Justiz:Eine kleine Ehe

2,4 Millionen Paare leben in Deutschland ohne Trauschein zusammen. Bisher gab es für diese keine Schutzregelungen Jetzt plädiert der Juristentag dafür.

Heribert Prantl

"Man kann ja heiraten": Wenn Juristen, die oft zur Unverständlichkeit neigen, einmal so ungewohnt klar reden, ist das Anlass zu gewisser Vorsicht. "Man kann ja heiraten": Ist das die richtige Antwort auf die Frage, ob die nichteheliche Lebensgemeinschaft einer gesetzlichen Regelung bedarf? 2,4 Millionen Paare leben in Deutschland unverheiratet zusammen. Es gibt aber keine Gesetzesregeln für dieses Zusammenleben ohne Trauschein.

Justiz: Immer mehr Paare in Deutschland heiraten nicht, Juristen fordern nun gesetzliche Regeln für diese Partnerschaften.

Immer mehr Paare in Deutschland heiraten nicht, Juristen fordern nun gesetzliche Regeln für diese Partnerschaften.

(Foto: Foto: stock.xchng)

Wenn solche Beziehungen scheitern, stellen sich zwar exakt die Fragen, die sich auch beim Scheitern einer Ehe stellen: Was passiert mit den Kindern, mit dem Hausrat? Wer schuldet jetzt was wem und warum und wie lange? Aber das Gesetz verweigert sich. Nur für die Abwicklung einer Ehe existieren penible Regelungen, die den schwachen Partner schützen und den starken verpflichten.

Rechtsschutz für "dauerhafte oder verfestigte Lebensgemeinschaften"

Schon vor zwanzig Jahren hatte der Juristentag deshalb die Frage gestellt, ob ein kleiner Fundus von gesetzlichen Regeln für die nichteheliche Lebensgemeinschaft bereitgestellt werden soll - und die Frage vorsichtig bejaht. Passiert ist nichts. Der Gesetzgeber und das Bundesjustizministerium meinen bis heute: Man kann ja heiraten!

Was aber, wenn immer mehr Menschen es nicht tun? Zwar ist die Ehe vor allem bei Paaren mit Kindern immer noch die dominante Lebensform. Aber immer mehr Paare leben unverheiratet zusammen. Und in diesen Partnerschaften werden immer mehr Kinder geboren - es gibt also immer öfter Familien ohne Ehe. Nach Artikel 6 Grundgesetz steht nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie "unter dem besonderen Schutz der staatlichen Gemeinschaft".

Der Juristentag 2008 in Erfurt drängt den Gesetzgeber daher mit neuer Verve, sich von dem Satz "Die könnten ja heiraten" zu verabschieden. Dass Partner nicht heiraten oder keinen Vertrag miteinander schließen, bedeute nicht zwangsläufig, dass sie "jegliche Rechtsfolgen" für den Fall des Scheiterns ablehnten, meinte die Bonner Rechtsprofessorin Nina Dethloff.

Der Gesetzgeber sollte für "dauerhafte oder verfestigte Lebensgemeinschaften" einen Rechtsschutz vorsehen, der dem "Ausgleich eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts" dient. Geboten sei dies vor allem dann, wenn Kinder betreut oder ein Partner (oder dessen Angehörige) vom anderen gepflegt wurden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Argumente konservative Juristen gegen die "kleine Ehe" vorbringen.

Eine kleine Ehe

Nur für Kinder aus nichtehelichen Partnerschaften ist einigermaßen gesorgt: Das Bundesverfassungsgericht hat vor einiger Zeit klargestellt, dass der Unterhalt, der dem einem Elternteil vom anderen dafür zusteht, dass er das gemeinsame Kind betreut, nicht verwirkt werden kann - auch nicht durch gemeines Verhalten des Ex-Partners.

Gerd Brudermüller, der Vorsitzende des Familiengerichtstags, plädierte deshalb konsequenterweise dafür, den Betreuungsunterhalt künftig als Unterhaltsanspruch des Kindes zu gestalten. Dann ist nämlich auch gesetzlich klar: Wie immer sich die unverheirateten Eltern auch gegenseitig piesacken, der Anspruch des Kindes auf Betreuung durch einen Elternteil (den der andere finanzieren muss) bleibt davon unberührt.

Angst vor Unterwanderung

Über diesen Betreuungsunterhalt hinausgehende Unterhaltszahlungen sind bisher im deutschen Recht nicht vorgesehen. Wenn nun aber eine nichteheliche Partnerschaft viele Jahre lang nach dem Hausfrauenmodell gelebt wurde, die Frau also ihr berufliches Fortkommen im Interesse der Familie zurückgestellt hat? Es fehlt hier bisher jeder Schutz des schwächeren Partners im Trennungsfall.

Wie gesagt: "Die hätten ja heiraten können" - meinen die konservativeren Juristen, die es als Gefährdung der echten Ehe betrachten, wenn eine "kleine Ehe" geschaffen würde. Sie befürchten, dass damit die echte Ehe "unterwandert" wird. Die Wortführer beim Juristentag sahen diese Gefahr nicht. Sie sehen eher die Gefahr, dass das Recht seine Funktion nicht erfüllt, Schwache zu schützen.

Natürlich könnten die Partner einen Vertrag schließen und darin alle Eventualitäten regeln. "Privatautonomie" nennen das die Juristen. Aber mit dieser Privatautonomie sei es "in emotionalen Beziehungen" nicht so weit her, wusste die Professorin Nina Dethloff. Eine Partnerschaft sei nun einmal nicht der freie Markt.

Also forderte die Berliner Notarin Ingeborg Rakete-Dombek den Gesetzgeber auf, einen alten Gesetzentwurf der Grünen wieder aus der Schublade zu holen: Der behandelt die unverheirateten Partner wenigstens als Familienangehörige; er macht also mit dem seltsamen Zustand Schluss, dass sie vor dem Gesetz nichts miteinander zu tun haben - anders ist es nur dann, wenn der Staat unter Hinweis auf die Lebensgemeinschaft Sozialleistungen nach Hartz IV kürzt.

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