Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen den Terror:Wer fliegt wann wohin

Die Innenminister der EU-Staaten haben sich auf die Speicherung von Fluggastdaten geeinigt - nicht alle sind begeistert.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Bei der Bekämpfung von Terrorismus und anderen Formen schwerer Kriminalität haben die Innenminister der EU-Staaten den Weg frei gemacht für die seit fünf Jahren geplante anlasslose Speicherung von Fluggastdaten. In Brüssel akzeptierten sie einen Kompromiss, der auf Bedenken des Europäischen Parlaments eingeht. Informationen wie Name, Telefon- und Kreditkartennummer, E-Mail-Adresse oder Reiseziel sollen künftig sechs Monate unter dem Klarnamen eines Passagiers gespeichert werden. Anschließend werden sie für eine Dauer von weiteren viereinhalb Jahren "maskiert". Bei Bedarf kann der echte Name jedoch ermittelt werden. Anhand der Daten wollen die EU-Behörden die Wege mutmaßlicher Extremisten nachvollziehen und vor allem Verdächtige aufspüren, die noch von keinem Fahndungsraster erfasst worden sind.

Das Parlament hatte ursprünglich nur eine Klarnamen-Speicherung von 30 Tagen gestatten wollen, aber nicht zuletzt unter dem Eindruck der Terroranschläge von Paris eingelenkt. Es muss noch zustimmen, was als wahrscheinlich gilt, so dass die Richtlinie Anfang kommenden Jahres verabschiedet werden könnte. "Das ganze Projekt wird sehr, sehr bald laufen, wenn nicht sofort", sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Jeder Staat stellt künftig eine Kontaktstelle bereit, die die Daten seiner Fluggesellschaften speichert und mit anderen Ländern austauscht. Die Daten von außereuropäischen Flügen sollen obligatorisch erfasst werden, jene von innereuropäischen Flügen aber nur auf freiwilliger Basis. Doch hätten die Mitgliedstaaten dazu eine schriftliche Selbstverpflichtung abgegeben, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Einige Staaten sperren sich gegen einen automatischen Austausch. So soll Großbritannien die Einbindung von Charterflügen abgelehnt haben, weil sonst auch Reisebüros Passagierdaten preisgeben müssten.

Viele Abgeordnete kritisieren das Datensammeln: In Visier gerieten auch Unschuldige

"Die Einigung war sehr schwierig", sagte de Maizière. Sicherheitsinteressen hätten gegen berechtigte Datenschutz-Bedenken abgewogen werden müssen. Die geplante Richtlinie sei aber ein "sehr wichtiges Instrument im Kampf gegen den Terrorismus". Viele Abgeordnete kritisieren die Speicherung der Fluggastdaten. Damit gerieten viele unschuldige Menschen ins Visier der Behörden, meint der Grüne Jan Philipp Albrecht. Die halbe Milliarde Euro, die das System schätzungsweise koste, solle man lieber in eine bessere Ausstattung der Ermittlungsbehörden stecken. In der Flüchtlingskrise lenkte Griechenland ein. Es erklärte sich bereit, humanitäre Hilfe der EU anzunehmen, EU-Beamte an der Grenze zu Mazedonien einzusetzen und schnelle Eingreifteams der EU ins Land zu lassen. Die anderen Staaten werfen Athen vor, seine Grenzen nicht ausreichend zu schützen und Flüchtlinge unregistriert weiterreisen zu lassen. Um den Druck auf Athen aufrecht zu erhalten, vereinbarten die Innenminister, die Binnengrenzen, wenn nötig, untereinander für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren wieder kontrollieren zu können.

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SZ vom 05.12.2015
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