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Kämpfe im Irak:Kerry dringt in Bagdad auf Bildung einer neuen Regierung

Wie geht es weiter im Irak - und was können die USA dazu beitragen, die islamistischen Isis-Kämpfer zu stoppen? US-Außenminister Kerry ist zu einem unangekündigten Besuch nach Bagdad gereist - und will dort für eine Einheitsregierung werben.

  • US-Außenminister Kerry in Bagdad eingetroffen
  • Isis-Kämpfer sollen "hunderte" Soldaten getötet haben
  • Jordanien verstärkt Schutz der Grenze zum Irak
  • Dschihadisten erobern weitere Städte und sollen dort 21 Menschen exekutiert haben

US-Außenminister Kerry besucht Irak

US-Außenminister John Kerry ist am Montag überraschend zu einem Besuch in der irakischen Hauptstadt Bagdad eingetroffen. Dort will er den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und andere Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum treffen, wie seine Sprecherin Jen Psaki mitteilte. Im Mittelpunkt der Gespräche sollen demnach die Hilfe der USA im Kampf gegen die Dschihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) und die Bildung einer irakischen Einheitsregierung stehen. Das Land müsse eine Regierung haben, die die Interessen aller Bürger vertrete, sagte Psaki.

Kerry hatte seine Initiative zur Überwindung der Krise im Irak am Sonntag mit einem Besuch in Kairo gestartet, anschließend reiste er nach Jordanien weiter. Dass Kerry während der insgesamt sechstägigen Reise auch in den Irak reisen würde, war in Washington erwartet worden. Von offizieller Seite wurde dies aus Sicherheitsgründen aber nicht bestätigt. Das US-Pentagon hatte am Sonntag ein direktes militärisches Eingreifen in den Konflikt ausgeschlossen. 300 entsandte militärische Berater sollen schnell zurückgerufen werden.

Irak spricht von "hunderten" getöteten Soldaten

Die Dschihadistengruppe Isis hat im Zuge ihres Vormarschs im Irak bereits "hunderte" Soldaten getötet, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Diese Angabe machte der für Sicherheitsfragen zuständige Sprecher von Ministerpräsident Nuri al-Maliki, Generalleutnant Kassem Atta, im irakischen Fernsehen. Es handelt sich um die bislang präziseste offizielle Äußerung aus der Regierung zur Zahl der getöteten Soldaten.

Jordanien verstärkt Schutz der Grenze zum Irak

Angesichts des Vormarschs der Islamisten verstärkt Jordanien den Grenzschutz zum benachbarten Irak. Armee-Einheiten entlang der mehr als 180 Kilometer langen Grenze seien in Alarmbereitschaft versetzt worden, sagte ein Militärvertreter zur Nachrichtenagentur Reuters. Inzwischen werde der einzige Grenzübergang auf irakischer Seite von sunnitischen Stammeskämpfern kontrolliert, heißt es aus jordanischen Sicherheitskreisen. Die sunnitische Extremisten-Gruppe Isis hatte am Freitag bereits einen Grenzübergang zu Syrien eingenommen.

Dschihadisten erobern weitere Städte

Die Isis-Miliz hat am Sonntag ihre Kontrolle über den Nordwesten des Irak gefestigt und weitere Städte in der Grenzprovinz Anbar eingenommen. Die islamistischen Aufständischen hatten die westirakischen Städte Rawa und Ana gestürmt. Dort sollen sie 21 Menschen hingerichtet haben, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Offiziere und Ärzte mitteilte. Die Exekutionen sollen demnach am Samstag und Sonntag erfolgt sein. Bei den Getöteten handele es sich den Angaben zufolge um Repräsentanten der bisherigen Autoritäten.

Irakische Armee bereitet Sturm auf Tikrit vor

Nach großen Gebietsverlusten und der Desertion Tausender Soldaten will die irakische Regierung den Vormarsch der Islamisten etwa 100 Kilometer vor Bagdad stoppen. In dem Gebiet hat das Militär nach Angaben von Regierungsmitarbeitern Truppen zusammengezogen, die zum Gegenschlag gegen Isis ausholen sollen. Der Provinz-Gouverneur Abdulla al-Dschiburi forderte in einer vom irakischen Fernsehen übertragenen Ansprache an die Soldaten nahe Samarra, die Provinzhauptstadt Tikrit zurückzuerobern. Nach seinen Worten wurden im Raum Samarra etwa 50 000 Soldaten zusammengezogen.

De facto ist der Irak in drei Teile zerfallen. Neben den Siedlungsgebieten der Schiiten im Süden sind dies die von Sunniten bewohnten Regionen entlang des Tigris-Tals sowie die Kurden-Gebiete im Nordosten des Landes. Im Süden des Landes haben sich mittlerweile viele Freiwillige zu den Waffen gemeldet, um die sunnitischen Isis-Kämpfer zu stoppen.

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Süddeutsche.de/AFP/dpa/Reuters/gal/fran/anri/mike
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