Justiz:Entwarnung aus Karlsruhe

Das Bundesverfassungsgericht weist Eilanträge gegen den UN-Migrationspakt zurück: Dieser erzeuge "keine unmittelbaren Rechtswirkungen".

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Debatte über den UN-Migrationspakt, der Anfang der Woche in Marrakesch von der Mehrheit der Staaten angenommen worden ist, war nicht arm an Wortmeldungen. Viele Stimmen versuchten zu erläutern, warum der erklärtermaßen rechtlich unverbindliche Pakt durch die Hintertür letztlich doch Rechtswirkungen entfalten werde. Von soft law war die Rede, einem weichen Recht, das auf dem Weg über die Gerichte nachgehärtet würde. Wohlgemerkt: All das war nicht etwa Ausdruck der Hoffnung, dass ein grundvernünftiges Regelwerk irgendwann eine gewisse Verbindlichkeit erhalten werde. Sondern eine Warnung vor einem vermeintlichen Migrationsbeschleuniger.

Nun ist eine weitere - maßgebliche - Wortmeldung hinzugekommen. An diesem Dienstag hat das Bundesverfassungsgericht einen fünf Seiten kurzen Beschluss veröffentlicht, mit dem zahlreiche Eilanträge gegen den Pakt als unzulässig abgewiesen worden sind. Keine große Sache eigentlich, politische Ereignisse lösen häufig Verfassungsbeschwerden aus. In diesem Fall hatten die Kläger sich in den besonders dramatischen Regionen des Grundgesetzes bedient - sie bemühten unter anderem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie das Widerstandsrecht. Doch anstatt die Anträge ohne Begründung abzuweisen, nutzte das Gericht die Gelegenheit für ein paar klärende Worte zur aktuellen juristischen Streitfrage Nummer eins.

Für die Erfüllung des Pakts, so ist der Beschluss zu verstehen, kann niemand vor Gericht ziehen

"Ungeachtet seiner politischen Wirkungen", so heißt es in dem Beschluss, löse der Migrationspakt "keine innerstaatlichen Rechtswirkungen" aus. Das sei bereits in der Präambel klargestellt: "Der Migrationspakt stellt keinen völkerrechtlichen Vertrag dar. Er ist rechtlich unverbindlich und erzeugt keine unmittelbaren Rechtswirkungen in den unterzeichneten Staaten", erläutern die Richter. Der "Pakt", so ist der Beschluss zu verstehen, ist also kein Vertrag im landläufigen Sinn, für dessen Erfüllung die Beteiligten vor Gericht ziehen könnten. Er ist ein Instrument aus jener diffusen Zone der internationalen Politik, in der nicht mit hartem juristischem Stahl gehandelt wird, sondern mit einem Papier gewordenen Konsens. Im Beschluss heißt es weiter: "Der Migrationspakt schafft daher auch keinen neuen Rechtsrahmen und enthält keine eigenständigen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Er enthält lediglich politische Selbstverpflichtungen, deren Nichterfüllung jedoch nicht sanktioniert ist." In anderen Worten: Es handle sich "primär um ein politisches Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit in Migrationsfragen". Gleiches gelte für den Flüchtlingspakt, der in Kürze von der UN-Generalversammlung angenommen werden soll.

Gefertigt hat den Beschluss die zweite Kammer des Zweiten Senats, in der zwei ausgewiesene Fachleute für internationale Rechtsfragen sitzen: Peter Huber, Europarechtler an der Universität München, und Doris König, Völkerrechtlerin an der Bucerius Law School in Hamburg. Ohne Rechtswirkung keine Klagebefugnis, lautet ihr Fazit. "Sollte sich im Zuge der Anwendungspraxis daran etwas ändern", dann könnten die Betroffenen ja immer noch vor Gericht ziehen.

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