Jusos:Mitgestalten und draufhauen

Jusos: Kevin Kühnert will auch SPD-Vize-Chef werden.

Kevin Kühnert will auch SPD-Vize-Chef werden.

(Foto: Jens Schlueter/Getty Images)

Auf dem Bundeskongress in Schwerin steht der Vorsitzende Kevin Kühnert vor einem politischen Spagat.

Von Thomas Jordan, Schwerin

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat große Pläne, doch die stoßen selbst bei den eigenen Leuten nicht nur auf Zustimmung. Von Freitag bis Sonntag tagt der Bundeskongress der Jungsozialisten in Schwerin. Am späten Freitagabend wurde der 30-Jährige dort mit 264 von 298 Stimmen (88,59 Prozent) von den Delegierten erneut zum Bundesvorsitzenden gewählt. Anfang der Woche machte Kühnert zudem seine Ambitionen auf das Amt eines stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden öffentlich. Für so manchen Jungsozialisten wirft diese Ämterhäufung Fragen auf.

Kühnert selbst gab sich bei seiner Rede am Freitag kämpferisch. An die Adresse der zeitgleich in Leipzig beim Parteitag tagenden CDU sagte er, es sei "ein Armutszeugnis", wenn die CDU in Kommunen mit der AfD kooperiere. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) griff er scharf an: "Ich finde es geradezu dekadent, wenn man über Monate aus politischen Debatten abtaucht". Das Schweigen der Kanzlerin werde "zunehmend zur Belastung für die Demokratie und die demokratische Debatte".

Kühnert kritisierte aber auch die eigene Mutterpartei, der er ein "Paternalismusproblem" attestierte. "Die Art, wie wir Politik machen, ist gelegentlich ein bisschen aus der Zeit gefallen", sagte er. Die SPD sei zu einem Reparaturbetrieb geworden, der nur falsche Politik kaschiere, nicht aber an die Ursachen herangehe.

Der Juso-Chef forderte große Visionen. So schlug er für den Öffentlichen Nahverkehr eine Art "Verkehrs-GEZ" vor, eine einkommensabhängige, verpflichtende Abgabe für alle. In der Sozialpolitik forderte er die Abschaffung aller Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger. Die Wahlempfehlung des Juso-Bundesvorstands für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als neue SPD-Chefs verteidigte Kühnert. "Wir wollen, dass die SPD aus der neoliberalen Pampa rauskommt und das glaubwürdig auch mit Gesichtern unterfüttert", sagte Kühnert. Zu behaupten, dass durch die Juso-Empfehlung die SPD-Mitglieder beeinflusst werden, wie es der Hamburger Juso-Landesverband getan hatte, kritisierte er als "wegducken" vor der Verantwortung und als "unpolitisch". Mit Blick auf seine eigene Ankündigung, für den SPD-Bundesvorstand zu kandidieren, sagte er: "Es kann kein Zuviel an Jusos in der SPD geben." Jüngst waren Stimmen bei den Jusos laut geworden, die davor gewarnt hatten, dass der SPD-Bundesvorstand im Falle einer Wahl von Walter-Borjans/Esken und Kevin Kühnert als Parteivize zu weit nach links rücke. "Wenn Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken Parteivorsitzende werden, dann sehe ich keinen Grund, warum Kevin Kühnert Parteivize werden sollte", sagt Alexander Mohrenberg, Chef des Juso-Landesverbands Hamburg. Bei einem Sieg von Olaf Scholz und Klara Geywitz würde er die Kandidatur aber unterstützen. Mohrenberg machte zudem deutlich, dass er im neuen Juso-Vorstand mehr Vertreter erwarte, die "nicht dem Juso-Mainstream entsprechen". Vergleichbares habe schließlich Kühnert vor Kurzem selbst für die Mutterpartei SPD gefordert, indem er sagte: "Stärke kommt daraus, Unterschiedlichkeiten zuzulassen."

Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch in der Frage, ob es strategisch klug ist, wenn Kühnert als Chef der Jusos, der zuletzt häufig als Kritiker der Mutterpartei aufgetreten ist, zugleich SPD-Vorstandsmitglied ist. Pavlos Wacker, Juso-Chef aus Baden-Württemberg, findet, es gehe darum, ein Zeichen zu setzen, "mitgestalten zu wollen und nicht immer nur draufzuhauen". Kühnerts Kandidatur ist für ihn "ein logischer Schritt". Doch auch hier kommt aus Hamburg Skepsis: "Wir wollen von ihm hören, wie er diesen Spagat hinkriegen will", sagt Alexander Mohrenberg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: