Kämpfe gegen Gaddafi:UN und EU schicken Erkundungsteams nach Libyen

Erbitterte Kämpfe zwischen Gaddafis Truppen und den Aufständischen: Libyen versinkt im Chaos. Die internationale Gemeinschaft will sich nun vor Ort ein Bild von der humanitären Lage machen.

Angesichts der unübersichtlichen Lage und bürgerkriegsähnlichen Kämpfen schicken UN und EU Erkundungsteams nach Libyen. Der libysche Außenminister Mussa Kussa habe in einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon der sofortigen Entsendung eines UN-Teams nach Tripolis zugestimmt, teilte ein UN-Sprecher mit. Ein Team der Europäischen Union ist nach Mitteilung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton bereits auf dem Weg nach Libyen.

Libyan anti-government forces at area between Bin Jawad and Ras L

Die erbitterten Kämpfe zwischen Gaddafis Truppen und den Aufständischen in Libyen nehmen keine Ende: Ein verwundeter Kämpfer wird ins Krankenhaus Ras Lanuf im Osten des Landes eingeliefert.

(Foto: dpa)

Ban forderte auch ein Ende der Angriffe auf Zivilisten in Libyen. Zugleich warnte er die libysche Führung unter Staatschef Muammar al-Gaddafi, jeder, der internationales Recht breche, werde vor Gericht gebracht.

Unterdessen dauern die Kämpfe in dem nordafrikanischen Land an. Vor allem entlang der Küstenlinie versuchen die Truppen Gaddafis, an die Rebellen verlorene Städte zurückzuerobern. Dabei kamen Panzer, Artillerie, Kampfflugzeuge und Hubschrauber zum Einsatz. Unter den angegriffenen Städten waren Bin Dschawwad, Tobruk, Ras Lanuf und Misurata. In Al-Sawija, 50 Kilometer westlich von Tripolis, wechselte die Front binnen Stunden mehrmals hin und her. Am Ende hätten die Gaddafi-Gegner die Angriffe abgewehrt, hieß es.

In Misurata, 210 Kilometer östlich von Tripolis, lieferten sich Gaddafis Truppen Häuserkämpfe mit den Rebellen. Wie ein Vertreter des von den Aufständischen gegründeten Nationalrats Al-Dschasira sagte, habe man die Attacken auch dort zurückgeschlagen. Misurata sei unter Kontrolle, sagte er in der Nacht zum Montag. Bei den Kämpfen seien mehrere Gaddafi-treue Soldaten gefangen genommen worden.

Erneut forderten die Aufständischen die Einrichtung einer Flugverbotszone in Libyen. Sie sei "überfällig", um Zivilisten vor den Bomben des Diktator zu schützen. In der US-Regierung mehren sich unterdessen die skeptischen Stimmen zu einer solchen Flugverbotszone. Nach Verteidigungsminister Robert Gates äußerte sich auch der neue Stabschef im Weißen Haus, Bill Daley, zurückhaltend.

"Eine Menge Leute reden über eine Flugverbotszone, als wäre es (...) ein Videospiel oder so etwas", sagte er dem US-Sender NBC. "Wer darüber auf diese Weise redet, hat keine Ahnung, wovon er spricht." Der UN-Generalsekretär forderte von der Führung in Tripolis erneut die sofortige Einstellung der "unverhältnismäßigen Gewalt und wahllosen Angriffe auf Zivilisten". Auch müsse die Sicherheit der Ausländer in Libyen garantiert und Hilfsorganisationen Zugang zu den Bedürftigen gewährt werden.

Neuer Sondergesandter für Libyen ernannt

Zum neuen Sondergesandten für Libyen ernannte Ban den früheren jordanischen Außenminister Abdul Ilah Chatib. Er werde schon in Kürze Beratungen mit den Behörden in Tripolis und den Regierungen in der Region aufnehmen.

Die Entsendung des EU-Teams unter Leitung des italienischen Krisenhilfeexperten Agostino Miozzo dient vor allem der Vorbereitung des Libyen-Sondergipfels am kommenden Freitag. Die Gruppe soll in den nächsten Tagen prüfen, wie die 27 EU-Staaten weitere Unterstützung für die Menschen im Land leisten können.

Ein von Aufständischen im Osten Libyens festgehaltenes britisches Diplomatenteam ist am Sonntagabend wieder freigelassen worden. Die Gruppe, darunter angeblich sechs Elitesoldaten der Kommandotruppe SAS, sollte britischen Medienberichten zufolge Gespräche mit den Gaddafi-Gegnern aufnehmen. Kurz nach ihrer Ankunft am Freitag waren die Männer jedoch festgenommen worden. Der britische Verteidigungsministers Liam Fox bestätigte, dass britische Diplomaten in Bengasi mit Rebellen gesprochen hätten.

USA wollen strategische Ölreserven anzapfen

Die US-Regierung erwägt angesichts stetig steigender Ölpreise als Folge der Krise in Libyen ihre strategischen Ölreserven anzuzapfen. "Das ist bislang nur in sehr seltenen Fällen passiert", sagte Daley dem US-Fernsehsender NBC. "Wir schauen uns unsere Optionen an, und die Reserven sind eine, die wir in Erwägung ziehen."

Vor solch einem Schritt müssten allerdings eine ganze Reihe von Faktoren überdacht und einbezogen werden. Die Benzinpreise in den USA sind nach Angaben des US-Autoclubs AAA binnen eines Monats um mehr als zwölf Prozent gestiegen. Spritpreise sind ein empfindliches politisches Thema in den USA.

Am Sonntag kostete die Gallone (3,8 Liter) unverbleites Benzin im Landesschnitt 3,50 Dollar (2,52 Euro). Der bisher höchste Durchschnittpreis wurde den AAA-Angaben zufolge im Sommer 2008 mit 4,11 Dollar pro Gallone bleifreies Benzin registriert. Die Ölpreise hatten am Freitag nach einem Rücksetzer ihren Höhenflug wieder aufgenommen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am späten Nachmittag 115,91 US-Dollar, etwa ein Prozent mehr als am Vortag.

Die strategischen US-Ölreserven betragen nach Medienberichten fast 730 Millionen Barrel. Die USA verbrauchen nach Angaben der Behörde für Energie-Information pro Tag knapp 19 Millionen Barrel Öl - so viel wie kein anderes Land der Erde.

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