Süddeutsche Zeitung

Kabarettist Jan Böhmermann:Erdoğan-Gedicht verärgert Merkel

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Eine Satire über die Satire - oder schlicht nicht lustig? Die Kanzlerin nennt die ZDF-Parodie "bewusst verletzend."

Kanzlerin Angela Merkel hat ein im ZDF ausgestrahltes und dann wieder gestrichenes Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als "bewusst verletzend" kritisiert. Das habe sie in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu am Sonntagabend deutlich gemacht, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Sie seien gemeinsam der Ansicht, dass es sich um einen "bewusst verletzenden Text handelt". Merkel habe auf die Konsequenzen verwiesen, die der ausstrahlende Sender bereits gezogen habe. Ferner habe sie den hohen Wert bekräftigt, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Diese sei aber nicht schrankenlos.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat derweil jede Art von "Demokratie-Lektionen" aus dem Westen zurückgewiesen. "Diejenigen, die uns Lektionen über Demokratie und Menschenrechte erteilen wollen, sollten erst ihre eigene Schande betrachten", sagte Erdogan am Montag bei einem Treffen des türkischen Roten Halbmondes in Ankara.

Das ZDF hatte in der Nacht zu Samstag in der Wiederholung von Böhmermanns Sendung "Neo Magazin Royale" einen Beitrag gestrichen, der am vorigen Donnerstag auf ZDFneo erstmals ausgestrahlt worden war. Die Parodie zum Umgang Erdoğans mit Satire entspreche nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stelle, hatte der Sender als Begründung mitgeteilt. Böhmermann selbst hat betont, der Beitrag habe die Grenze der Satire in Deutschland aufzeigen sollen. Böhmermann hatte das mit "Schmähkritik" überschriebene Gedicht vorgelesen und darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Verse enthalten Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen.

Böhmermann nahm mit dem Text Bezug auf das NDR-Fernsehmagazin "extra 3", das zuvor einen umstrittenen satirischen Beitrag über Erdoğan ausgestrahlt hatte. Der türkische Präsident hatte erbost darauf reagiert, der deutsche Botschafter in Ankara wurde einbestellt.

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SZ vom 05.04.2016 / SZ
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