Justiz:Warten auf "Adam"

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Seit bald einem Jahr muss sich der frühere Geheimagent Werner Mauss vor dem Landgericht Bochum verantworten. (Foto: Sascha Steinbach/Getty Images)

Der Agent Werner Mauss setzt darauf, dass ihn ein israelischer Geheimdienstmann in seinem Steuerhinterziehungs-Prozess entlastet. Doch der mysteriöse Zeuge erscheint nicht vor Gericht.

Von Ralf Wiegand, Bochum

Der Rechtsanwalt Franz Salditt, Jahrgang 1939, ist nur ein paar Monate älter als sein Mandant Werner Mauss. Der renommierte Jurist und der als Geheimagent geführte einstige Diplom-Landwirt sind zwar beides Männer derselben, einer anderen Zeit - aber auch aus zwei verschiedenen Welten. Mauss ist von eher schwer kontrollierbarem Temperament, gewohnt, seine Legende zu pflegen. Wenn er vor Gericht, das über ihn wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung verhandelt, das Wort ergreift, wissen seine Verteidiger nie, was er sagen wird. Ob er laut wird. Ob er den Faden verliert. Monate haben sie gebraucht, bis ihr Mandant wenigstens ab und zu auf sie hörte. Das Verfahren vor dem Landgericht Bochum dauert schon fast ein Jahr.

Salditt hingegen verliert weder Faden noch Fassung, nie. Er kämpft für Mauss wie für jeden seiner Mandanten zuvor formvollendet anständig, sei deren Ruf auch noch so schlecht. Mutmaßliche Steuerhinterzieher oder Kreditbetrüger sind ja selten Sympathieträger. Salditt hat den Baulöwen Jürgen Schneider verteidigt und Peter Graf, den Vater der Tennisspielerin Steffi. Er betrachtet seine Kundschaft nur durch die Brille des Rechts, das ihnen wie allen anderen auch zuteil werden muss. Dafür erwartet er von ihnen aber auch einen gewissen Gehorsam. Geradezu demütig sei Graf, sonst eher großspurig unterwegs gewesen, seinem Verteidiger Salditt begegnet, notierten Prozessbeobachter damals.

Franz Salditt hat die Aura des Grandseigneurs. Er respektiert in unnachahmlicher Höflichkeit das Gericht, selbst wenn er nur bittet, einen Schluck Wasser trinken zu dürfen. Sicher, sagt der Richter. "Ich habe aber kein Glas", warnt Salditt. Der Richter nickt milde, Salditt nimmt drei Schluck aus der Plastikflasche, dreht sie sorgfältig zu und sagt, über sich selbst erstaunt: "Das wird mir meine Enkelin nie glauben." Wer weiß, ob er jemals zuvor öffentlich oder überhaupt aus einer Flasche getrunken hat.

Diese Würde, die er behält, auch wenn ihm beim Vorlesen eines zehnseitigen Antrags die Zunge am Gaumen klebt, fordert Salditt auch für seinen Mandanten. Immer wieder lässt er beiläufig, aber kaum zufällig, die Sorge anklingen, das Gericht könnte Mauss vorverurteilt haben, es könnte die Beweisaufnahme, die es lieber heute als morgen schließen würde, nicht mehr ernst nehmen und Mauss' oft unvollendete Geheimdienst-Schnipsel vorschnell als Märchen abtun. Indizien, mahnte Salditt am Montag, könnten aber nur in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden: Erst dann könne "auch ein einzelnes Indiz zu gewaltiger Bedeutung erblühen". Salditt vermisst diese Würdigung bisher, diese Blüte.

Die Verteidigung behauptet, das Bundeskriminalamt habe den Zeugen indirekt bedroht

Ihm fällt es nicht so schwer wie anderen Beteiligten, die Spannung zu halten, wenn Dinge vor allem nicht passieren. Zum dritten Mal ist am Montag der Zeuge "Adam" nicht erschienen. Adam ist ein Pseudonym für einen israelischen Geheimdienstmann, der Mauss' Version von einem 23-Millionen-Dollar-Fonds bestätigen soll. Dieses Geld soll dem Agenten von ausländischen Organisationen 1985 und bis heute treuhänderisch überlassen worden sein; deshalb müsse er darauf auch keine Steuern zahlen. Die Staatsanwaltschaft sieht dagegen eine Hinterziehung von rund 16 Millionen Euro. Mauss droht eine Haftstrafe.

Seine Anwälte, neben Salditt mindestens drei weitere allein in dieser Sache, versuchen nun, eine Staatsaffäre um den mysteriösen, pensionierten Offizier "Adam" zu stricken. Das Bundeskriminalamt (BKA) habe den Zeugen indirekt bedroht und dadurch abgehalten, nach Deutschland zu reisen. "Adam" sei aber weiter bereit dazu, sagte ein israelischer Anwalt, der "Adam" am Montag in Bochum vertrat, wenn ihm der Mossad die Aussage erlaube.

Ob das Gericht das noch abwarten will? Ob Mauss' Leute noch daran glauben? Sie haben erneut die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Zuletzt wollten sie die Auswertung der Panama Papers abwarten, die das BKA gekauft hat und in denen Mauss vorkommt. Das Gericht lehnte ab. Jetzt hat Mauss vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden das BKA wegen dessen angeblich rechtswidrigem Umgang mit dem Zeugen "Adam" verklagt. Außerdem soll das BKA Akten herausgeben, von denen es behauptet, sie gar nicht zu haben. Bis dahin soll der Prozess warten, wird aber am Dienstag zunächst fortgesetzt.

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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