Süddeutsche Zeitung

Jusos:Nahles warnt vor Spaltung

Der Parteinachwuchs kritisiert ein verheerendes Erscheinungsbild der SPD in der Berliner Koalition - und schenkt der Fraktions- und Parteichefin ein Paar rote Boxhandschuhe. Sie solle deutlich härter zulangen.

Von Max Ferstl, Düsseldorf

Zum Abschied bekam Andrea Nahles ein Paar rote Boxhandschuhe überreicht. Ein Geschenk von Juso-Chef Kevin Kühnert, "was Handfestes für den Koalitionspartner". Kühnert und seine Jusos finden, sie dürfte da deutlich härter zulangen. Die SPD-Vorsitzende streifte sich einen Handschuh über die rechte Hand und führte einen Schlag durch. Ihr Schwinger wirkte unkoordiniert, was vermutlich daran lag, dass sie keine Boxerin ist.

Dem Kampf ist Nahles am vergangenen Wochenende auf dem Bundeskongress der Jusos in Düsseldorf hingegen nicht aus dem Weg gegangen. Sie hat ihn vielmehr bewusst herbeigeführt. Die Jusos gelten als vehemente Gegner der große Koalition, die Nahles befürwortet. Sie warf den Jusos vor, die von den Mitgliedern getroffene Entscheidung "nicht wirklich akzeptiert" zu haben. Egal welche Erfolge die SPD in der Regierung erzielen würde, die Reaktion der Jusos sei stets dieselbe: "Das reicht nicht. Raus aus der Groko." Außerdem warnte Nahles vor einem Richtungsstreit: "Das führt zu Spaltung."

Die Vorsitzende teilte aus, und sie musste einstecken. Den ersten Schlag setzte Juso-Chef Kühnert. Gerade in der Anfangszeit sei die Akzeptanz für die Koalition sehr hoch gewesen, betonte er: "Dass das Gerede wieder angefangen hat, hatte mit der überaus überschaubaren Performance dieser Koalition zu tun." Die Jusos hätten lange stillgehalten. Erst bei der nicht nachvollziehbaren Affäre um den inzwischen entlassenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen habe es ihnen gereicht. Kühnert warf der Parteispitze fehlende Entschlossenheit vor angesichts der zahlreichen Krisen: "Wer nie eine Konsequenz zieht, landet irgendwann als Bettvorleger", sagte er.

In der SPD konkurrieren derzeit zwei unterschiedliche Denkschulen: Nahles und die Parteispitze glauben, die SPD mit guter Regierungsarbeit aus dem Tief zu führen und gleichzeitig die Partei zu erneuern. Die Jusos sehen das anders. Sie gehen davon aus, dass eine Erneuerung vor allem außerhalb der Regierung funktioniert. Und sie fühlen sich durch die schlechte Leistung der großen Koalition bestätigt.

"In der Frage werden wir uns wahrscheinlich nicht mehr einig", sagt die Berliner Landesvorsitzende Annika Klose. Was schade sei, schließlich habe man auf dem Bundeskongress eine gute Diskussion geführt, auch "mit Andrea". Die Jusos schätzen es, dass Nahles nach Düsseldorf gekommen ist, obwohl sie während der Woche krank war. Sie rechnen ihr auch hoch an, dass sie die Hartz IV-Debatte zuletzt neu entfacht und zwei junge Frauen auf der Liste der Europawahl weit nach vorne geschoben hat. "Wir sind uns in vielem auch einig", sagt die Berlinerin Klose, der zudem gefällt, dass Nahles "ohne Deckung kämpft". Hoffnungsträgerin der Jusos ist mittlerweile aber eine andere.

Am Freitag war Justizministerin Katarina Barley auf die Bühne getreten, die designierte Spitzenkandidatin für die Europawahl. In ihrer Rede zu Europa sagte Barley im Wesentlichen nichts anderes als Nahles am Samstag: dass die Investitionen in Europa zu gering seien, dass die Jugendarbeitslosigkeit in den südlichen Ländern zu hoch sei. Doch Barley bekam euphorischen Applaus. Sie hatte - übrigens auch Kühnert in seiner Eröffnungsrede - das Thema Groko weitgehend ausgespart. Für Barley, sagten viele Jusos, werden sie im Sommer auf die Straße gehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4235713
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.