Die Zahl der unerledigten Fälle auf den Schreibtischen der deutschen Staatsanwälte wächst nach Angaben des Deutschen Richterbundes weiter. Zur Jahresmitte hat sie sich demnach auf knapp 964 000 Verfahren bundesweit erhöht. Damit sind im ersten Halbjahr 2025 nochmals etwa 13 000 offene Fälle bei den Behörden hinzugekommen.
Die Zahlen gehen auf eine Umfrage bei den Justizverwaltungen der Länder zurück, die die vom Richterbund herausgegebene Deutsche Richterzeitung gemacht hat. Berücksichtigt wurden dabei nur die Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte, wie es hieß.
Laut Richterbund blieb auch die Zahl neuer Verfahren bei den Staatsanwaltschaften auf Rekordniveau: In den ersten sechs Monaten 2025 kamen mehr als 2,7 Millionen neue Fälle auf die bereits bestehenden Aktenberge hinzu. „Im Ergebnis ziehen sich viele Strafverfahren in die Länge und Verfahrenseinstellungen nehmen zu“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn.
In Hamburg hat sich die Zahl der offenen Fälle seit 2021 fast verdreifacht
Das Problem ist nicht neu, genauso wenig wie die Klagen der Justiz über diesen Missstand. Als einen Grund sieht der Richterbund die wachsende Zahl von Anzeigen wegen Hass und Hetze im Netz, aber auch zahlreiche Drogenverfahren. Hauptursache ist jedoch der Mangel an Personal in den Staatsanwaltschaften. Im Jahr 2019 schloss die damalige schwarz-rote Bundesregierung mit den Ländern einen „Pakt für den Rechtsstaat“ und unterstützte sie in der Folge finanziell, um neue Stellen für Richter und Staatsanwälte zu schaffen. Die Ampelkoalition setzte den Pakt fort, legte aber mehr Wert auf Zuschüsse für die Digitalisierung der Justiz.
Die aktuelle schwarz-rote Koalition hat in ihrem Vertrag vereinbart, einen „neuen Pakt für den Rechtsstaat“ mit den Ländern zu schließen. „Er basiert auf drei Säulen: einer verbesserten Digitalisierung, einer Verschlankung und Beschleunigung von Verfahrensabläufen und einer personellen Stärkung“, heißt es in dem Papier. Die Details sind noch zu klären.
Mit Blick auf die neue Statistik, die zeigt, dass das Problem der überlasteten Justiz eher größer wird als kleiner, fordert der Deutsche Richterbund eine schnelle Zusage der Länder für neue Stellen in der Justiz. Erst dann könnten die von der Bundesregierung zugesagten 450 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln fließen. „Die Strafjustiz darf nicht zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung werden.“
Die bundesweit höchste Zahl offener Verfahren zum Stichtag 30. Juni gibt es in Nordrhein-Westfalen mit knapp 267 000 Fällen. Seit dem Jahr 2021 ist diese Zahl um etwa 40 Prozent gestiegen. Besonders schwierig ist die Entwicklung laut Richterbund in Hamburg: Dort wuchs der Berg unerledigter Fälle bis Ende Juni auf mehr als 64 000 Verfahren. Damit hat sich der Aktenstapel in den vergangenen dreieinhalb Jahren fast verdreifacht. Auch Sachsens Staatsanwaltschaften schieben eine große Bugwelle vor sich her: Dort gab es Ende Juni knapp 46 000 offene Verfahren – eine Zunahme von 54 Prozent seit dem Jahr 2021. Lediglich in Brandenburg wurde der Trend umgekehrt und die Zahl der offenen Fälle um gut ein Drittel auf etwa 24 000 reduziert.

