Justiz:Ein Patriot sucht das Abenteuer

Der Schweizer, der die Wuppertaler Finanzverwaltung ausspähen lassen wollte, legt ein Geständnis ab. In der Gerichtsverhandlung in Frankfurt könnte ihm das zu einem Deal verhelfen.

Von Annette Ramelsberger, Frankfurt

Der Mann gibt sich als Patriot. Empört sei er gewesen, als die Deutschen die Steuer-CDs mit gestohlenen Daten von Bankkunden gekauft hätten. Nicht nur als Schweizer, auch als ehemaliger Polizist, der er 17 Jahre lang war. Und als dann dieser Kollege vom Schweizer Nachrichtendienst NDB an ihn herangetreten sei und ihn gefragt habe, ob man den Deutschen da nicht auf die Schliche kommen könne, wie sie das anstellten, um die Bankangestellten anzusprechen, wie sie die köderten, ob mit Geld oder sogar mit Erpressung - da habe er mitgemacht. "Aus Patriotismus, Empörung, Abenteurertum und Gewinnstreben, auch wenn das Gewinnstreben nicht im Vordergrund stand."

So lässt es Daniel M., 54 Jahre alt, Vater von zwei erwachsenen Töchtern, ehemaliger Polizist und zeitweiliger Spion, von seinem Anwalt vortragen. Er erfüllt damit eine Forderung des Oberlandesgerichts Frankfurt, das ein Geständnis will, um auf einen sogenannten Deal einzugehen - eine Bewährungsstrafe von eineinhalb bis zwei Jahren, die Daniel M. ermöglichen würde, als freier Mann den Gerichtssaal in Frankfurt und auch das Land zu verlassen, in dem er nun seit sechs Monaten in Haft sitzt. In Richtung Schweiz.

Justiz: „Die Schweiz brauchte meine Hilfe“ – der Angeklagte Daniel M. nimmt neben seinem Anwalt Hannes Linke im Oberlandesgericht Frankfurt Platz.

„Die Schweiz brauchte meine Hilfe“ – der Angeklagte Daniel M. nimmt neben seinem Anwalt Hannes Linke im Oberlandesgericht Frankfurt Platz.

(Foto: Andreas Arnold/AFP)

Daniel M. sagt, er habe sich geschmeichelt gefühlt, als der Geheimdienst an ihn herangetreten sei. "Die Schweiz brauchte meine Hilfe und ich war gerne bereit."

Als Daniel M. im Frühjahr festgenommen wurde, war die Empörung groß: Die Schweiz schickt einen Spion in das befreundete Deutschland, der die Finanzverwaltung Wuppertal ausspionieren sollte, die federführend die Steuer-CDs ankaufte. Sogar einen Maulwurf soll er dort installiert haben, damit die Schweizer quasi an der Quelle erfuhren, was die Deutschen vorhaben. So steht es in der Anklage - und fast so gibt es Daniel M. auch zu. Dass die Schweizer ein Frühwarnsystem haben wollten, dass man überlegte, wie man mehr erfahren, wie man "Mäuschen spielen" könnte - nur die Sache mit dem Maulwurf, da muss Daniel M. passen. Den habe es, so sagt er, wohl nie gegeben. Aber das Geld, das die Schweizer für den Maulwurf zahlten, gab es durchaus: 60 000 Euro in zwei Tranchen. Die dritte Tranche zahlten sie dann nicht mehr. Erstens kam von Daniel M. nichts, zweitens hatte die Schweiz schon das OECD-Abkommen über den Datenaustausch zwischen Ermittlungsbehörden unterschrieben.

In der Untersuchungshaft arbeitet Daniel M. an Businessplänen für seine Zukunft

Daniel M. hatte einen Partner in Frankfurt, den Chef der Detektei KDM. Über den sollte der Maulwurf eingeschleust werden. Zumindest schob Daniel M. dem Detektiv 60 000 Euro über den Tisch, abzüglich von je 10 000 für sich und ihn, seinen Partner. Mit dem Rest von 40 000 sollte ein Beamter gewonnen werden, der erzählt, was die Wuppertaler planen. Der KDM-Chef in Frankfurt sollte alles in die Wege leiten. Man würde diesen Mittelsmann gerne als Zeuge vor Gericht sehen und hören, was er zu sagen hat. Allein, er ist nicht geladen. Er kann sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen, weil er sich nicht selbst belasten muss. Die Bundesanwaltschaft erklärt, man habe ihm nicht nachweisen können, dass er davon wusste, dass der Auftraggeber für den Maulwurf der Schweizer Geheimdienst war. Daniel M. sagt, sein Partner habe nicht wissen wollen, wer der Kunde sei. Unter Juristen gibt es einen schönen Leitsatz: Man kann das glauben, man muss es nicht glauben.

Vor Gericht kommt an diesem Tag auch zur Sprache, wie die Deutschen überhaupt drauf kamen, dass es einen Spion bei ihnen geben könnte. Daniel M. war nämlich 2015 in der Schweiz festgenommen worden, unter dem Verdacht, er handele selbst mit Bankdaten. Die wollte er angeblich über einen ehemaligen deutschen BND-Mitarbeiter veräußern. Über die Sache ist bis heute nicht entschieden, sie dümpelt in der Schweiz dahin. Als Mitbeschuldigter galt damals auch der deutsche Privatdetektiv Werner Mauss. Der teilte den Deutschen mit, dass Daniel M. wohl einen Maulwurf bei ihnen eingeschleust hat. Mauss hatte dadurch keine Nachteile. Er wurde gerade trotz einer Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Wuppertal

Wuppertal ist zwar nur eines von zehn Steuerfahndungsämtern in NRW - und dennoch das bekannteste in Deutschland. Das Land hat auf ihre Empfehlung hin elf Steuer-CDs erworben und damit bundesweit 120 000 Selbstanzeigen, davon rund 23 000 allein in NRW, ausgelöst. Dadurch kamen zusätzliche Steuereinnahmen von schätzungsweise sechs bis sieben Milliarden Euro bundesweit zusammen, so das NRW-Finanzministerium. SZ

Daniel M. dagegen sitzt seit sechs Monaten in Untersuchungshaft. Sein Geschäft als Privatermittler für Banken und vermögende Menschen ist empfindlich gestört. Sein Haus musste er schon verkaufen. Und es steht durch den Deal eine Geldbuße von 40 000 Euro ins Haus, wie das Gericht erklärte. Wie er sich sein Leben danach vorstelle, fragt Oberstaatsanwältin Stefanie Hertrich. Daniel M. ist zukunftsfroh: Er könnte nicht in ein anderes Berufsfeld wechseln, sagt er. Aber er werde es schon schaffen, sein Geschäft wieder aufzubauen. "Ich hatte jetzt sechs Monate Zeit, Businesspläne zu schreiben", sagt er.

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