Regierungsklausur in Meseberg:Alle drei verkörpern das Wir-Gefühl

Regierungsklausur in Meseberg: Freundliche Worte vor schöner Kulisse: Kanzler Olaf Scholz (M.), Finanzminister Christian Lindner (li.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck vor Schloss Meseberg.

Freundliche Worte vor schöner Kulisse: Kanzler Olaf Scholz (M.), Finanzminister Christian Lindner (li.) und Wirtschaftsminister Robert Habeck vor Schloss Meseberg.

(Foto: Imago)

Deutschland geht gerüstet in den Winter, die Ampel arbeitet gut zusammen: Bei ihrer Klausurtagung verbreitet die Regierung Worte der Harmonie und Beruhigung - und Habeck klingt plötzlich wie ein anderer.

Von Daniel Brössler, Meseberg

Robert Habeck könnte es jetzt auch gut sein lassen. Er könnte die Worte des Bundeskanzlers wirken lassen, der die "gute und sehr konstruktive Atmosphäre" bei der Kabinettsklausur im beschaulichen Meseberg gelobt und nicht zum ersten Mal davon geschwärmt hat, wie man sich "als Regierung unterhakt". Er könnte sich daran erfreuen, dass Finanzminister Christian Lindner seine Ausführungen mit der Bemerkung eingeleitet hat, er könne "an Robert Habeck anknüpfen". Die Klausurtagung ist als großes Fest der Harmonie angelegt, das versteht sich fast von selbst. Aber da ist eben noch was.

Und das muss raus. Als Scholz nach der scharfen Kritik aus der grünen Bundestagsfraktion an seiner Person gefragt wird, ist es soweit. "Erlauben Sie mir ganz kurz, ich würde sagen, auf die Unterstellung einzugehen, die die Frage an den Bundeskanzler grundiert hat", springt Habeck mit umständlichem Anlauf dem Bundeskanzler zur Seite. "Noch einmal mehr" habe diese Klausur gezeigt, "wie gut es ist, dass Olaf Scholz diese Regierung führt". Wenige Tage ist das her, dass der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz via Twitter "die schlechte Performance, seine miesen Umfragewerte, seine Erinnerungslücken bei #Warburg und seine Verantwortung bei #Northstream2" aufgezählt hatte.

"Mit seiner Erfahrung, mit seiner Umsicht, mit seiner Ruhe führt er dieses Land sicher durch und ich bin froh, dass es genau so ist", stellt Habeck nun richtig. Wenn von dieser Klausurtagung sonst nichts bliebe, dann zumindest formvollendete Huldigung.

Sie steht natürlich nicht für sich, sondern muss als Teil einer kommunikativen Gesamtanstrengung verstanden werden. Nach den Friktionen der vergangenen Tage und Wochen und vor einem furchteinflößenden Winter soll von Meseberg die Kunde von einer harmonierenden und vor allem funktionierenden Regierung ausgehen, was den Kanzler "am letzten Tag des Sommers" zur Bemerkung verleitet, das gute Einvernehmen sei in Meseberg geradezu "sinnlich" erfahrbar gewesen. Es soll am Vorabend bei Gegrilltem nett gewesen sein im Schlosspark. Kühl zwar auch, aber es gab Decken.

Lindner hält eine Anpacker-Ansprache

Ausgerechnet FDP-Chef Christian Lindner ist es, der das wiederentdeckte Wir-Gefühl am fröhlichsten verkörpert. Er wird zum Beispiel darüber berichten, wie ihn sein Parteifreund Verkehrsminister Volker Wissing überzeugt habe, doch Geld locker zu machen für die "Öffis" und ein Nachfolgemodell des Neun-Euro-Tickets. Bei der Pressekonferenz des Ampel-Trios vor Schlosskulisse trägt Lindner sein blaues Sakko offen. Scholz und Habeck erscheinen zugeknöpft, Habeck überdies in Schwarz. Zu Beginn seines Statements spricht er über den Tod von Christian Ströbele, des Grünen, der so vielen imponiert habe, auch ihm selbst. Danach redet er - wie der Kanzler - ausführlich über Wege, die Energiepreise "nicht durch die Decke gehen zu lassen".

Lindner wiederum hält, als er danach an die Reihe kommt, eine Art Anpacker-Ansprache. "Einerseits aktuelle Krisenbewältigung, andererseits durch die Krise durchschauen und sich öffnen für Zukunftsgestaltung", das sei der Geist der Klausur gewesen. In den vergangenen Tagen hatte die FDP, der systemische Außenseiter der Ampel, erleben dürfen, dass auch SPD und Grüne mal aufeinander losgehen. Der Laune Lindners war das zumindest nicht abträglich. Dass es "ab und an mal öffentlichen Austausch" gebe, sei ja "unvermeidlich in der Politik", kann er nun großzügig bemerken. Er sehe das "mit einer gewissen Gelassenheit. Entscheidend ist, dass die Ergebnisse überzeugen".

Ja, die Ergebnisse. Sie sind gewissermaßen die Achillesferse der Klausur. Hier soll geredet werden und nicht beschlossen, weshalb das versprochene Entlastungspaket zwar näher rückt, aber immer noch keine klar umrissenen Konturen annimmt. "Wir brauchen ein wuchtiges Paket für Entlastungen in der ganzen Breite der Gesellschaft", verkündet Lindner nur. Im kommenden Jahr könne es dafür Spielräume in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags geben. Ausführlicher spricht er über den "politisch gemachten Rendite-Autopiloten", der wegen der Koppelung an den Gaspreis zu galoppierenden Strompreisen führe. Bei dem Thema ist Lindner deutlich wohler als bei der von Habeck ersehnten Übergewinnsteuer - was nur einer der Gründe dafür ist, dass der Meseberger Harmonie natürliche Grenzen gesetzt sind.

Regierungsklausur in Meseberg: Ein wuchtiges Paket für Entlastungen will die Ampel schnüren. Genaueres verrät in Meseberg noch keiner.

Ein wuchtiges Paket für Entlastungen will die Ampel schnüren. Genaueres verrät in Meseberg noch keiner.

(Foto: Imago)

Einig ist sich das Trio allerdings darin, ihr angeblich weit gediehenes Entlastungspaket für die von Inflation und extremen Energiepreisen geplagten Menschen vor neugierigen Blicken zu schützen, bevor es in den nächsten Tagen nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses präsentiert werden soll. Scholz bekennt gar, es erfülle ihn mit "professionellem Stolz", dass wesentliche Einzelheiten bisher nicht bekannt geworden seien. Man habe sich "einen festen Zeitplan vorgenommen, in dem wir uns auch befinden", lässt Scholz nur wissen. Man werde dann die "solide und ordentlich erarbeiteten Ergebnisse präsentieren".

Und so bleibt - von der Kanzler-Huldigung einmal abgesehen - von Meseberg am ehesten jene Botschaft der Beruhigung, die vor allem Scholz und Habeck unters Volk zu bringen trachten. "Es ist in der Tat so, dass die Vorbereitungen auf den Winter früh angefangen haben, was die Energieversorgungssituation in Deutschland angeht", lautet sie. Und: "Weil wir so früh angefangen haben, haben wir Antworten und haben einen Fortschritt, der erlaubt, gerüstet in den Winter zu gehen." Es sind Worte, die von Robert Habeck stammen, aber genauso gut von Olaf Scholz kommen könnten. Womit über diese Klausur eigentlich alles gesagt wäre.

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