Die Schweizer haben abgestimmt: Keine neuen Minarette in der Eidgenossenschaft. Die Nachricht hat Empörung ausgelöst - in Europa und unter Muslimen. Ach, die Schweizer, denken jetzt viele.
Was erst würden diese Leute denken, wenn sie das Spektakel mitbekommen hätten, das sich in den Wochen vor dieser Volksabstimmung abgespielt hat? Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) hat eine gnadenlose Kampagne gegen Minarette in ihrem Land gestartet. Sie war erfolgreich.
Zu verdanken ist das auch dem Deutschen Alexander Segert. Vor etwa 20 Jahren zog Segert in die Schweiz. Er ist Geschäftsführer der Werbeagentur Goal und hat die Kampagne für die SVP organisiert. Seit 14 Jahren macht er Werbung für die Partei. Früher schrieb er in der islamfeindlichen Zeitschrift Bürger und Christ, in der er vor "der schleichenden Infiltration des christlichen Abendlandes durch den Islam" warnte, wie ihn der Zürcher Tages-Anzeiger zitiert. Und jetzt: Für das Minarett-Verbot hat sich Segert einiges einfallen lassen.
Sein bekanntestes Produkt ist das Anti-Minarett-Plakat. Seit Ende Oktober blickt eine völlig verhüllte Frau in Burka von Schweizer Werbeflächen, hinter ihr durchbohren Minarette die Schweizer Flagge. Minarette? Man könnte auch glauben, es seien Raketen.
Viele in der Schweiz waren empört: Die Stadtverwaltungen von Basel, Lausanne und Fribourg verboten die Plakate wegen rassistischer Inhalte. In Zürich, Luzern und Genf blieben die Plakate erlaubt. Ein Vertreter der UN-Menschenrechtskommission empörte sich über die "erschreckende Plakatkampagne", die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus bezeichnete sie als "diffamierend". Und auch einige der rund 400.000 Muslime im Land kritisierten, die raketenförmigen Minarette suggerierten, dass Muslime kriminell und kriegerisch seien.
Das Schweizer Fernsehen widmete dem Plakat eigens eine Ausgabe seiner politischen Diskussionssendung "Arena". Die rechtskonservative Zeitschrift Weltwoche setzte das Motiv auf die Titelseite und titelte: "Darf dieses Plakat verboten werden?" Sie gab auch gleich die Antwort: "Nein."
Und der Macher der Kampagne, Alexander Segert? Er war nicht mehr zu erreichen. Etliche Medien versuchten vergeblich, ihn zu interviewen. Dabei schien Segert sonst nicht sehr öffentlichkeitsscheu. Er mag die Provokation. Der Schweizer Zeitung 20 Minuten sagte Segert: "Ich möchte auch einmal einen Kalender herausgeben, der Plakate zeigt, die selbst unseren Auftraggebern zu provokant waren."
Das war im Jahr 2005. Damals stellte Segert gerade einen Kalender vor, der die umstrittenen Plakate seiner Werbeagentur zeigte. Dass einige seiner Produkte auch Strafanzeigen provoziert haben, stört ihn nicht: "Es kam ja nie zu einer Verurteilung", sagte Segert.
Während der Anti-Minarett-Kampagne löste nicht nur das Plakat, sondern auch ein Computerspiel Diskussionen aus. Die Anti-Minarett-Initiative schaltete das Spiel mit dem Namen "Minarett-Attack" online. Im Vordergrund sah man darin Schweizer Häuser, Brücken und Kirchtürme. Dahinter das Matterhorn, auf seinem Gipfel wehte eine Schweizer Fahne.
Sobald man das Spiel startete, wuchsen überall Minarette aus dem Boden. Auf den Balkonen der Häuser standen plötzlich Muezzine. Die Aufgabe für den Spieler: So viele Muezzine wie möglich in kurzer Zeit zu erschießen. Das Spiel war nicht zu gewinnen. Stattdessen erschien am Ende: Game Over. "Die Schweiz ist voller Minarette. Damit das nicht passiert: Am 29. November ja zur Minarettsverbotsinitiative."
In der Schweiz gab es Diskussionen, ob das Spiel verboten werden sollte. Es blieb eine ganze Weile online. Inzwischen ist das Spiel nicht mehr zu finden, die Webadresse minarett-attack.ch existiert nicht mehr. Dafür gibt es jetzt ein gültiges Minarett-Verbot.
Der Name Alexander Segert steht auch für das berüchtigte "Schäfchenplakat". Was so harmlos klingt, löste ebenfalls europaweit heftigte Reaktionen aus. Zu sehen waren mehrere weiße Schäfchen, die ein schwarzes Schaf über die Landesgrenze kicken. Das Plakat ging zurück auf die "Volksinitiative für die Ausschaffung krimineller Ausländer", die vor zwei Jahren in der Schweiz Stimmung machte.
Auf einem anderen Plakat ging es um Einbürgerungen. Zu sehen waren dunkelhäutige Hände, die von allen Seiten nach Schweizer Pässen griffen. Auch gegen die EU machte die SVP mit Segerts Hilfe Stimmung: Zu sehen waren lauter schwarze Raben, die mit ihren Schnäbeln auf die kleine Schweiz einhacken.
Das Konzept ist immer ähnlich: Mit Segerts Symbolik wird Angst vor der Überfremdung der Schweiz geschürt. Und es scheint, als kennen der deutsche Schweizer und seine Werbeagentur dabei keine Grenzen. Als "Rattenwerber" wurde er deshalb in den Medien schon tituliert.
Selbst der NPD in Deutschland gefiel Segerts Schäfchenplakat so gut, dass sie es gleich für ihren Wahlkampf in Hessen 2008 kopierte. Wieder traten weiße Schäfchen ein schwarzes Schaf über die Grenze. Darüber der Schriftzug: "Wir räumen auf".
Tabus? Dem Tages-Anzeiger sagte der Werber, Tabus gebe es für ihn fast keine. Als Deutscher würde er auch, wenn es denn gewünscht wäre, eine Kampagne konzipieren mit dem Slogan "Deutsche raus!" Spätestens dann dürfte wohl auch die NPD nicht mehr mitmachen.