Justizirrtümer:"Ein klares Signal für den Opferschutz"

Bayerns Justizministerin Beate Merk will sich in Berlin dafür einsetzen, dass Justizopfer künftig eine deutlich höhere Entschädigung erhalten.

Helmut Kerscher

Nur wenige Politiker aus den Bundesländern haben sich bislang dezidiert für eine Erhöhung der Haftentschädigung ausgesprochen. Auch die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) gehörte bislang nicht dazu. Jetzt aber will sie ein Zeichen setzen.

Justizirrtümer: Beate Merks Vorschlag: 25 Euro für jeden Tag in Untersuchungshaft, 50 Euro für jeden Tag in Strafhaft.

Beate Merks Vorschlag: 25 Euro für jeden Tag in Untersuchungshaft, 50 Euro für jeden Tag in Strafhaft.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Werden Sie die Haftentschädigung von elf Euro pro Tag auf der Justizminister-Konferenz in Berlin verteidigen?

Merk: Nein. Dieser seit 1987 unverändert geltende Betrag ist nicht mehr angemessen. Er muss schon wegen der Inflation mindestens verdoppelt werden. Wir dürfen beim Thema Haftentschädigung nicht vergessen: Es geht um Menschen, die zu Unrecht inhaftiert waren. Elf Euro pro Tag Gefängnis sind auch nicht annähernd ein Ausgleich für ihren immateriellen Schaden.

SZ: Welchen Betrag schlagen Sie vor?

Merk: Es ist schwer bis unmöglich, hier den richtigen Betrag zu finden. Man kann den Wert der Freiheit nicht exakt beziffern und muss auch bescheiden bleiben. Ich habe mich mit dem Thema lange befasst und mich gefragt, ob man überhaupt eine einheitliche Summe festlegen kann.

SZ: Österreich schreibt beispielsweise keine fixen Beträge vor.

Merk: Darauf möchte ich aus Gründen der Rechtssicherheit nicht verzichten. Wir sollten uns aber anders als bisher für unterschiedliche Beträge entscheiden.

SZ: Wie wollen Sie unterscheiden?

Merk: Wir sollten ein klares Signal für den Opferschutz setzen. Denn es handelt sich ja um Justizopfer. Ich halte 25 Euro für einen Tag erlittener Untersuchungshaft und 50 Euro für einen Tag Strafhaft für das richtige Zeichen.

SZ: Wie sind Sie auf diese gewaltige Differenz gekommen?

Merk: Es ist ein großer Unterschied, ob jemand als Verdächtiger ins Gefängnis kommt oder vom Strafgericht als Täter unschuldig verurteilt worden ist. Derjenige, dessen Glaube an den Rechtsstaat so erschüttert worden ist, sollte mindestens 50 Euro pro Tag bekommen. Diesen Vorschlag möchte ich einbringen.

SZ: Damit übertreffen Sie die Erwartungen an die Position Bayerns gewaltig.

Merk: Mag sein. Und ich denke auch darüber nach, ob wir bei mehrjährigen Freiheitsstrafen nicht noch höher gehen müssen. Immerhin hat der Staat einem Justizopfer durch ein falsches Urteil einen großen Teil seines Lebens weggenommen.

SZ: Was würde den Staat eine Erhöhung auf 25 und 50 Euro kosten?

Merk: In Bayern wäre das eine Mehrbelastung von rund 160.000 Euro pro Jahr. Bisher haben wir im Jahresdurchschnitt für 11.600 entschädigungspflichtige Hafttage bezahlt, also in der Summe 127.600 Euro.

SZ: Die Länder könnten also auch höhere Beträge verkraften.

Merk: Bei noch höheren Summen bekämen die Justizminister sicher Schwierigkeiten mit der Finanzierung. Mit den von mir vorgeschlagenen Beträgen können wir durchaus noch arbeiten. Wir sollten einen Weg gehen, der nachvollziehbar und besonnen ist.

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