Nordrhein-Westfalen:Rüffel für Justizminister Limbach

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War Benjamin Limbach, Justizminister in NRW, beim Auswahlverfahren für den Präsidentenposten beim Oberverwaltungsgericht Münster voreingenommen? (Foto: Imago)

Die Bundesverfassungsrichter sehen Anhaltspunkte für Manipulationen bei der Kür einer Gerichtspräsidentin. In der Kritik steht der zuständige Minister. Nun muss der Fall neu geprüft werden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es hatte fast so ausgesehen, als komme der nordrhein-westfälische Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) im Streit um das eigenwillige Auswahlverfahren für den Präsidentenposten beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster halbwegs ungeschoren davon. Zwei Verwaltungsgerichte hatten Teile der Kandidatenkür für rechtswidrig erachtet, doch das OVG selbst bescheinigte Limbach, es gebe keinerlei Anhaltspunkte für ein manipulatives Verfahren.

Aber nun hat das Bundesverfassungsgericht – einst geführt von Limbachs Mutter Jutta – den Druck auf den Minister erhöht. Das OVG sei Hinweisen auf eine Voreingenommenheit des Ministers nicht ausreichend nachgegangen. Es muss den Fall erneut prüfen.

Eine „hervorragend geeignete“ Kandidatin, mit der sich der Minister duzt

Die Causa gewährt einen seltenen Einblick in die sonst so diskrete Vergabe hoher Positionen in der Justiz. Der Präsidentenposten beim OVG Münster war bereits seit Juni 2021 vakant, und schon lange zuvor war die Stelle ausgeschrieben worden.

Was danach geschah, lässt sich zumindest als ungewöhnlich beschreiben. Ein Kandidat – Richter am Bundesverwaltungsgericht – war im Frühjahr 2022 bereits gut im Rennen, doch dann kam die Landtagswahl dazwischen. Der scheidende Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hatte den Vorschlag kurz nach der Wahl im Mai „paraphiert“, also für gut befunden, allerdings nicht in den Geschäftsgang gegeben.

Sein Nachfolger Limbach stoppte das Besetzungsverfahren Ende Juni, einen Tag nach seiner Ernennung. „Vfg. nicht weiter ausführen“, notierte er im Amtsdeutsch auf der Vorlage.

Kurz darauf kam eine neue Bewerberin ins Gespräch, eine Beamtin aus dem Innenministerium, Mitglied der CDU, Limbach duzt sich mit ihr. Bei einem Abendessen im Juli offenbarte sie dem Minister ihre Karrierepläne, im September gab sie ihre Bewerbung ab. Im Frühjahr schien die Sache gelaufen zu sein, Limbach hatte sogar noch eine eigene Beurteilung der Kandidatin erstellt – er hielt sie für „hervorragend geeignet“.

Denkwürdige Gespräche mit dem ersten Bewerber

Im Laufe dieses Verfahrens sollen zwei denkwürdige Gespräche mit dem Karlsruher Kläger stattgefunden haben – dem Bundesverwaltungsrichter, dessen Bewerbung untergepflügt worden war. Dies jedenfalls hat er an Eides statt versichert. Im September 2022 habe ihn ein Bundestagsabgeordneter angerufen und ihm erklärt, die Düsseldorfer Koalition wünsche, dass er seine Bewerbung zurückziehe – weil man eine Frau mit CDU-Parteibuch an die Gerichtsspitze wolle. Und am 11. November habe er mit Limbach selbst gesprochen, der ihn ebenfalls aufgefordert habe, aus dem Rennen auszusteigen. Man werde mit Wohlwollen über eine Kompensation nachdenken. Denn er, der Minister, sehe einen Vorsprung bei der Konkurrentin.

Was das Bundesverfassungsgericht nun irritiert, ist der Umstand, dass Limbach diesen „Vorsprung“ zu einem Zeitpunkt diagnostizierte, als das Zeugnis der Konkurrentin noch ausstand. Denn das Innenministerium reichte die dienstliche Beurteilung erst am 15. November ein, vier Tage nach dem Gespräch.

Diesen Vorgang, so befand das Bundesverfassungsgericht, hätte das OVG aufklären müssen. „Aus der eidesstattlichen Versicherung ergeben sich Anhaltspunkte für ein politisch koordiniertes Vorgehen mit Kenntnis und unter Beteiligung des Ministers, das mit einer Vorfestlegung anhand sachfremder Kriterien (Geschlecht und Parteimitgliedschaft) verbunden wäre“, heißt es in dem Beschluss.

Aus der Opposition kommen bereits Rücktrittsforderungen

Nun hat das Karlsruher Gericht weder etwas gegen Frauen noch gegen CDU-Mitglieder in Spitzenpositionen. Der Grund, warum das Gericht hier ein Fragezeichen setzt, steht vielmehr in Artikel 33 Grundgesetz: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“, heißt es dort im zweiten Absatz.

Das Auswahlverfahren müsse darauf gerichtet sein, „den fachlich besten Bewerber zu ermitteln“, schreibt das Gericht. „Der Dienstherr muss sich fair und unparteiisch gegenüber allen Bewerbern verhalten.“ Dies umfasse eine „unvoreingenommene Haltung der über die Auswahl entscheidenden Person“.

Übersetzt heißt dies: Das Bundesverfassungsgericht hat zwar nicht positiv festgestellt, dass Limbach hier getrickst hat. Aber es sieht zumindest Anhaltspunkte für Manipulationen – genug, um das OVG zu einer neuerlichen und tiefergehenden Aufklärung der Umstände zu verpflichten.

Die Rücktrittsforderungen aus der Opposition ließen nicht auf sich warten. Limbach solle die „Konsequenzen ziehen und den Weg für einen Neuanfang freimachen“, sagte Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag.

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