Süddeutsche Zeitung

Justiz:"Ich war schon tot und bin zurückgekommen"

Flüchtlinge aus Syrien sagen beim Bundeskriminalamt gegen Generäle von Machthaber Assad aus. Sie sehen es als ihre Pflicht an, von der Folter in ihrer Heimat zu berichten.

Von Lena Kampf

Munem Hillaneh ist ganz Anwalt, als er das Gebäude des Bundeskriminalamts (BKA) in Berlin betritt: Schwarzer Anzug mit Krawatte, weißes Hemd, so hat er früher in Damaskus vor Gericht seine Mandanten vertreten. Seitdem er in Deutschland als Flüchtling lebt, hat Hillaneh selten die Gelegenheit, ein kämpferischer Oppositioneller zu sein. In Kiel, wo er mit seiner Frau eine kleine Erdgeschosswohnung bewohnt, arbeitet er in einer Kantine.

Im März hatte Munem Hillaneh gemeinsam mit anderen Syrern Anzeige bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen sechs führende Generäle des syrischen Militärgeheimdiensts eingereicht, Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR hatten darüber berichtet.

Die Männer und Frauen wollen, dass die deutsche Justiz die Generäle unter anderem wegen Folter und Vergewaltigung, dem Töten und dem Verschwindenlassen von Häftlingen in drei Geheimdienstgefängnissen in Damaskus zur Verantwortung zieht. In dieser Woche sind erstmals zehn von ihnen als Zeugen vernommen worden.

Warum die Verbrechen in Deutschland verhandelt werden können

Munem Hillaneh hat als Anwalt ausgesagt, wie er sagt, weil er Gerechtigkeit will für die Tausenden, die noch in Baschar al-Assads Kerkern sitzen. Und weil er selbst Opfer von Folter geworden sei in den ersten zwei Aprilwochen 2015 im Damaszener Militärgefängnis, Abteilung 235, in Syrien bloß "Abteilung des Todes" genannt. Am Dienstag hat er den Ermittlern fast sieben Stunden lang davon berichtet.

Hillaneh beschrieb, wie seine Folterer ihn nach wenigen Tagen in der überfüllten Zelle im Untergeschoss des Gebäudes ablegten, in der Ecke mit den Menschen, die noch nicht gestorben waren, die aber auch nicht mehr richtig lebten. An deren Körpern die Ratten nagten. Nur weil sich jemand für ihn eingesetzt hatte, wurde er entlassen. "Ich war schon tot und bin zurückgekommen", soll Munem Hillaneh den Ermittlern gesagt haben. "Ich sitze hier, weil es meine Pflicht ist auszusagen."

Deutsche Staatsanwälte können nach dem Weltrechtsprinzip Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen, selbst wenn sie nicht in Deutschland begangen wurden. Seit 2011 ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen möglicher Verbrechen der Regierung Assad, in diesem Verfahren sind nun jene gehört worden, die Anzeige erstattet haben. Es sei zu früh, die Aussagen zu bewerten, sagte eine Sprecherin.

Der Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, dessen Organisation ECCHR dabei geholfen hat, die Anzeige zu formulieren, will, dass den Vernehmungen nun internationale Haftbefehle gegen die Generäle folgen. Einer der Zeugen, sagt Kaleck, habe in dieser Woche beim BKA seinen entstellten Bruder identifiziert. Der syrische Geheimdienst hatte Fotos von Leichen in den Foltergefängnissen gemacht, die ein Überläufer im Jahr 2013 außer Landes gebracht hatte.

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SZ vom 12.05.2017
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