Kairo:Ägypter begehren gegen neuen Premier auf

Einen Tag nach der Berufung eines neuen ägyptischen Premierministers demonstrieren Zehntausende gegen die Ernennung. Sie fordern den Rücktritt von Kamal al-Gansuri, der schon Mubarak als Regierungschef diente.

Tomas Avenarius, Kairo

Die Entscheidung des ägyptischen Militärs, einen ehemaligen Regierungschef des Mubarak-Regimes zum politischen Krisenmanager zu ernennen, hat neue Proteste im Land ausgelöst. Die Berufung des Wirtschaftsexperten Kamal al-Gansuri zum Premierminister einer noch zu bildenden Übergangsregierung war am Donnerstagabend bekannt geworden. Auf dem Kairoer Tahrir-Platz versammelten sich am Freitagnachmittag Zehntausende, einige kommentierten Gansuris Ernennung mit "Unrecht, Unrecht!". Drei Tage vor der Parlamentswahl steigt die Gefahr neuer Zusammenstöße der Tahrir-Bewegung mit der Polizei oder mit Anhängern des Regimes. Erstmals traten am Freitag Pro-Regime-Demonstranten in großer Zahl auf.

Gansuri war 1996 bis 1999 Premier unter Mubarak. Seine Nähe zum alten Regime ist unbestreitbar. Der 78-Jährige gilt aber als Politiker, der die Nöte der Armen berücksichtigt. Gansuri sagte, er habe vom regierenden Militärrat SCAF umfassende Vollmachten erhalten, die Krise zu lösen. Er folgt auf Essam Scharaf, dessen Kabinett wegen der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten zurückgetreten war.

Auf dem Tahrir wollten die Regimegegner am Freitag eine Million Menschen zu einer Kundgebung der "letzten Chance" zusammenbringen. Sie fordern, der SCAF solle die Macht an eine zivile Regierung übergeben. Der Rat hatte sich für die mindestens 40 Toten der jüngsten Zusammenstöße entschuldigt. Er besteht aber darauf, trotz mangelnder Sicherheit am Montag die erste Runde der Parlamentswahl abzuhalten. Einige säkulare und linke Parteien haben sich inzwischen hinter die Tahrir- Bewegung gestellt und wollen nicht mehr an der Wahl teilnehmen. Antreten wollen weiter die Muslimbrüder, die sich bei der Wahl gute Chancen ausrechnen und deshalb dem Tahrir-Protest auch fernbleiben. Teile der Bevölkerung werfen ihnen Verrat vor. Auch jüngere Gefolgsleute der gemäßigten Islamistenorganisation halten die Appeasementpolitik gegenüber dem SCAF für falsch.

Obwohl der Waffenstillstand zwischen Polizei und Tahrir-Demonstranten am Freitag hielt, bestand Gefahr neuer Gewalt. Möglich ist auch, dass es zu Zusammenstößen zwischen SCAF-Anhängern und Regimegegnern kommt. Nahe dem Verteidigungsministerium fand eine Pro-SCAF-Demonstration mit rund 15 000 Teilnehmern statt. Das erinnert an die Kampagne zu Zeiten Mubaraks, als dessen Anhänger mit Kamelen auf den Tahrir ritten. Der SCAF macht auch Stimmung gegen Medien, vor allem gegen al-Dschasira. Der arabische TV-Sender nimmt oft Partei für die Regimegegner und verletzt dabei journalistische Standards. Dem Guardian zufolge riefen die Pro-SCAF-Demonstranten: "Wir sind das ägyptische Volk! Wo sind die Leute von al-Dschasira?" Mehrere ausländische Reporter wurden geschlagen.

Auch die Polizei geht gegen Reporter und gegen als Journalisten arbeitende Aktivisten vor. Der ägyptisch-amerikanischen Kolumnistin und Aktivistin Mona al-Tahawy wurden die Unterarme gebrochen, sie wurde sexuell belästigt. Ähnliches widerfuhr anderen ausländischen Reporterinnen auf dem Tahrir.

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