Martin Schulz ist in Fahrt. "Wenn wir nichts tun", ruft er, "dann zerrinnt uns die europäische Idee in den Händen. Dann zerfällt dieses Europa. Dann werden wir zum stillen Zeugen des Untergangs einer großen Idee". Das könnte jetzt - gut zwei Wochen vor der Europawahl - der Höhepunkt einer Wahlkampfrede sein des Mannes, der einmal EU-Parlamentspräsident war, SPD-Vorsitzender und Kanzlerkandidat. Dagegen allerdings spricht, wer so alles in der ersten Reihe sitzt: Kulturstaatsministerin Monika Grütters von der CDU, FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner. Zusammen mit ihnen und mehreren Mitstreitern aus Kultur und Wirtschaft hat Schulz eine Europa-Kampagne gestartet.
"Wir dürfen das Gespräch über Europa nicht denen überlassen, die Europa zerstören wollen", begründet Schulz die "Tu was für Europa" genannte Initiative bei der Auftaktveranstaltung in Berlin. Nicht als "Lobbyverein" und auch nicht als Wahlinitiative sei sie gedacht, versichert Schulz, sondern eher als eine Art Gefühlsmaschine. Man wolle Emotionen wecken, das tue schließlich auch die andere Seite. "Sie sind radikal. Sie sind laut. Sie sind aggressiv. Sie wecken Emotionen", sagt Schulz über jene, "die Europa zerstören wollen".
Unterstützt wird die Kampagne auch von der Deutschen Bahn. "Die Anständigen müssen laut werden", begründet das Bahnchef Richard Lutz. Man dürfe das Feld "nicht den Dumpfbatzen überlassen", fordert der Schauspieler Daniel Brühl. Er plädiere für Optimismus, denn "der ganze Pessimismus bringt nichts".
Gedacht ist die Initiative vor allem als niederschwelliges Angebot für Europabefürworter, die sich nicht unbedingt in Parteien, Gewerkschaften oder auf Demonstrationen engagieren wollen. Geplant sind etwa Koch- und Gesangswettbewerbe sowie Plakataktionen. "Um Flagge zu zeigen" können Nutzer auf der Webseite der Kampagne eigene Europaflaggen konfigurieren sowie T-Shirts zusammenstellen. "Unsere Botschaft ist nicht: Weil wir für Europa sind, musst du auch für Europa sein. Unsere Botschaft ist: Wenn du für Europa bist, dann tu was für Europa", sagt Schulz. Dem SPD-Politiker bietet der Verein "Tu was für Europa" eine Bühne außerhalb seiner Partei, in der er nach dem Rücktritt vom Vorsitz als einfacher Bundestagsabgeordneter in den Hintergrund gerückt ist. Der Verein funktioniere über Parteigrenzen hinweg, sagt Schulz, was "gar kein größeres Problem" sei, da es Dinge gebe, die Pro-Europäer einten. "Die Berliner Republik braucht mehr europäischen Spirit", meint auch Lambsdorff. Man wolle zeigen, dass man gemeinsam mehr erreiche, ergänzt Brantner.
So kurz vor der Europawahl stößt die Überparteilichkeit allerdings doch an Grenzen. Im Internet ist der Verein nur unter der Webadresse do-something-for-europe.com zu finden. Wer aber tu-was-fuer-europa.de anklickt, landet direkt bei der CSU und dem Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber.