Manchmal wirkt es so, als habe Paul Biya die Lust an seinem eigenen Land verloren, nach fast 36 Jahren. So lange ist er schon Präsident von Kamerun, nur der Präsident von Äquatorialguinea hat noch ein paar Jahre mehr vorzuweisen in Afrika. Am liebsten scheint sich Biya aber nicht etwa in der Hauptstadt Yaoundé aufzuhalten, sondern im Hotel Intercontinental in Genf. Dort bewohnt er gewöhnlich mit großer Entourage die obersten Stockwerke, im Jahr 2017 wurde er mindestens zehnmal begrüßt. Nach Recherchen des Journalistennetzwerks OCCRP hat Biya bisher mindestens 650 Nächte im Intercontinental verbracht, seine vom Steuerzahler finanzierten Reisen summieren sich bisher auf fast sechs Jahre seiner Amtszeit.
In manchen Jahren verbrachte er bis zu einem Drittel seiner Zeit im Ausland, ohne dass bekannt wurde, was er genau tat - außer Arztbesuchen, gut essen und ein wenig Shopping. Hauptsache weg, so scheint es. Dennoch tritt Biya am Sonntag erneut bei den Präsidentschaftswahlen an, mit 85 Jahren sind die meisten alternativen Lebensmodelle wohl nicht mehr realistisch. Und selbst wenn Biya amtsmüde sein sollte, ihm wird wenig anderes übrig bleiben, als an der Macht zu bleiben. Mit den Jahren hat er ein Patronagenetzwerk aufgebaut, das weiter versorgt werden will, sein Kabinett umfasst 65 Minister und Staatssekretäre. Von denen ist unklar, was sie überhaupt machen, denn Biya regiert das Land mit Dekreten, in nur wenigen Tagen unterschrieb er 2017 ein Dutzend Gesetze. Damit war die legislative Tätigkeit für das Jahr beendet, und Biya verschwand, entweder ins Ausland oder in einen seiner Paläste. Die Lage draußen im Land scheint ihm eher unangenehm zu sein.
Im Norden, an der Grenze zu Nigeria, terrorisieren die Islamisten von Boko Haram die Bevölkerung. In den Provinzen Nord- und Südwestkamerun gewinnen Separatisten immer mehr Zulauf, es kommt zu blutigen Zusammenstößen. Kamerun ist ein Land, das von der Spaltung bedroht ist, letztlich schon seit vielen Jahren gespalten ist, in einen englisch- und einen französischsprachigen Teil.
Nach dem Ende des deutschen Kolonialreichs vor hundert Jahren beauftragte der Völkerbund Großbritannien und Frankreich mit der Verwaltung: Der französische Teil wurde an Paris angebunden, der britische von Nigeria aus verwaltet, letztlich also die Kolonie einer Kolonie.
Nach einer Volksabstimmung 1961 schloss sich ein Teil der anglofonen Gebiete Nigeria an, der andere dem Rest von Kamerun - aber unter der Bedingung, das britische Erb-, Schul- und Justizsystem fortführen zu dürfen. Am Anfang funktionierte das, das Land gab sich ein föderales System, die Staatseinnahmen wurden einigermaßen gerecht verteilt. Bis zum Jahr 1972, seitdem wird Kamerun zentralistisch regiert, so wie das Vorbild Frankreich. Das englische Certificate of Education wurde durch das französische Baccalauréat ersetzt. Über die Jahre bluteten die anglofonen Regionen aus. Entscheidungen werden in Yaoundé gefällt, die Einnahmen aus dem Erdöl vor allem an die frankofonen Landesteile verteilt, während andernorts die Infrastruktur zerfällt.
Die Bundeswehr versorgt Kameruns Militär mit mit Ausrüstung
Die Proteste intensivierten sich 2016, als die Zentralregierung Lehrer und Richter in den Westen schickte, die kein Englisch konnten. Manche anglofonen Oppositionsgruppen fordern die Rückkehr zum Föderalismus, andere riefen 2017 den unabhängigen Staat Ambazonia aus. Seitdem sind die anglofonen Regionen Kameruns im Ausnahmezustand, auf Streiks folgten gewalttätige Auseinandersetzungen, denen bisher 400 Zivilisten und 170 Sicherheitskräfte zum Opfer gefallen sind. Die Armee geht mit großer Brutalität gegen Oppositionelle vor - oder gegen solche, die sie dafür hält. Die BBC deckte gerade erst den Fall einer Frau und ihrer zwei Kinder auf, die von Soldaten erschossen wurden. Einfach so. Die Regierung leugnete den Fall erst, später sollen angeblich einige Soldaten festgenommen worden sein.
Trotz der staatlichen Gewalt musste Präsident Biya von der internationalen Gemeinschaft bisher keine Konsequenzen fürchten. Die deutsche Bundeswehr will sogar über das sogenannte Ausstattungshilfeprogramm den kamerunischen Streitkräften Ausrüstung und Ausbildung zukommen lassen. Für die Schweiz ist Kamerun weiter ein Schwerpunktland der Entwicklungszusammenarbeit, obwohl das Land selbst genug Mittel hätte, um in die eigene Zukunft zu investieren. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds sind allein 2017 etwa 300 Millionen Dollar an Einnahmen der staatlichen Ölgesellschaft verschwunden.
Präsident Biya wird all das womöglich nicht den Sieg kosten, obwohl er aus den anglofonen Teilen des Landes keine Stimmen zu erwarten hat. Die Opposition hat sich auf keinen gemeinsamen Kandidaten einigen können.