Kampf gegen den IS:Wie die Regierung den Militäreinsatz in Syrien rechtfertigt

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(Foto: Ulrich Perrey/dpa)
  • Berlin wappnet sich mit einem ganzen Strauß von Rechtsargumenten für mögliche Klagen gegen den geplanten Militäreinsatz in Syrien.
  • Die Zustimmung des Bundestags gilt als sicher. Grüne und Linke zweifeln an der rechtlichen Grundlage für den Einsatz. Ob sie dagegen klagen werden, ist ungewiss.

Von Stefan Kornelius

Nach der politischen Entscheidung zur Unterstützung Frankreichs im militärischen Einsatz gegen den "Islamischen Staat" (IS) steht die Bundesregierung vor rechtlichen Hürden. Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte am Freitag in Berlin an, dass die Regierung bereits kommende Woche im Kabinett ein Mandat verabschieden und anschließend an den Bundestag weiterleiten wolle.

Die Zustimmung des Parlaments gilt als gewiss - die Koalition ist sich mit ihrer Mehrheit über den politischen Sinn des Einsatzes einig. Dennoch muss das Mandat auf einer rechtlichen Grundlage stehen und notfalls einer Prüfung durch das Verfassungsgericht standhalten.

Die Bundesregierung will daher einen ganzen Strauß von Rechtsargumenten binden, um sich vor einer Klage zu wappnen. Einfach ist das nicht - aber es ist ähnlich wie die Ausbildungshilfe für kurdische Kämpfer vor einem Jahr durchaus zu begründen und mit einem juristischen Korsett zu stützen. Ob die Grünen oder die Fraktion der Linken tatsächlich gegen das Mandat klagen werden, war am Freitag ungewiss. Vermutlich warten die Parteien die genaue Formulierung des Mandats ab und wägen dann ihre Chancen ab.

Kann die EU als ein System kollektiver Sicherheit gelten?

Die Bundesregierung stellt ihre Begründung "auf mehrere Füße", wie Seibert es ausdrückte. Fuß eins ist das Recht auf Selbstverteidigung, wie es Frankreich nach Artikel 51 der UN-Charta für sich in Anspruch nehmen kann. Deutschland kann entscheiden, dass es Frankreich auf dieser Grundlage Nothilfe gewährt. Das wäre laut Grundgesetz erlaubt, wenn diese Nothilfe im Rahmen eines "Systems kollektiver Sicherheit" stattfindet. Und hier schließt sich der Kreis schon wieder. Die Vereinten Nationen sind ein System kollektiver Sicherheit, und sie haben in vielen Resolutionen die Gefährlichkeit des internationalen Terrorismus betont und zur Bekämpfung aufgerufen.

Hier verweist die Bundesregierung - Fuß zwei - auch ausdrücklich auf die UN-Resolution 2249, die der Sicherheitsrat nach den Pariser Attentaten, am 20. November, verabschiedet hat. Diese Resolution verpflichtet die UN-Mitglieder ausdrücklich zur Beistandspflicht gegenüber Frankreich.

Fuß drei ist für die Bundesregierung die Europäische Union. Hier hat Frankreich in einem bisher einmaligen Akt die Mitglieder zur Beistandspflicht nach Artikel 42 Absatz 7 der EU-Verträge aufgerufen. Die Hohe Kommissarin für Außenpolitik, Federica Mogherini, hat diese Beistandspflicht für alle Mitglieder stellvertretend akzeptiert. Bleibt die Frage, ob diese Beistandspflicht mit dem deutschen Grundgesetz harmoniert. Hier betritt die Regierung juristisches Neuland - aber mit relativ festem Schritt. Im Kern geht es um die Frage, ob die EU auch als ein System kollektiver Sicherheit gelten kann. Das Grundgesetz erlaubt den Beistand nur in Rahmen eins solchen Systems.

Einer Verfassungsklage würde die Bundesregierung entlassen entgegensehen

Das Verfassungsgericht hat vor zehn Jahren nach einer Klage der FDP eine interessante Definition abgegeben. Damals bezeichneten die Richter lediglich die UN und die Nato als Systeme kollektiver Sicherheit. Ob sie die EU vergessen hatten? Die Bundesregierung würde es gelassen auf eine Prüfung ankommen lassen. Wer die EU in jeder Sonntagsrede als Schicksalsgemeinschaft bezeichnet, der hat auch kein Problem, ihre Bedeutung als Sicherheitsgemeinschaft zu begründen.

Bleibt die Opposition, die nun nach einem Angriffspunkt sucht. Die Fraktionen von Grünen und der Linken wurden vorab unterrichtet. Die Stimmung war gespannt. Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sagte, es gebe keine Rechtsgrundlage. Die Linke will eine Verfassungsklage "prüfen". Bei der Peschmerga-Hilfe hatten sie allerdings auf eine Klage verzichtet. Die Gefahr: Das Gericht könnte den weiten Einsatzrahmen bestätigen und der Bundesregierung noch mehr Spielraum verschaffen.

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