Kabinett beschließt Betreuungsgeld:Schafft das Elterngeld ab!

Das Betreuungsgeld ist großer Mist. Doch gemessen an den Zielen ist das Elterngeld nicht viel besser. Beides bringt nichts, kostet aber viel. Immer mehr Geld wird direkt in Familien gepumpt. Statt endlich Erzieher anständig zu bezahlen oder Schulen gut auszustatten.

Thorsten Denkler, Berlin

Sie haben es getan. Nach Jahren des Gewürges und Herumgeeieres hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch das Betreuungsgeld auf den parlamentarischen Weg gebracht. Irgendwas zwischen 1,5 und drei Milliarden Euro wird das Geldgeschenk kosten. Peanuts. Klar. Aber auch die sollten nicht zum Fenster rausgeworfen werden.

Das Betreuungsgeld ist Mist - und damit nur ein Symptom einer völlig verkorksten Familienpolitik. Familien sind wichtige Wähler. Seit Jahrzehnten heißt es deshalb: Gebt den Familien mehr Geld und ihr müsst etwas weniger um den Wahlsieg bangen. Das ist natürlich Quatsch. Aber dieser Irrglaube hat dazu geführt, dass meist pünktlich vor Wahlen das Kindergeld erhöht wurde.

Wir reden über maximal drei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld. Ein Witz. Allein das Kindergeld verschlingt jährlich 40 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die komplette Bundeswehr kostet nur knapp 30 Milliarden Euro im Jahr.

Bildung ist teuer

Nein, das ist kein Plädoyer, das Kindergeld für mehr Panzer abzuschaffen. Dies ist ein Plädoyer dafür, alle familienpolitischen Leistungen ernsthaft auf ihre Wirkung hin zu überprüfen.

Bildung. Das ist der größte Schatz, den dieses Land hat. Das sagt einem jeder Politiker dieses Landes auf Knopfdruck. Und das völlig zu Recht.

Aber Bildung ist teuer. Und in Deutschland wird dafür von der Kita bis zur Uni zu wenig Geld ausgegeben. Jüngste Studien der OECD führen Deutschland bei den Bildungsleistungen - gemessen am prozentualen Anteil der Wirtschaftsleistung - auf Platz 24. Weit hinter Ländern wie Belgien, Polen oder Portugal.

Die Mängelliste ist lang: Marode Schulgebäude, zu wenig Kitaplätze, miserable Ausstattung, mies bezahlte Erzieher, unterfinanzierte Ausbildung der Lehrkräfte. Statt dort den massiven Sanierungsstau aufzulösen, werden lieber neue Leistungen erfunden. Das Betreuungsgeld ist schon deshalb überflüssig wie ein Kropf.

Hierzulande gilt: Familien vor Bildung

Hinter dem Elterngeld steckt wenigstens eine gute Idee. In Deutschland bekommen vor allem Akademiker zu wenig Kinder. Das war die Erkenntnis, die letztlich zum Elterngeld geführt hat. Es ist so konzipiert, das junge Akademiker am meisten vom Elterngeld profitieren.

Knapp fünf Milliarden Euro kostet den Staat diese Leistung. Und? Ist das Ziel erreicht? Nein. Im Jahr 2010 kamen 13.000 Kinder mehr zur Welt als 2009. Zusammen 678.000 Kinder. Das sind die jüngsten Zahlen. Mal grob überschlagen hat der Staat 2010 jede Geburt mit 350.000 Euro subventioniert. Das Elterngeld wirkt nicht, also muss es abgeschafft werden. Das ist die einzig logische Konsequenz.

Das Elterngeld kann auch nicht ausgleichen, was das Kern-Problem der Geschlechterungerechtigkeit ist: Frauen verdienen strukturell weniger als Männer. Und das oft sogar im gleichen Beruf. Deshalb bleiben sie öfter zu Hause bei den Kindern. In den seltenen Fällen, in denen Männer weniger verdienen als ihre Frauen, bleiben selbstverständlich die Männer nach der Geburt bei ihrem Nachwuchs. Manchmal ist das so banal.

Eine finanzielle Absicherung ist wichtig, wenn es um die Entscheidung für Kinder geht. Aber noch wichtiger sind diese Fragen: Lassen sich Beruf und Familie vereinen? Ist der Karriere-Knick mit Kind programmiert? Bekommt das Kind die bestmögliche Förderung in seinem Leben?

Wäre allein fehlendes Geld ein Hindernis Kinder zu bekommen, dann fänden sich die kinderreichsten Familien nicht am unteren Ende der Einkommenstabelle.

Kindergeld, Elterngeld oder Betreuungsgeld helfen nicht weiter, solange es nicht genügend Betreuungsplätze gibt. Das Problem ist gar nicht so sehr, dass nicht genug Kitas gebaut werden können. In manchen Stadtzentren mag das so sein, weil die Grundstücke fehlen. Das eigentlich Problem ist, dass dieser Gesellschaft die Arbeit derer nichts Wert ist, die ihre Kinder betreuen, sei es in Kita, Schule oder Universität. Es wird einfach immer schwerer, gute Leute für diese Jobs zu gewinnen.

In den Kitas verdienen Erzieher kaum mehr als ein Busfahrer. Lehrer müssen Klassenfahrten und Laptop aus eigener Tasche bezahlen. Manche Junior-Professoren warten jahrelang vergebens darauf, dass sie ihren Familien Sicherheit geben können, weil es mit der unbefristeten Professur mangels Stellen nicht klappen will. Und das trotz der oft übervollen Hörsäle.

Bildung ist ein Schatz? Wer im deutschen Bildungssystem arbeitet, der kann da nur lachen. Denn hierzulande gilt: Familien vor Bildung. Statt Familien und Bildung.

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