Justiz entlastet Oberst Klein:Mörderisch, aber nicht im Rechtssinn

Dass der Luftangriff ohne strafrechtliche Folgen bleibt, war erwartbar. Das Völkerstrafgesetzbuch bestraft nur das Böseste des Bösen.

Heribert Prantl

Den Mühlen der Justiz wird nachgesagt, dass sie zwar sehr langsam mahlen, dafür aber gründlich. Die deutsche Politik macht diese Erfahrung regelmäßig, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz zerschrotet.

Afghanische Sicherheitskräfte am 4. September 2009 neben dem ausgebrannten Tanklastzug in Kundus, der durch Oberst Kleins Befehl eines Bombenangriffs zerstört wurde. (Foto: Foto: AP)

Wer nun erwartet hatte, dass die Bundesanwaltschaft mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan so ähnlich verfährt und den tödlichen Befehl des Obersts Klein in Kundus nach allen Regeln der juristischen Kunst zerlegt, verdammt und anklagt, der ist maßlos enttäuscht: Die Ermittlungen gegen den Oberst wurden eingestellt, die Mühlen der Justiz also schon nach kurzem Leerlauf wieder abgeschaltet. Das war aber nicht anders zu erwarten.

Das Völkerstrafgesetzbuch ist kein sehr subtiles, kein sehr differenzierendes Strafgesetzbuch. Es bestraft nur das Böseste des Bösen; das zeigt sich an den Überschriften der einschlägigen Paragraphen. Ermittelt wurde wegen "Kriegsverbrechen". Fahrlässige Tötung wird dort nicht erfasst; bedingter Vorsatz auch nicht; bestraft wird nur das mit direktem Vorsatz begangene Verbrechen; dieser ist schwer nachzuweisen.

Das Völkerstrafrecht behandelt die Täter also großzügiger als das akribische nationale Strafrecht. Dessen Anwendung neben dem Völkerstrafgesetzbuch ist zwar nicht ausgeschlossen, weil Totschläger, die im völkerrechtlichen Gesamtzusammenhang gehandelt haben, nicht straffrei ausgehen sollen. Das nationale Recht ist aber sehr tatfern und greift deshalb schwer.

Kurz gesagt: Der Befehl des Oberst Klein war mörderisch, aber nicht im Rechtssinn. Der Oberst hat furchtbare Fehler gemacht, aber kein Kriegsverbrechen begangen. Die Lehren daraus haben die militärische Führung und die Politik zu ziehen.

© SZ vom 20.04.2010/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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