Kampf gegen IS:Assad darf kein Verbündeter sein

Kampf gegen IS: Baschar al-Assad, noch immer despotischer Herrscher in Syrien - dem langen Krieg zum Trotz.

Baschar al-Assad, noch immer despotischer Herrscher in Syrien - dem langen Krieg zum Trotz.

(Foto: AFP)

Die IS-Terrorbanden sind so stark, dass sie aus der Luft kaum besiegt werden können. Doch so groß die Verlockung auch sein mag - der Westen darf sich nicht mit Syriens Diktator Assad einlassen. Es gibt andere Wege.

Kommentar von Stefan Kornelius

Im Krieg mit den IS-Schergen gibt es nur noch Gefangene: die wenigen verbliebenen Kurden in der Stadt Kobanê, deren Schicksal man sich kaum ausmalen mag; die von den USA angeführte Luftschlagskoalition, die diesen Kampf mit Flugzeugen nicht gewinnen kann; die türkische Politik, die sich in eine aberwitzige Verstrickung begeben hat.

Der eigentliche Gefangene aber sitzt in seinem Versteck in Damaskus und freut sich, wie sich die Tür seines selbstgeschaffenen Kerkers jeden Tag ein Stückchen weiter öffnet: der oberste Brandstifter von Rest-Syrien, Baschar Hafis al-Assad.

Kobanê ist für die IS-Miliz der große Preis im syrischen Norden. Die Terrorbande kontrolliert bereits lange Grenzabschnitte zur Türkei; die kurdische Hochburg fehlt noch in der Kette. Nachschub, Rekrutierung, Handel - über die schwer zu kontrollierende Grenze laufen die Lebensadern der Miliz.

Die ist inzwischen militärisch so stark, dass sie allein aus der Luft vermutlich nicht besiegt werden kann. Was amerikanische Kommandeure gleich zu Beginn des Einsatzes unheilvoll raunten, scheint sich nun zu bewahrheiten: Der IS ist nur in einem Landkrieg zu besiegen. Aber den will keiner führen.

Handout photo of Syria's President Bashar al-Assad speaking during an interview with German magazine Der Spiegel in Damascus

Was tun mit Syrien? Was tun mit Assad?

(Foto: REUTERS)

Assad kann kein Verbündeter gegen den IS sein

Wer sich in einen Krieg verwickeln lässt, der sollte mehr als eine grobe Vorstellung von seinen politischen Zielen haben, die er durch die Kämpfe erreichen möchte. Der Krieg gegen den IS krankt vor allem daran, dass seine Folgen nicht durchdacht sind. Es bleibt das selbe Rätsel, für das es schon vor dem Aufstieg des IS keine Lösung gab: Was tun mit Syrien? Was tun mit Assad?

Nach wie vor gibt es nur unbefriedigende Antworten auf das Problem: Große Teile Syriens dürfen nicht an den sogenannten Islamischen Staat fallen, aber der Kampf gegen die Terrormiliz darf Assad auch nicht nutzen. Wem aber dann? Im syrischen Machtvakuum gibt es keine wirkliche Alternative mehr.

Hunderte, womöglich gar Tausende Milizen und Banden kämpfen um Terrain, Einfluss - und verworrene Ideen. Die Strategie der USA zielt darauf ab, den IS zu schwächen und die moderaten sunnitischen Fraktionen des Assad-Widerstands zu stärken. Aber diese Strategie ist schon vor dem IS nicht aufgegangen, weil sie immer nur halbherzig verfolgt worden war.

Was soll der Westen tun?

Muss sich der Westen also mit dem geringeren Übel arrangieren und reumütig Assad Waffenhilfe leisten? Das Problem IS ließe sich vielleicht eindämmen, wirklich gestoppt würde der syrische Zerfallsprozess aber nicht. Assads multireligiöser und multiethnischer Staat zerbrach ja gerade deshalb, weil er den enormen Fliehkräften der arabischen Glaubenskonflikte und Machtphantasien ausgesetzt war. Diese Kräfte wirken stärker denn je.

Assads Syrien zerbrach, weil der Potentat das Land in unglaublicher Gewaltbereitschaft den frei wirkenden Kräften der al-Qaida aussetzte und damit dem IS den Boden bereitete. Syrien zerbrach, weil Assad seine Bevölkerung mit Ölfässern aus Hubschraubern bewarf und mit Giftgas bombardierte. Assad kann kein nützlicher Helfer gegen den IS sein. Wer die Zukunft dieser Region bedenkt, darf Assad nicht in die Gleichung aufnehmen.

Es bleiben Optionen - trotz allem

Die bittere Wahrheit ist aber auch, dass es keine vernünftige Vorstellung für eine politische Ordnung des einstigen syrischen Staatsgebietes gibt. Die Wiederherstellung eines Einheitsstaates ist schwer denkbar. Der Zerfall in ein kurdisches, ein sunnitisches und ein drittes Gebilde um die Hauptstadt Damaskus scheint unaufhaltsam zu sein. Die Zersplitterung innerhalb dieser Territorien verbietet es geradezu, von einer irgendwie gearteten Ordnung auch nur zu träumen.

Und dennoch bleiben Optionen: Die meisten davon hat immer noch die Türkei, die auch die größten Risiken trägt. Sie kann ihr Risiko aber mindern, wenn sie endlich die Grenzen zum Kriegsgebiet besser kontrolliert und die Unterstützung des kurdischen Widerstands durch den Westen zumindest nicht behindert.

Nie zuvor war es so zwingend, dass die Türkei ihr Verhältnis zu den Kurden aktiv gestaltet. Die Starre in Ankara rührt eher aus politischer Unbeweglichkeit als aus Angst. Der syrische Bürgerkrieg zeigt indes seit Jahren, dass sich die Probleme nicht aussitzen lassen, sondern nur vermehren.

Die Türkei ist bereit, Flüchtlinge in sicheren Zonen zu beschützen, wenn sie im Gegenzug Sicherheiten erhält, dass Assad keine späte Auferstehung erfährt. Diese Zusage sollten die USA Ankara machen können. Nach wie vor gilt die Logik von Beginn des Bürgerkrieges an: Erst muss der Machthaber in Damaskus weichen, dann werden sich neue politische Optionen ergeben, auch mit Hilfe einer Freien Syrischen Armee, die es immer noch gibt - selbst wenn sie geflissentlich ignoriert wird.

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