Kaczynski beerdigt:"Der Moment, in dem die Polen zusammenstehen"

Zehntausende Polen erweisen Präsident Kaczynski und seiner Frau beim Begräbnis in Krakau die letzte Ehre.

Thomas Urban, Krakau

Das vor acht Tagen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene polnische Präsidentenpaar ist am Sonntag im engen Familienkreis in der Königs- und Heldenkrypta der Wawel-Kathedrale von Krakau beigesetzt worden.

An der Totenmesse in der Marienkirche auf dem Krakauer Hauptmarkt hatten zuvor auch höchste ausländische Staatsgäste teilgenommen. Allerdings hatten mehr als fünfzig Delegationen ihre Teilnahme wegen des Flugverbots über Mitteleuropa wieder absagen müssen, darunter jene des amerikanischen Präsidenten Barack Obama.

Auch kamen weder die dänische Königin noch die Könige Norwegens, Schwedens und Spaniens in die alte polnische Königsstadt. Berlin wurde durch Bundespräsident Horst Köhler und Bundesaußenminister Guido Westerwelle vertreten, die mit Hubschraubern anreisten.

Auch 23 Streicher der Berliner Philharmoniker samt Dirigent Sir Simon Rattle flogen mit. Aus Solidarität mit Polen spielten sie in Krakau die Metamorphosen von Richard Strauss. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte hingegen nicht rechtzeitig von einer USA-Reise zurückkehren können.

Am Tag zuvor hatten rund 100.000 Menschen in der Warschauer Innenstadt an einer Trauerfeier für alle 96 Opfer des Unglücks unweit des Militärflughafens der russischen Großstadt Smolensk teilgenommen.

Fünfzehn Stunden Schlagestehen

Seit vergangenen Dienstag hatten überdies Zehntausende im Warschauer Präsidentenpalast dem Präsidentenpaar die letzte Ehre erwiesen, zum Teil hatten die Menschen fünfzehn Stunden Schlange gestanden, bis sie in der Kapelle des Palais neben der Warschauer Altstadt angelangt waren.

Die polnische Delegation war am vergangenen Samstag unterwegs zu einer Gedenkfeier für die Opfer der Ermordung von rund 4500 polnischen Offizieren in der Nähe des russischen Dorfes Katyn durch die sowjetische Geheimpolizei vor 70 Jahren.

Premierminister Donald Tusk nannte den Absturz die größte Tragödie der polnischen Nachkriegsgeschichte. Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski, das amtierende Staatsoberhaupt, appellierte an die Polen, in diesen schweren Stunden zusammenzustehen.

"Nur selten gibt es Augenblicke in der Geschichte einer Nation, in denen wir wissen und fühlen, dass wir wirklich zusammenstehen", sagte er. "Die Katastrophe bei Smolensk war ein solcher Augenblick." Das Flugzeug war bei dichtem Nebel abgestürzt. Es wird vermutet, dass ein Pilotenfehler die Ursache war.

Mit dem Bus auf die Burg

Bei strahlendem Sonnenschein wurden am Sonntag die beiden Sarkophage, begleitet von einer militärischen Ehrenformation, durch die Krakauer Altstadt zur Wawelburg gebracht. Zehntausende säumten den Trauerzug. Aus der Menge wurden weiße und rote Nelken auf den Konvoi geworfen. Viele Menschen schwenkten weiß-rote Fahnen.

Die Staatsgäste wurden in Bussen in die Burg gebracht, wo sie den Angehörigen der Verunglückten ihr Beileid aussprachen, an erster Stelle Marta Kaczynska, der 30-jährigen Tochter des Präsidentenpaars, sowie Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski, dem Zwillingsbruder des toten Präsidenten.

Appell zur Versöhnung mit Russland

Zu den Staatsgästen gehörte der russische Präsident Dmitrij Medwedjew. Aus der Ukraine waren getrennt der neue Präsident Viktor Janukowitsch, sein Vorgänger Viktor Juschtschenko und Oppositionsführerin Julia Timoschenko angereist.

Auch die anderen osteuropäischen Delegationen waren gekommen, darunter der georgische Präsident Michail Saakaschwili, den Kaczynski stets als Freund bezeichnet hatte. Dieser war während des Georgien-Konflikts 2008 mit mehreren Staats- und Regierungschefs aus den ehemaligen Ostblockländern nach Tiflis geflogen, um dem von den russischen Nachbarn bedrängten Land seine Solidarität zu bekunden.

Dagegen sagten nach Obama auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Nato-Generalsekretär Fogh Rasmussen ihre Reise nach Krakau ab.

Vulkanasche als "Zeichen Gottes"

Dass Lech Kaczynski in der Wawel-Kathedrale begraben wurde, ist in Polen überaus umstritten. Kritiker argumentieren, dass er als Präsident glücklos gewesen sei und deshalb seine Grabstätte neben Königen und Nationalhelden unangemessen sei.

Auf Plakaten am Rande der Altstadt wurde die Wolke aus Vulkanasche, die den Flugverkehr zum Erliegen gebracht hatte, ein "Zeichen Gottes" genannt. Es sei nicht Recht, den aus Warschau stammenden Kaczynski und seine Frau als ersten polnischen Präsidenten in der Wawel-Kathedrale zu bestatten.

Hausherr der Kathedrale ist der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz, der von einem Teil der polnischen Öffentlichkeit für diese überaus kontroverse Entscheidung verantwortlich gemacht wird. Dziwisz rief angesichts des Flugzeugunglücks in Russland Polen und Russen zur Versöhnung auf.

Die Tragödie vor einer Woche habe viel Gutes in beiden Nationen freigesetzt, sagte er in seiner Predigt. Nach seinen Worten ist die Beerdigung des Präsidentenpaares in der Königs- und Heldenkrypta gerechtfertigt, da sich in ihren Särgen auch das Andenken an die Opfer von Katyn befinde.

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