Kampf gegen Drogenhandel:Bagdad, Kabul, Acapulco

In Mexiko herrscht ein blutiger Drogenkrieg, der bereits mehr als 20.000 Opfer gefordert hat. Den Präsidenten Obama und Calderon muss bei ihrem Gipfel mehr einfallen, als nur die Geldtöpfe zu öffnen.

B. Vorsamer

Es sollte ein Gipfel der Einigkeit und der schönen Bilder werden. Nicht umsonst richtet das Weiße Haus - übrigens erst zum zweiten Mal seit der Amtsübernahme - ein Staatsbankett aus. US-Präsident Barack Obama und sein mexikanischer Gegenpart Felipe Calderon wollten sich am Mittwoch in Washington treffen und die großartige bilaterale Zusammenarbeit ihrer beiden Länder im Kampf gegen die Drogenkriminalität feiern. Doch als der Besuch immer näher rückt, überschatten unangenehme Nachrichten die Zusammenkunft.

Drogen Drogenkrieg Mexiko USA Felipa Calderon Barack Obama Acapulco Ciudad de Juarez, AFP

Bei ihrer Pressekonferenz in Washington demonstrierten Obama und Calderon zunächst Einigkeit.

(Foto: Foto: AFP)

Eine davon ist das neue Einwanderungsgesetz des US-Bundesstaates Arizona, das den südlichen Nachbarn Mexiko so sehr verärgerte, dass er eine Reisewarnung aussprach. Außerdem legten mexikanische Universitäten Austauschprogramme mit Arizona auf Eis, mexikanische Wirtschaftsvertreter sagten eine Konferenz in Phoenix ab.

Das umstrittene Gesetz verpflichtet Einwanderer dazu, zu jeder Zeit Papiere mit sich zu führen, und ermächtigt Polizisten, alle Personen zu kontrollieren, die "im Verdacht stehen, illegal im Land zu sein". Gegner verstehen das Gesetz als Diskriminierung aller dunkelhäutigen Einwohner Arizonas - die meisten davon kommen aus Mexiko.

Calderon passt es überhaupt nicht, dass damit die Immigration auf die Agenda des Treffens gerutscht ist. Für ihn ist der sogenannte "Krieg gegen die Drogen" das wichtigste Thema überhaupt - doch auch hier ist die Bilanz nicht rosig.

Probleme eng verknüpft

Außerdem hängen die beiden Probleme miteinander zusammen: Auch weil mit den illegalen Einwanderern Drogen und Kriminalität über die Grenze kommen, sind die US-Bürger so schlecht auf Immigranten zu sprechen.

Von Calderon wird nun erwartet, dass er seinen eigenen Wählern zuliebe das Arizona-Gesetz bei seiner Rede vor dem US-Kongress anspricht - sich jedoch zurückhaltend äußert. Er darf die Republikaner nicht verärgern, da sie ihm sonst die Finanzhilfen für seinen Kampf gegen die Drogenkartelle verweigern.

"Die binationalen Anstrengungen unser beider Nationen werden der Kern des Treffens sein", schwadronierte Calderon im Vorfeld. Er will davon ablenken, dass sich USA und Mexiko derzeit mit Vorwürfen überschütten: Beide Seiten sind der Meinung, die jeweils andere würde zu wenig oder das Falsche tun, um die Drogenkriminalität zu bekämpfen.

Der Konservative Calderon ist seit 2006 mexikanischer Präsident und wurde unter anderem wegen seines Versprechens gewählt, eine harte Linie gegenüber den Drogenkartellen zu fahren. 45.000 Soldaten hat er seitdem in den sogenannten "Krieg gegen die Drogen" geschickt. Im Rahmen der Merida Initiative haben die USA dafür 1,3 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt, die Mexiko vor allem für Helikopter, Nachtsichtgeräte und gepanzerte Limousinen ausgegeben hat.

Doch der militärische Ansatz der Merida Initiative ist gescheitert - vielleicht auch weil die 1,3 Milliarden Dollar ein lächerliches Sümmchen sind im Vergleich zu den 22 Milliarden Dollar Jahresgewinn, die der Drogenindustrie zugeschrieben werden.

Beinahe 23.000 Tote forderte der Krieg gegen die Drogen seit Calderons Amtsantritt. Im Jahr 2008 waren es mehr Tote als im Irak oder in Afghanistan. Die oft geäußerte Ansicht, es träfe nur Kriminelle und Gangmitglieder, stellt sich mehr und mehr als Mythos heraus. Es sterben auch zahlreiche Polizisten, Journalisten und Diplomaten. Die Stadt Ciudad de Juárez in Nordmexiko gehört neben Bagdad und Kabul zu den gefährlichsten Städten der Welt, allein hier wurden im vergangenen Jahr 2600 Menschen ermordet.

Zivilisten sind ebenfalls nicht mehr sicher - und die Kriminalität greift auf Touristenorte wie Acapulco, Oaxaca und Playa del Carmen über. So kam es im April zu einer Schießerei mit Geiselnahme im Hotel Holiday Inn in Acapulco, im Mai fand die Polizei drei geköpfte Leichen in dem beliebten Ferienort. Dazu kommt, dass die Drogenkartelle ihr Geschäft auf Entführungen, Waffenhandel und Prostitution ausweiten.

Löchrige Grenze zwischen USA und Mexiko

Diese Entwicklung bedroht die wirtschaftliche Stabilität Mexikos. Der Tourismus gehört zu den wichtigsten Branchen, das lateinamerikanische Land empfängt jährlich 20 Millionen Gäste. Nachdem 2009 bereits die Schweinegrippe der Reiselust einen Dämpfer verpasst hat, bleiben nun mehr und mehr Menschen aus Angst vor Kriminalität fern.

US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano verärgerte Präsident Calderon unterdessen mit der Aussage, Mexikos Sicherheitskräfte seien dem Kampf gegen die Kartelle nicht gewachsen. Calderon entgegnete, Mexiko habe das Problem, Nachbar des "größten Drogenkonsumenten der Welt" zu sein - die USA.

Die löchrige Grenze zwischen den beiden Staaten ist in jeder Hinsicht ein Problem. Drogen und illegale Einwanderer überqueren sie Richtung Norden - Waffen, gestohlene Autos und anderes Diebesgut bewegen sich südwärts. Für die mexikanischen Autoritäten ist die laxe Waffengesetzgebung der Vereinigten Staaten ein ständiges Ärgernis. Amerika sei ein Selbstbedienungsladen für die organisierte Kriminalität, klagt Calderon in Interviews.

Wissenschaftliche Studien kommen nun zu dem Ergebnis, dass die USA in den vergangenen Jahren in Mexiko die gleichen Fehler gemacht haben wie zuvor in Kolumbien. Im Zuge des Plan Colombia pumpte Washington unter Präsident George W. Bush fünf Milliarden Dollar für Waffen, Umweltgifte und militärische Maßnahmen nach Bogotá. Die Bilanz war niederschmetternd: In dem Zeitraum stieg die Kokaproduktion sogar.

Es gelang zwar, die kolumbianischen Drogenkartelle zu zerschlagen - sie wurden jedoch durch die mexikanischen Kartelle Sinaloa, La Familia und Los Zetas ersetzt. Die Zetas, das nur nebenbei, gingen aus von den USA ausgebildeten Elitesoldaten hervor, die die Seite wechselten und nun als die gefährlichste Drogengang Mexikos gelten.

Trotzdem hofft Präsident Calderon, dass ihm der amerikanische Kongress und Präsident Obama für das Jahr 2011 erneut 310 Millionen Dollar für den Drogenkrieg bereitstellen. Die beiden Präsidenten werden jedoch auch über einen Strategiewechsel sprechen müssen.

Gute Ideen dafür sind leider rar. Einige Entwicklungshilfeorganisationen bemühen sich darum, die zerstörten Gemeindestrukturen im Grenzgebiet wieder aufzubauen, um den Bürgen dort Alternativen zum Drogengeschäft zu ermöglichen. Experten - unter anderem das renommierte Brookings Institute in Washington - sind sich darüber hinaus einig, dass Drogen teilweise legalisiert werden müssten, um den Kreislauf von Kriminalität, Gewalt und Sucht zu brechen.

Doch diesen Vorschlag, der auch im Vorfeld des Besuchs wieder laut wurde, schmetterte US-Außenministerin Hillary Clinton gleich ab. Legalisierung von Drogen ist bei der amerikanischen Wählerschaft genauso wenig durchsetzbar wie schärfere Waffengesetze.

Es bleibt also die Hoffnung, dass Obama und Calderon wenigstens in Abwesenheit der Presse Ideen wie diese erörtern. Sonst sind schöne Bilder vom Staatsbankett das Einzige, was Calderons Besuch in Washington gebracht haben wird.

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