Junge Union:Kampfabstimmung um Mißfelders Nachfolge

CDU Präsidiumssitzung

Gibt im September nach zwölf Jahren den JU-Vorsitz ab: Philipp Mißfelder.

(Foto: dpa)

Wer folgt auf Philipp Mißfelder als Chef der Jungen Union? Bisher gab es nur einen Kandidaten, doch nun steigt mit Benedict Pöttering ein Politikersohn per Kampfansage ins Rennen ein: In einem offenen Brief kritisiert er den "inhaltsleeren und konfliktscheuen Politik-Stil" der CDU.

Von Robert Roßmann

Diesen Brief kann man nur als Kampfansage lesen. Als eine Kampfansage, wie es sie in dieser Form in der Geschichte der Jungen Union noch nicht gegeben hat. "Ich möchte, dass wir in Zukunft wieder stärker inhaltlicher Erneuerer und Themen-Taktgeber" von CDU und CSU werden, schreibt Benedict Pöttering in einem offenen Brief an alle 116 773 JU-Mitglieder.

"Ohne Stillhalten und Wegducken bei Konflikten" sollte die JU künftig agieren. Die nötige Neuausrichtung könne "nicht durch Entscheidungen von einigen Wenigen gelingen, sondern muss von allen mitgetragen werden". Nur so könne man "neue Mitstreiter gewinnen und das Profil der Union wieder stärker mitbestimmen". Um all dies zu erreichen, wolle er für den Bundesvorsitz kandidieren.

Normalerweise werden in der JU Kandidaten von Landesverbänden nominiert. Eine direkte Bewerbung bei allen Mitgliedern - also an den Gremien vorbei - hat der Verband noch nie gesehen. Und normalerweise gibt es in der JU auch keine Kampfabstimmungen um den Vorsitz, die Ämter werden in Hinterzimmern ausgekungelt. Aber das ficht den Sohn des ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten und heutigen Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, nicht an. Wegen seiner Bewerbung wird es jetzt eine Kampfabstimmung um die Nachfolge Philipp Mißfelders geben.

Wer gewinnt, ist auch für die gesamte Union interessant

Nach zwölf Jahren gibt Mißfelder im September den Vorsitz ab, damit geht eine Ära zu Ende. In der Geschichte der Jungen Union war niemand länger Chef als der 34-Jährige. Es steht also auch - wie immer nach dem Abtreten prägender Gestalten - eine Neuausrichtung des Verbandes an. Und dabei will Pöttering als Vorsitzender mitmischen.

Bisher war Paul Ziemiak der einzige offizielle Kandidat für die Mißfelder-Nachfolge, sechs Landesverbände haben sich bereits für den 28-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen ausgesprochen. Pöttering hat jetzt trotzdem Chancen, gewählt zu werden. "Das Rennen ist offen", heißt es in der JU-Spitze.

Wer gewinnt, ist auch für die gesamte Union interessant. Schließlich ist die JU kein unerheblicher Machtfaktor, ihre Stärke wird in der Öffentlichkeit gerne unterschätzt. Dabei hat der Jugendverband alleine so viele Mitglieder wie Grüne und Linke zusammen. Im Bundestag sitzen 27 Abgeordnete aus der JU. Und bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag gewannen Mitglieder der Jugendorganisation 3000 Mandate.

Wie unzufrieden Pöttering mit dem bisherigen Kurs ist, kann man schon seinem Brief entnehmen. Mißfelder hat am vergangenen Freitag im Bundestag für das Rentenpaket der Regierung gestimmt. Pöttering findet, die große Koalition habe an diesem Tag "den Generationenvertrag einseitig aufgekündigt". Auch sonst lässt er an seiner Partei wenig Gutes. "Der oft inhaltsleere und konfliktscheue Politikstil der letzten Jahre" habe die Stammwählerschaft in weiten Teilen enttäuscht, schreibt Pöttering.

Die neue Unberechenbarkeit der Delegierten

"Über eine halbe Million Wähler, die bei der Europawahl von der Union zur AfD abgewandert sind, zeigen, dass die Strategie des Ignorierens falsch war." Sie seien "ebenso ein Warnsignal wie die 340 000 Menschen, die sich dieses Mal für die SPD statt für CDU oder CSU entschieden haben". Gerade die Junge Union müsse deshalb "deutlich machen, dass der herausragende Erfolg bei der Bundestagswahl vieles war, aber ganz sicher kein Auftrag an die Union, die Politik der Sozialdemokraten umzusetzen". Starker Tobak.

Die Bewerbung ist ein geschickter Schachzug. In der JU sind manche genervt, dass Paul Ziemiak sich schon so früh um die Nachfolge Mißfelders beworben hat - und damit ohne Not vor den für die JU besonders wichtigen Kommunalwahlen Unruhe in den Verband getragen hat. In den Städten und Gemeinden kämpfen Tausende Mitglieder persönlich um Mandate.

Pöttering reibt das seinem Gegner auch direkt hin: "Für mich war immer klar, dass sich der Bundesverband auch aus diesem Grund erst nach den Wahlkämpfen mit personellen Fragen auseinandersetzen sollte", schreibt er in seinem Brief vom Dienstag. Kommunalwahlen seien schließlich "JU-Wahlen". Er wende sich deshalb erst "heute - nach dem vergangenen Wahlsonntag - direkt an Euch, die Mitglieder der JU".

In der JU heißt es, Mißfelder würde zu Pöttering tendieren

Hätte sich Pöttering an die Usancen gehalten, hätte er sich von seinem Landesverband Niedersachsen nominieren lassen müssen - das hat der Betriebswirt bisher aber nicht getan. In den vergangenen Monaten hatte es zwar Spekulationen über eine mögliche Kandidatur gegeben, Pöttering hatte sie aber bis zu seinem offenen Brief nie offiziell erklärt.

Dass er jetzt trotzdem Chancen hat, liegt an Veränderungen in der Jungen Union. Zum einen sind in der JU die Zeiten vorbei, in denen Delegierte automatisch den wählen, der ihnen von ihrer Landesverbandsspitze empfohlen wird. "Die neue Unberechenbarkeit des Delegiertenkörpers" helfe Pöttering, sagt ein alter JU-Haudegen. Die persönliche Ansprache durch den Brief dürfte deshalb gut ankommen.

Zum anderen haben sich früher vor Wahlen die großen Landesverbände NRW, Bayern und Hessen auf ein Personaltableau für die Bundes-JU verständigt - das wurde dann auf den Deutschlandtagen "durchgewählt". Diesmal haben sich zwar Hessen und Nordrhein-Westfalen für Ziemiak ausgesprochen, die Bayern sind aber nicht im Boot. Sie haben Zweifel, ob der Student und Kommunikationsreferent der Richtige für die anstehenden Herausforderungen ist. Die Einbindung der Bayern ist in der JU aber traditionell wichtig, auch weil in der ziemlich konservativen Bundes-JU viele eine gewisse Faszination für die CSU verspüren.

In der Jugendorganisation heißt es, Mißfelder würde eher zu Pöttering tendieren. Der JU-Chef hat sich bisher aber für keinen der beiden Kandidaten ausgesprochen. Ein solches Votum würde dem Auserkorenen auch kaum helfen. Viele in der JU sehnen das Ende der Ära Mißfelder herbei. Außerdem hat sich der Vorsitzende in den vergangenen Monaten nicht nur Freunde gemacht. Seine Teilnahme an der Geburtstagsfeier für Gerhard Schröder in St. Petersburg, die Aufgabe des Amtes des Amerika-Beauftragten und seine hohen Nebeneinkünfte als Abgeordneter haben Mißfelder geschadet. Auch die von ihm heimlich geplante Weitergabe seiner Mitgliedschaft im CDU-Präsidium an Jens Spahn hat für Unmut gesorgt.

Auch vor diesem Hintergrund halten es viele für einen gelungenen Schachzug Pötterings, sich jetzt in der Rentenfrage so deutlich gegen Mißfelder zu stellen. Zu viel Nähe zu dem scheidenden Vorsitzenden kann nur schaden. Auf dem letzten CDU-Bundesparteitag haben nur drei der 1000 Delegierten das Wort gegen das Rentenpaket ergriffen, Pöttering war einer von ihnen. Mit seiner Generalkritik verdeckt Pöttering aber auch einen eigenen Makel: Als stellvertretender Bundesvorsitzender war er in den vergangenen Jahren für den Kurs der JU eigentlich mitverantwortlich.

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