lässt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gibt es einen Hinweis darauf: In Vorbereitung auf eine internationale Konferenz zum Schutz Kinder vor sexueller Ausbeutung im November sei ihr "zum ersten Mal klargeworden, was eigentlich Kinderpornographie ist". Sie bekennt: "Ich habe das Ausmaß des Grauens vorher nicht gekannt."

Die SPD-Familienpolitikern Renate Gradistanac bezieht sich auf das Interview, als sie erklärt: "Da fehlt mir die Phantasie", wie es sein könne, dass einer langjährige Familienministerin und Ärztin erst jetzt das Ausmaß der Kinderpornographie bewusst geworden sein will. Sie offenbare damit eine "seltene Kompetenzlücke". Zumindest aber erklärt es die erschreckte Aufgeregtheit, mit der von der Leyen zu Werke geht.

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