Kampf gegen Drogenhandel:Leichtes Spiel mit schwachen Staaten

Mit großer Härte gehen Staaten wie Mexiko gegen Drogen-Kartelle vor. Dennoch terrorisieren ihre Mörderbanden Lateinamerika - und Westafrika.

P. Burghardt, J.Raupp u. S. Schoepp

Die Fischer an der westafrikanischen Küste haben sich über die Päckchen mit dem weißen Pulver oft gewundert. Wenn der Atlantik wieder eines ins Netz gespült hatte, benutzten sie den Puder, um den Fußballplatz im Dorf zu markieren oder streckten damit den Zement für den Hausbau. Mittlerweile aber kennen sie die Wahrheit: Die Päckchen enthalten Kokain, das Schmuggler beim hastigen Umladen auf hoher See verloren haben.

Kampf gegen Drogenhandel: Guinea-Bissau gehört zu den Ländern in Westafrika, die von lateinamerikanischen Drogenhändlern benutzt werden.

Guinea-Bissau gehört zu den Ländern in Westafrika, die von lateinamerikanischen Drogenhändlern benutzt werden.

(Foto: Foto: AFP)

Westafrika hat sich in den vergangenen Jahren zum Drehkreuz für den illegalen Drogenhandel entwickelt. Kokain kommt per Schiff oder Flugzeug aus Lateinamerika, Kuriere schaffen es anschließend über die schwer zu kontrollierenden Grenzen Nordafrikas oder über See nach Europa. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) wurde in den neunziger Jahren in ganz Afrika jährlich eine Tonne Kokain sichergestellt, 2006 waren es allein in Westafrika 15 Tonnen. Entdeckt wird allerdings nur das wenigste. Die UN schätzen, dass jährlich 50 Tonnen Kokain mit einem Wert von zwei Milliarden Dollar über Westafrika nach Europa geschmuggelt werden. Hier bestehe ein echtes Sicherheitsproblem, heißt es im jüngsten UN-Drogenbericht.

Leichtes Spiel für Drogenbarone

Die Länder in Westafrika sind gerade dabei, die Wunden von Bürgerkriegen und Militärdiktaturen zu heilen. Viele bemühen sich erst um den Aufbau von Demokratie, Justiz und um Armutsbekämpfung. Die Drogenbarone aus Kolumbien oder Brasilien haben leichtes Spiel in den schwachen Staaten. Sie bringen viel Erfahrung darin mit, wie man Abgeordnete kauft und Privatarmeen unterhält. In den neunziger Jahren brachten die kolumbianischen Kartelle so ihren Heimatstaat quasi unter ihre Kontrolle. Erst seit Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe aggressiv durchgreift und die kolumbianische Justiz Bosse in die USA ausliefert, ist es für sie zu Hause ungemütlicher geworden. Also suchen sie sich bequemere Betätigungsfelder.

Indem sie Parteien, Parlamente, Polizei und Justiz unterwanderten, gefährdeten sie die Entwicklung der afrikanischen Länder, sagt Kwesi Aning, Leiter der Abteilung Gewaltprävention beim Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre in Accra. Westafrikas Regierungen hätten den Kokainschmuggel zu lange nicht ernst genommen, erklärt der Ghanaer. "Nun stellen sie fest, dass sie ein großes Problem haben und wissen nicht, wie sie es lösen sollen."

Besonders betroffen sind nach UN-Angaben Ghana, Guinea, Senegal, Nigeria, die Kapverden, Liberia, Togo, Elfenbeinküste und Sierra Leone. Die frühere portugiesische Kolonie Guinea-Bissau wird vor allem von brasilianischen Gangstern geschätzt, weil sie sich dort verständigen können. Der Kokainschmuggel wird nach Informationen des Kofi-Annan-Centres von Netzwerken organisiert. Ganze Gemeinden seien in das Geschäft verwickelt.

Mangelndes Unrechtsbewusstsein

Ihnen fehle das Unrechtsbewusstsein, klagt Kwesi Aning. Sie betrachteten das Drogengeld als legitimes Mittel, um Investitionen in ihrer Gemeinde zu finanzieren.

Die Sorgen der USA

Wie man das macht, führen ihnen die Kolumbianer vor, in deren Heimat die Geldwäsche blühende Industriezweige entstehen ließ. Sie lassen sich auch gerne in Guinea-Bissau nieder. Dort müssen sie anders als in ihrer Heimat nicht fürchten, in die USA ausgeliefert zu werden. Sie gründen Tarnfirmen, treten als Geschäftsleute auf und führen ihren Reichtum vor.

Kampf gegen Drogenhandel: Die wichtigsten Drogentransportwege: Klicken Sie auf die Grafik, um das Popup zu öffnen.

Die wichtigsten Drogentransportwege: Klicken Sie auf die Grafik, um das Popup zu öffnen.

(Foto: Grafik: SZ)

Die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hat beschlossen, gemeinsam ein Zentrum zur Bekämpfung des internationalen Verbrechens zu gründen. Europäische Länder, auch Deutschland, unterstützen sie dabei. Sie bilden Polizisten aus, beraten beim Aufbau der Justiz. Sicherheitsexperte Aning kritisiert allerdings, dass die Ecowas ihren guten Vorsätzen kaum Taten folgen lasse und besonders im Kampf gegen die Korruption der Wille fehle: "Ich befürchte, es wird noch mindestens zehn Jahre dauern, bis sich etwas ändert."

Während Westafrika vor allem Zwischenstation für den Kokaintransport nach Europa ist, leiden auf der anderen Seite des Atlantiks Zentralamerika und Mexiko darunter, Transitländer in die USA zu sein. Vor allem aus Mexiko kommen grausige Meldungen. Drogenkartelle erschießen Rivalen selbst im Krankenhaus, Leichen werden geköpft. In Tijuana löste ein Schlächter im Auftrag einer Rauschgiftbande Hunderte Opfer in Säure auf. Den meisten Terror produzieren Städte an der Grenze zu den USA wie Tijuana und Ciudad Juárez. Gemordet, erpresst und entführt wird jedoch in vielen Teilen des Landes. Mehr als 5000 Drogenmorde wurden 2008 in Mexiko registriert, in den ersten zwei Monaten 2009 waren es schon mehr als 1000. Militär patrouilliert wie im Krieg.

Die USA sind alarmiert über die Zustände in dem Nachbarstaat - immerhin ein großes Industrieland und wichtiger Handelspartner. Das Außenministerium hält Mexikos Dealer ebenso wie den Opiumhandel in Afghanistan für eine Bedrohung der nationalen Sicherheit. Die US-Armee sieht Mexiko als möglichen failed state, als "gescheiterten Staat" - in einer Kategorie mit Pakistan. Das Weiße Haus lobt zwar den Einsatz des mexikanischen Präsident Felipe Calderón, klagt aber über Korruption im Nachbarland. Calderón kontert, das Problem sei Mexikos Nähe zum größten Drogenmarkt der Erde, den USA mit seinen Konsumenten und eigener Korruption. Recht haben beide. Das macht den Fall kompliziert.

Tatsächlich geht es bei den Revierkämpfen um die Routen in den Norden. Der Drogenkonsum in Lateinamerika steigt, ist aber vergleichsweise gering. Gleichzeitig besorgen sich mexikanische Killer ihre Mordwerkzeuge leicht in US-Läden. Im Süden wiederum grenzt Mexiko an das noch chaotischere Guatemala. Das Milliardengeschäft wuchert in Zentralamerika; die wilden Karibikküsten von Honduras oder Nicaragua sind in weiten Teilen Territorium der Narcos.

Wie Mexiko versucht, das Drogenproblem in den Griff zu kriegen

Kampf gegen Drogenhandel: Mit massiver Militärpräsenz tritt Mexikos Regierung den Drogenkartellen entgegen.

Mit massiver Militärpräsenz tritt Mexikos Regierung den Drogenkartellen entgegen.

(Foto: Foto: AFP)

Nur manchmal gelingt es den überforderten Fahndern in Honduras, wie am Montag dieser Woche ein Schiff mit zwei Tonnen Kokain abzufangen. 60 Tonnen werden hingegen jährlich unbehelligt durch den Urwald geschleust, schätzen honduranische Behörden. Gewissermaßen als Begleitkriminalität blühen Entführungen sowie der Handel mit Menschen und Waffen. Die Bosse bedienen sich krimineller Jugendbanden.

Was tun? Mexiko versucht es mit Soldaten und Polizisten, die USA zahlen Milliardenhilfe dafür, aber das greift so kurz wie der Kampf gegen islamistischen Terror. Militärisch sind die steinreichen und hochgerüsteten Kartelle kaum zu besiegen. Präsident Calderón leidet unter den Versäumnissen seiner Vorgänger. Mehr als 70 Jahre lang wurde Mexiko von der korrupten Revolutionspartei PRI beherrscht, sie und der konservative Nachfolger Vicente Fox ließen die Gangs gedeihen. Calderón hat eine Polizei- und Justizreform in Angriff genommen, in zwei Jahren wurden 70Tonnen Kokain beschlagnahmt. Nach offizieller Lesart ist die wachsende Brutalität der Banden ein Zeichen, dass sie in der Defensive sind.

Der Ursprung des Problems sind die Kokaplantagen von Kolumbien, Peru und Bolivien. In Kolumbien steckte die Regierung mit US-Hilfe Milliarden Dollar in die Offensive. Die linke Guerilla wurde zurückgedrängt, die Einnahmen aus den Kokainverkäufen indes nähren weiter Bürgerkrieg und Mafia. Der Kokaanbau nahm zuletzt sogar wieder zu.

Kolumbien produziert jährlich mehr als 600 Tonnen Kokain: Bei einem Schwarzmarktpreis von 60 Euro pro Gramm bringt das vielen Banden vieler Länder ein Vermögen ein. Gangs und Guerilla zählen dort zu den größten Arbeitgebern. In soziale Alternativen wird zu wenig investiert. Immerhin gibt es Versuche, Bandenmitglieder durch Ausstiegsprogramme in ein Leben ohne Kriminalität zu führen. Doch solange Verbote die Preise für Drogen hochhalten, gilt für die mexikanische Tragödie weiter das alte Sprichwort: Armes Mexiko - so weit weg von Gott und so nahe an den USA.

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