Rechtspolitik:Analoge Justiz gegen digitale Gewalt

Rechtspolitik: Muss am Donnerstag und Freitag mit Kontroversen rechnen: Bundesjustizminister Marco Buschmann.

Muss am Donnerstag und Freitag mit Kontroversen rechnen: Bundesjustizminister Marco Buschmann.

(Foto: Thomas Trutschel/Imago)

An den Gerichten herrscht noch das Papier, im Internet wüten ungestraft Hasstäter. Das - und mehr - wird den Justizministern auf ihrer Konferenz zu denken geben.

Von Constanze von Bullion

Gesprengte Geldautomaten und sexuelle Gewalt, verschleppte Mietrechtsreform und Kampf gegen Hass im Netz - rund 70 Themen stehen auf dem Programm, wenn sich ab Donnerstag die Justizministerinnen und Justizminister von Bund und Ländern in Berlin treffen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dürfte bei der zweitägigen Konferenz manche Kontroverse bevorstehen, die Stimmung in Deutschlands Justizbehörden ist angespannt.

Grund ist unter anderem Buschmanns Ankündigung, den Ländern 50 Millionen Euro pro Jahr für die Digitalisierung der Justiz bereitzustellen. Viel zu wenig, heißt es in den Ländern. Denn Mittel für zusätzliches Justizpersonal gibt es vom Bund nicht. Gleichzeitig sehen Gerichte und Staatsanwaltschaften einige Zusatzarbeit auf sich zurollen.

Buschmann plant beispielsweise ein Gesetz gegen digitale Gewalt, das es Opfern von Hass und Beleidigung im Netz erleichtern soll, sich gegen ihre Peiniger zu wehren. Wiederholungstäter sollen leichter identifiziert und Accounts gesperrt werden können. Auch Gewerbetreibende sollen gegen wahrheitswidrige Bewertungen vorgehen können, jeweils nach richterlicher Entscheidung. Nur, wer soll das alles eigentlich durchsetzen?

"Schaufenster-Gesetzgebung würde nur für Enttäuschung sorgen."

"Mit dem Gesetz käme eine Vielzahl neuartiger, aufwendiger Auskunftsverfahren bis hin zu möglichen Accountsperren auf die Zivilgerichte zu", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, der Süddeutschen Zeitung. So richtig es sei, die Verfasser von Hassbotschaften konsequenter zu verfolgen, so notwendig sei zusätzliches spezialisiertes Personal in Gerichten und Staatsanwaltschaften. "Schaufenster-Gesetzgebung, die personell nicht hinreichend unterlegt ist, würde nur für Enttäuschung bei den hilfesuchenden Betroffenen sorgen."

Bayern und Niedersachsen wollen bei der Justizministerkonferenz in Berlin sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutionen thematisieren, auch in Kirchen. Oft würden Strafverfahren eingestellt, so die Kritik, weil Aussage gegen Aussage stehe. "Wenn mehrere Opfer über einen längeren Zeitraum hinweg unabhängig voneinander ähnliche Vorwürfe gegen ein und dieselbe Person erheben, kann das ein Indiz für ihre Glaubwürdigkeit sein", erklärte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). In solchen Fällen sei es sinnvoll, "auch alte Ermittlungsakten zu eingestellten Verfahren in die Prüfung einzubeziehen." Niemand stehe über dem Gesetz, "auch kein Geistlicher".

Derzeit werden Akten zu eingestellten Ermittlungsverfahren wegen sexueller Gewalt laut Bundesrecht grundsätzlich nur fünf Jahre aufbewahrt, im Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister nur zwei Jahre. Bayern und Niedersachen wollen die Frist auf zehn Jahre verlängern.

Aus Hamburg kommt die Forderung an Bundesjustizminister Buschmann, die Reform des Mietrechts nicht länger aufzuhalten. Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) will in Berlin dafür eintreten, die Obergrenze für Mieterhöhungen deutlich zu senken und die Regelung für Eigenbedarf zu überprüfen. Auch Indexmieten müssten beschränkt werden, fordert Gallina.

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