Justiz:Show-Prozesse

Ausstellungen, Theaterstücke, Jazz-Konzerte: In deutschen Gerichtssälen wird nicht nur verhandelt.

Von WOLFGANG JANISCH

Die Justizminister der Länder haben jüngst bei ihrer Herbstkonferenz mal wieder überlegt, wie sie ihre Gerichte besser aufstellen können. Dabei hatte ihnen Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle schon vor Wochen beim Juristentag den Rat gegeben, die Justiz sollte "sichtbar und präsent sein - auch in der Fläche". Denn die Zeiten sind vorbei, in denen man als Amtsrichter sagen konnte: Mir doch egal, ob die Leute uns mögen, gebraucht hat man uns noch immer. Heute weiß man: Ein Rechtsstaat ohne Vertrauen ist wie eine Blüte ohne Biene - aber zu den Bienen gleich mehr. Kurzum, in der Justiz stehen die Zeichen auf Offenheit.

Als Voßkuhle seine Rede hielt, da stand beim Oberlandesgericht Stuttgart freilich längst das Programm für die "stuttgartnacht". Das OLG öffnete für eine Nacht die Türen, im Gerichtssaal erwarteten die Besucher "launige und kreative Darbietungen von Richterinnen und Richtern". Wirklich schade, da nicht dabei gewesen zu sein, aber ähnliche Angebote gibt es landauf, landab. Die Gerichte veranstalten Lesungen, Vorträge, Ausstellungen, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

Wichtige Zielgruppe sind dabei Kinder und Jugendliche. Klassiker ist hier der Blick hinter die Kulissen. In Hamburg hatten sie Auszüge aus den Arresttagebüchern der Jugendanstalt Hahnöfersand zu bieten, aber damit konnte man dem Amtsgericht Saarbrücken wohl kaum den Rang ablaufen. Dort wurden beim letzten Tag der offenen Tür Waffen ausgestellt, die der Wachtmeister bei der Einlasskontrolle so einkassiert hat. Anderswo setzt man auf bekömmlich dargebrachte Pädagogik. Neulich wurde im Amtsgericht Bad Iburg - in Kooperation mit der "Sendung mit der Maus" - der Fall der Lea Langfinger verhandelt, die ein Laufrad gestohlen hatte; hinterher durfte man sie in der Zelle besuchen. Und bei der Bitburger Leserallye ging es im Amtsgericht um Gerechtigkeit für Willi Regenwurm. In Braunschweig dagegen zeigt man die erzieherische Absicht lieber offen, mit fingierten Verhandlungen für Schulklassen, Schwerpunkt - na was? Drogen!

Mit ihren Roben haben die Richter ja eine natürliche Nähe zum Theater. Da passt es, dass die Bremer Shakespeare Company den historischen Schwurgerichtssaal immer wieder für Aufführungen nutzen darf. Auch beim Aschaffenburger "Jazz & Crime-Festival" setzte die Justiz vergangenes Jahr auf dramatische Elemente. Und das OLG Hamm lud zum Lyrikabend.

Aber es muss nicht immer Unterhaltung sein, die Justiz hat aus dem eigenen Fundus vieles zu bieten. Mit Informationen von Arbeitsrecht bis Zwangsversteigerung können die Richter punkten - falls sie verständlich rüberkommen. Da kann man im populären Überschwang schon mal danebenhauen, wie im Frühjahr beim Amtsgericht Homburg, wo sie das bedrückende Thema der Fixierungen in Pflegeheim oder Psychiatrie mit dem Titel "Bettgitter, Bauchgurt & Co." auflockern wollten. Jedenfalls staunt man, was die Justiz so an Themen im Köcher hat. Im Landgericht Arnsberg referierte ein Imker über die Honigbiene, das war im Mai, wann sonst. Und dann kam eine Anwältin aus Meschede, die das Bienenrecht erläuterte.

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