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Kabinett - München:So will Bayern mehr Pflegekräfte gewinnen

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München (dpa/lby) - Bessere Bezahlung, günstigerer Wohnraum und eine Imagekampagne: Die Ideen der bayerischen Staatsregierung im Kampf gegen Fachkräftemangel in der Pflege sind vielfältig. Nur reichen sie aus Sicht des Landespflegerats nicht. Die Vorsitzende, Generaloberin Edith Dürr, forderte einen "Masterplan Pflege" und dass Markus Söder (CSU) als Ministerpräsident Pflege zur Chefsache mache. Der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), Georg Sigl-Lehner, mahnte möglichst schnell spürbare Ergebnisse in der Praxis an - etwa sichere Dienstpläne, regelmäßige Freizeit, geregelte Fortbildung.

Am Dienstag beschloss das Kabinett, für 54 000 Euro in Dachau eine Wohnungsvermittlung für Menschen in Sozial- und Gesundheitsberufen zu schaffen, "um diesen Arbeitnehmern Wohnraum zu angemessenen Preisen zu vermitteln". Beim Bund will sich die Staatsregierung dafür einsetzen, dass die steuerlichen Regeln so geändert werden, dass Pflegekräfte günstiger an Wohnungen kommen. Weitere Ziele: bessere Bezahlung und flächendeckende Tarifverträge in der Langzeitpflege.

Am Landesamt für Pflege soll sich ein Mentor mit "besonderen Belangen Auszubildender in der Pflege" befassen - etwa wie dem Umgang mit dem Tod, aber auch mit ganz praktischen Fragen wie Schichtdienst. Eine Imagekampagne soll ab Herbst 2020 Jugendliche über Karrierechancen informieren. Zudem soll ein "Bündnis für Fachkräftenachwuchs in der Langzeitpflege" unter anderem mit Kostenträgern und der VdPB gegründet werden. Aus Dürrs Sicht greift das aber zu kurz. Der Mangel an qualifiziertem Personal lasse sich keineswegs auf Langzeitpflege reduzieren, sondern gelte für alle Bereiche wie Krankenhäuser.

Der Pflegestatistik zufolge gab es 2017 rund 400 000 Pflegebedürftige in Bayern. Mehr als 159 000 Menschen waren in der Langzeitpflege beschäftigt, also in Pflegediensten und -heimen. Wie viele Pflegekräfte aber gebraucht werden, ist unklar. Das Pflegeministerium hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Bedarf an ambulanter und stationärer Pflege sowie an Pflegekräften bis 2050 ermitteln soll. Es soll einem Sprecher zufolge im kommenden Sommer vorliegen.

"Der Bedarf an Pflegekräften steigt", sagte Pflegeministerin Melanie Huml (CSU). Die Gründe seien unter anderem die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt. "Zwar haben auch die Zahlen der Beschäftigten und der Auszubildenden in der Pflege in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen", sagte Huml. "Sie können aber mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten." VdPB-Präsident Sigl-Lehner sagte, die Personalschlüssel müssten sich am tatsächlichen Pflegebedarf orientieren, also deutlich verbessern. "Das würde das Image des Pflegeberufes sofort verbessern. Imagekampagnen müssen sich am Bild in der Praxis messen lassen." Auch Dürr verlangte exakte Zahlen und Prognosen zum Pflegefachpersonal.

Anfang des Jahres hatte das Ministerium zudem mit 40 Partnern ein "Bündnis für generalistische Pflegeausbildung" ins Leben gerufen. Ab 2020 werden drei Berufe aus der Alten-, Kinderkranken- oder Krankenpflege vereint, die bisher getrennt ausgebildet wurden. "Die Wahl des Ausbildungsorts schränkt die spätere Berufswahl nicht mehr ein", heißt es dazu beim Ministerium. Die Bündnispartner, darunter Krankenkassen und Wohlfahrtsverbände, setzen sich unter anderem für ausreichend Plätze für die praktische und schulische Ausbildung ein.

Sigl-Lehner sagte, es gebe aber noch eine Reihe offener Fragen; so sei die Refinanzierung der Ausbildung unklar, und es lägen noch keine Curricula vor. "Das bedeutet eine große Unsicherheit für die Schulen, die Ausbildungsbetriebe, aber auch für potenzielle Auszubildende." Dürr betonte, es brauche genügend Geld für die Berufs- und Hochschulen. "Der Fachkräftemangel wirkt sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits auf die Ausbildungsqualität aus, da eine flächendeckende Praxisanleitung nicht mehr gewährleistet werden kann."

Die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Ruth Waldmann, fürchtet gar, dass wegen fehlender Rahmenpläne nicht alle Einrichtungen im April mit der Ausbildung beginnen können. "Die Staatsregierung hatte den betroffenen Schulen und Ausbildungsträgern sogar selber geraten, diesen Jahrgang ausfallen zu lassen", teilte Waldmann mit. "Das ist schon ein ungeheuerlicher Vorgang!"

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