Süddeutsche Zeitung

Kampf gegen Assad-Regime:Wer Frieden in Syrien will, braucht Hilfe aus Iran

Lesezeit: 3 Min.

Gefechte in Damaskus und Anschläge auf Assads engsten Machtzirkel: Die syrischen Rebellen drängen auf eine Entscheidungsschlacht in der Hauptstadt. Ein Blutbad droht, denn der UN-Sicherheitsrat ist unfähig, brauchbare Entscheidungen treffen. Es bleibt ein einziger Weg, das Schlimmste zu verhindern - und der führt über Teheran.

Tomas Avenarius

Die syrische Zeitung Al-Watan titelte jüngst: "Die Hauptstadt bekommt Ihr nie!" Auch wenn das kaum die Absicht der regimetreuen Redakteure war - klarer konnte keiner sagen, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad mit dem Rücken zur Wand steht. Die jüngsten Kämpfe und Anschläge auf Assads engsten Machtzirkel in Damaskus zeigen, dass die Aufständischen nach 17 Monaten angekommen sind im Zentrum der Macht. Das erinnert an Libyen.

Während in den anderen Landesteilen geschossen wurde, hatten sich die Gaddafi-Gegner im angeblich ruhigen Tripolis über Monate auf die Entscheidungsschlacht vorbereitet. Sie legten Lazarette an, horteten Waffen, stapelten Konserven - bevor sie sich erhoben. In Damaskus dürfte es ähnlich laufen.

An diesem Wochenende beginnt der islamische Fastenmonat. Es ist der ideale Zeitpunkt für die Kraftprobe. Der Ramadan könnte Baschar al-Assads letzte Tage einläuten. Das Blutbad, das sich abzeichnet, dürfte das Sterben in Libyen oder Jemen jedoch als Scharmützel erscheinen lassen. Das Assad-Regime hat bewiesen, wie brutal es ist. Die Rebellen werden ihm kaum nachstehen.

Währenddessen wird im New Yorker UN-Gebäude ähnlich verbissen gestritten. Die westlichen Staaten und die Arabische Liga wollen eine Sanktionsresolution nach Kapitel VII der UN-Charta. Das erlaubt - theoretisch - auch den Einsatz militärischer Gewalt. Genau das will die Veto-Macht Russland ausschließen und verweigert ihr Ja. Das Kräftemessen kann sich hinziehen, es wird von den Ereignissen in Damaskus möglicherweise sehr bald ad absurdum geführt werden.

Die eigentliche Frage ist aber eine andere: Wie wollen die Resolutionsbefürworter die sich abzeichnende Schlacht um Damaskus verhindern, wenn Russland doch noch zustimmen sollte? Noch mehr Wirtschaftssanktionen? Auslandskonten einfrieren, damit Frau Assad sich im Palastbunker keinen Schmuck mehr bestellen kann? Schutzzonen an den Grenzen? Oder doch Kampfjets, die die Panzer und Geschütze des Regimes bombardieren?

Substanzlose westlich-arabische Resolutionsstrategie

In New York wird versprochen, was sich nicht halten lässt. Assad wird auf Sanktionen nicht reagieren. Sein ums Überleben kämpfendes Regime ist nicht mehr zu beeindrucken durch Strafen. Wirken könnte allenfalls die Drohung, er werde sich vor einem internationalen Gericht verantworten müssen.

Aber Assad weiß, dass er dort nie ankommen würde. Wie Muammar al-Gaddafi würde er einen grausigen Tod sterben. Personifiziert wird diese substanzlose westlich-arabische Resolutionsstrategie auch durch den deutschen Außenminister: Der will "Assad Grenzen aufzeigen", schließt im selben Satz jedoch eine Militärintervention - zu Recht - "absolut aus". Was will der Minister dem Despoten eigentlich sagen?

Da ist Russlands Njet klarer. Ja, es klingt bockig. Aber es ist zu einfach, Moskaus Bedenken mit dem angeblichen Traum vom früheren Supermachtstatus zu erklären oder mit dem Standbein in Nahost samt syrischem Marinehafen. Russland hat Interessen. Aber der Kalte Krieg ist vorbei. Die Russen sind in Syrien einfach nur bewanderter als Amerikaner und Europäer. Sie sehen das Nach-Assad-Szenario realistisch. Sie ahnen, welche blutigen Konsequenzen der gewaltsame Umsturz für die Region, Russland und andere haben könnte.

Die nahöstlichen Probleme hängen zusammen

Der einzige Weg, das Schlimmste zu verhindern, ist und bleibt der Annan-Plan. Druck auf Moskau und Peking, ja. Aber endlich Gespräche auch mit dem Nachbarn, der in Syrien mindestens ebenso großen Einfluss hat: Iran. Eher noch als Moskau können die Perser Assad eine Exit-Strategie aufzwingen mit Übergangsregierung, Machtübergabe und Exil. Gegen den Willen Irans geht in Syrien wenig. Und Teheran weiß, dass der Kampf um Damaskus nur eine der Bühnen ist, auf denen Amerikaner, Europäer, Israelis und Saudis die atomar aufgeplusterte Islamische Republik "eindämmen" wollen.

Deshalb missfällt diesen Staaten der vom UN-Vermittler Kofi Annan ins Spiel gebrachte Gedanke, Iran in der Causa Syrien einzubeziehen. Diese Skepsis hat Gründe: Endlich ist Teheran wegen seines Atomprogramms fast vollständig isoliert. Sein Öl kann es kaum noch verkaufen, Wirtschaft und Währung verfallen, die Bürger werden aufmucken angesichts des Desasters. Warum sollte man den Iranern Gelegenheit bieten, sich mit dem Assad-Hebel Luft zu verschaffen?

Weil die nahöstlichen Probleme zusammenhängen. Vielleicht lässt sich durch gekonnte Syrien-Diplomatie auch den Iranern ein Weg aus der Klemme zeigen. Über Syrien jedenfalls muss man reden, mit allen Beteiligten. Gekonnt verhandeln kann der belächelte Kofi Annan. Man sollte ihm seine Chance geben - zum Schutz all der Syrer, die sonst sterben.

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SZ vom 18.07.2012
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