Österreich hat eine Obergrenze für Flüchtlinge beschlossen. Wohl ist der Regierung in Wien mit dieser "Notlösung" nicht. Deshalb hat sie jetzt Gutachter beauftragt, um zu prüfen, ob eine Obergrenze zulässig ist. Die Experten müssen sich durch ein Dickicht nationaler, europäischer und völkerrechtlicher Regeln schlagen.
Kein Wunder, dass die Frage der Obergrenze in Europa seit Wochen für Streit sorgt. Dabei scheint sich das Bonmot zu bestätigen: Zwei Juristen, drei Meinungen. So bezeichnet der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, eine Obergrenze als unzulässig. Koen Lenaerts, der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, hält sie für "schwer vereinbar" mit dem Europarecht. Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz aber sagt: "Der Bundestag kann Asyl-Obergrenzen einziehen."
Artikel 16a des Grundgesetzes garantiert politisch Verfolgten Asyl
Was ist korrekt? Zunächst gilt: Wer eine Obergrenze durchsetzen will, muss seine Landesgrenzen systematisch überwachen. Nun haben die 26 Schengen-Staaten aber vereinbart, auf Personenkontrollen an den Grenzen innerhalb des Schengen-Raumes zu verzichten. In Ausnahmesituationen, wie derzeit der Flüchtlingskrise, können die Kontrollen jedoch vorübergehend wieder eingeführt werden. Zurzeit wird an vielen Grenzen in Europa wieder kontrolliert.
Darf ein EU-Staat nun eine Höchstgrenze für Flüchtlinge einführen und alle abweisen, die sie überschreiten? In Deutschland garantiert Artikel 16a des Grundgesetzes politisch Verfolgten Asyl. Diesen Schutz kann beanspruchen, wer persönlich von seinem Heimatstaat - zum Beispiel wegen seiner Ethnie oder Religion - verfolgt wird. Bürgerkriegs- oder Armutsflüchtlinge, etwa aus Syrien, können sich nicht auf Artikel 16a berufen. Außerdem gilt diese Vorschrift nicht für Schutzsuchende, die aus einem anderen EU-Staat kommen. Sie sollen in dem EU-Staat Asyl beantragen, in dem sie zuerst ankamen.