Justiz:Prozess gegen den Salafisten Sven Lau beginnt

Sven Lau

Hat Sven Lau eine syrische Terrormiliz unterstützt? Das wirft ihm die Bundesanwaltschaft vor. Er selbst bestreitet die Vorwürfe, wegen der er sich ab Dienstag vor Gericht verantworten muss.

(Foto: dpa)
  • Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf beginnt am Dienstag der Prozess gegen den islamistischen Prediger Sven Lau aus Mönchengladbach.
  • Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, die IS-nahe syrische Terrormiliz "Jamwa" unterstützt zu haben.
  • Der Angeklagte bestreitet das. Von einem Weggefährten wird er aber angeblich schwer belastet.

Von Luca Deutschländer

Aus der Kundgebung für "Abu Adam" wird nun doch nichts. Eigentlich hatten ihm seine Anhänger in diesen Tagen ihre Solidarität aussprechen wollen. Dafür, dass er seit knapp neun Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Zu Unrecht, wie sie glauben. Doch sowohl die Familie von "Abu Adam" als auch sein Anwalt und angeblich auch er selbst halten davon nichts. Das jedenfalls behauptet der islamistische Prediger Pierre Vogel in einem Youtube-Video, das er vergangene Woche veröffentlicht hat.

Der bekannte Salafist Pierre Vogel ist ein Vertrauter von "Abu Adam". Der heißt eigentlich Sven Lau und ist wegen seiner Videos auf Youtube und bundesweiter Auftritte bei Demonstrationen sowie in Moscheen ebenfalls ein bekanntes Gesicht der deutschen Salafistenszene. In den vergangenen Monaten aber war es still um Lau geworden. Ab diesem Dienstag wird sich das ändern: Vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf beginnt dann der Prozess gegen Sven Lau, die Bundesanwaltschaft hat den 35-Jährigen angeklagt. Sie geht davon aus, es mit einem Unterstützer der syrischen Terrormiliz "Dschaisch al-Muhadschirin wal-Ansar", kurz "Jamwa", zu tun zu haben. Der Name bedeutet so viel wie "Armee der Auswanderer und Helfer".

Sven Lau lässt die Vorwürfe "mit Nachdruck" dementieren

Sven Lau soll die Miliz aktiv unterstützt haben - indem er ihr Geld und Nachtsichtgeräte besorgt hat. Außerdem soll er mit Hilfe eines Schleusers zwei deutsche Salafisten in die Reihen der "Jamwa"-Miliz gelotst haben. So jedenfalls steht es in der fast 80 Seiten starken Anklageschrift. Vorerst 30 Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt, um die Vorwürfe zu klären. Videobotschaften, Chats, Fotos von Laus privatem Computer und Zeugenaussagen haben die Ermittler ausgewertet. Der Staatsschutzsenat geht sogar noch einen Schritt weiter: Auch eine Verurteilung als Terrorist komme für Lau in Frage, heißt es.

Aus Sicherheitskreisen wurde nach Laus Festnahme im Dezember 2015 bekannt, der Beschuldigte habe die Unterstützung terroristischer Aktivitäten von "Jamwa" als humanitäre Hilfe für notleidende Muslime verschleiert. Sven Lau lässt das von seinem Verteidiger "mit Nachdruck" dementieren. "Der Generalbundesanwalt wird sich am Ende des Verfahrens bei Herrn Lau entschuldigen müssen", posaunt Laus Verteidiger Mutlu Günal. Er rate dem Generalbundesanwalt, schon mal Geld für die Haftentschädigung zurückzulegen.

Der Verteidiger ist davon überzeugt, dass die "Anklage wie ein Kartenhaus zusammenbrechen wird". Immerhin baue sie auf einem "notorischen Lügner" als Hauptbelastungszeugen auf. Die Rede ist von Ismail I., der im Frühjahr 2015 in Stuttgart zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Dieser, so Günal, habe gegenüber den Ermittlern immer wieder andere Angaben in der Causa Lau gemacht. I. hatte sich 2013 mehrere Wochen lang in einem Ausbildungszentrum der IS-nahen Terrorgruppe "Jamwa" aufgehalten. Er war nach Stuttgart zurückgekehrt, um Ausrüstungsgegenstände für seine Truppe zu kaufen. Auf dem Rückweg nach Syrien wurde I. festgenommen. Er soll einer der beiden deutschen Salafisten sein, die Sven Lau in die "Jamwa"-Reihen gelotst haben soll.

Und genau dieser Ismail I. hat Lau jetzt offenbar erneut schwer belastet. Das jedenfalls will der Spiegel erfahren haben. Das Magazin berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Lau habe seine Glaubensbrüder massiv bedrängt, sich am bewaffneten Kampf in Syrien zu beteiligen. Bei Besuchen in dem Bürgerkriegsland sei er regelrecht hofiert worden. Auf einen Weggefährten habe er Druck ausgeübt, damit dieser in den Dschihad ziehe. Lau habe dabei den Eindruck erweckt, er müsse eine Art Quote erfüllen. Neben Geld und Nachtsichtgeräten habe er "Jamwa" außerdem einen Müll- und einen Krankenwagen besorgt. Ersterer sei mit Sprengstoff beladen und für einen Selbstmordanschlag genutzt worden.

Schon länger hatte der Verfassungsschutz beobachtet, dass junge Männer aus dem Umfeld von Sven Lau nach Syrien ausreisen. Im Frühjahr 2014 war Lau deshalb erstmals verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden. Doch die Beweislage war zu dünn, er kam wieder auf freien Fuß. Im vergangenen Dezember dann wurde Lau erneut festgenommen. Seitdem sitzt er wieder in Untersuchungshaft.

Katholisches Elternhaus, Ausbildung, Arbeit als Berufsfeuerwehrmann

In Laus früherem Leben weist wenig darauf hin, dass dieser Mann später einmal den Staatsschutz interessieren könnte. Das Leben des Sven Lau beginnt im Herbst 1980 in einem katholischen Elternhaus in Mönchengladbach. Lau geht zur Schule, legt mit 18 Jahren die mittlere Reife ab. Er lässt sich zum Industriemechaniker ausbilden, konvertiert eigenen Angaben zufolge in dieser Zeit zum Islam. Später arbeitet er als Berufsfeuerwehrmann in seiner Heimatstadt, wird Brandmeister im mittleren Dienst. Schon in dieser Zeit verkauft er in Mönchengladbach islamische Kleidung, bringt religiöse Accessoires an den Mann. Er ist zeitweise Vorsitzender des salafistischen Vereins "Einladung zum Paradies", der seine Wurzeln im niedersächsischen Braunschweig hat. In Mönchengladbach wollen die Anhänger des Vereins eine Moschee bauen, es gibt vehemente Anwohnerproteste. Im Sommer 2011 wird der Verein aufgelöst.

2014 wurde Lau angeklagt - weil er die "Scharia-Polizei" ins Leben rief

Großes Aufsehen erregt Sven Lau schließlich 2014, als er als Initiator der "Scharia-Polizei" in Wuppertal auftritt. Dem Vorbild streng muslimischer Länder folgend, geht Lau mit weiteren Salafisten "auf Streife" gegen Alkohol, Musik, Pornografie und Glücksspiel. Lau handelt sich eine Anklage wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. In einem Internetvideo sagt er später, er habe in Wuppertal keine "Scharia-Polizei" einführen wollen. Es sei ihm lediglich darum gegangen, in Deutschland eine Diskussion über die islamische Gesetzgebung anzustoßen. Später wurden Lau und acht weitere Teilnehmer der Aktion angeklagt.

Salafisten-Prediger Pierre Vogel indes schwört seine Anhänger auf den neuen Prozess gegen Sven Lau ein. Über Youtube gibt er ihnen Verhaltenstipps für die öffentliche Verhandlung mit auf den Weg. Im Gerichtssaal müsse man eine gewisse Ausstrahlung mitbringen. "Es ist nicht unbedingt förderlich für den Angeklagten, einen militanten Eindruck zu machen", sagt er. Wenn Leute im Saal auftauchten, die vorbestraft sind oder denen der Pass abgenommen wurde, könne das indirekt Einfluss auf das Urteil des Richters haben. Der fälle sein Urteil zwar anhand von Beweisen - aber nach Meinung von Vogel eben auch anhand des Eindrucks, den er von Angeklagtem und Unterstützern gewinne.

Was "Abu Adam" jetzt brauche, seien Briefe von unbescholtenen Brüdern, die ihm Mut zusprächen. Nur: Floskeln wie "Du kommst schon raus" könne Lau nicht gebrauchen. "Die Ungewissheit in der Untersuchungshaft", so Vogel, "ist am schlimmsten." Da gehe man lieber vom schlechtmöglichsten Urteil aus, statt sich an den Freiheitsgedanken zu klammern. Der schlechtmöglichste Fall für Sven Lau: Im Fall einer Veurteilung droht ihm eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren.

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