Junge Politiker - das erste Jahr im Bundestag (2):Hobby: Politiker, Beruf: Abgeordneter

Erzählen Sie mal! Wie war's? Ein Jahr nach der Bundestagswahl zieht sueddeutsche.de Bilanz. 18 Jungpolitiker, darunter die 25-jährige Agnes Malczak, berichten ein Jahr nach der Wahl von Überraschungen aus dem Politzirkus Berlin.

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Quelle: Agnes Malczak / Luca Siermann

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Agnes Malczak, Grüne, Jahrgang 1985 (jüngste weibliche Abgeordnete), Ravensburg, Baden-Württemberg

Frau Malczak, Ihr erstes Jahr im Bundestag ist vorbei - was hat Sie zu Beginn am meisten überrascht?

Ich habe - ehrlich gesagt - das ganze logistische "Drumherum" absolut unterschätzt. Neben der politischen Arbeit, die direkt im Höchsttempo begann, musste ich zwei neue Wohnungen finden und beziehen, ein Wahlkreisbüro eröffnen, aus einer Zahl von mehreren hundert Bewerbungen die passenden MitarbeiterInnen auswählen und vieles mehr. Außerdem hat mich der Medienrummel und das rege Interesse an meinem Alter, aber auch an meinen Piercings dann doch sehr überrascht.

Was hat Sie enttäuscht?

Dass die Regierungsseite sich in vielen Fragen von Parteitaktik und nicht von Sachargumenten leiten lässt. Ein Beispiel aus meiner Arbeit: Wir haben uns ein Jahr lang mit der Verkürzung der Wehrpflicht auf sechs Monate beschäftigt, nur weil das eine der wenigen Fragen war, auf die sich CDU, CSU und FDP im Koalitionsvertrag einigen konnten.

Alle ExpertInnen haben gesagt, dass das Unsinn ist. Es gab keine sicherheitspolitische Begründung dafür. Allerdings sieht man an diesem Beispiel auch, dass gute Argumente, mit viel Beharrlichkeit vorgetragen, doch zum Ziel führen: Heute rückt, wenn auch nicht die grüne Forderung nach der Abschaffung der Wehrpflicht, zumindest die Aussetzung der Wehrpflicht in greifbare Nähe.

Wie war das erste Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden?

Renate Künast und Jürgen Trittin haben gleich nach der Wahl alle neuen Abgeordneten zu einem Essen eingeladen, bei dem sich sehr offene und lebendige Debatten ergeben haben. Dabei gab es auch den einen oder anderen hilfreichen Tipp für die kommende Aufgabe.

Wenn man in andere Fraktionen schaut, hat man häufig das Gefühl, dass eine große Distanz zwischen den Abgeordneten und dem Vorstand herrscht. Dass wir eine Fraktion ohne erstarrte Hierarchien sind, erlebe ich immer wieder als sehr positiv.

Welche Aufgaben in Ihrem Alltag als Abgeordnete rauben am meisten Zeit?

Da ich aus ökologischen Gründen versuche möglichst konsequent das Fliegen zu vermeiden, verbringe ich sehr viel Zeit im Zug. Manchmal kommt mir der ICE wie mein drittes Zuhause vor, die Fahrtzeit zwischen meinem Wahlkreis Ravensburg und Berlin beträgt acht Stunden. Aber ich empfinde die Zeit nicht als verlorene oder gestohlene Zeit, da ich sie immer gut zum Arbeiten und Lesen nutzen kann.

Wie reagieren die Bürger, wenn Sie nun in Ihrem Wahlkreis unterwegs sind?

Ich werde sehr häufig erkannt und auch angesprochen. Dabei bekomme ich von vielen Menschen Zuspruch dafür, mich als junger Mensch in die Politik einzumischen. Gleichzeitig erfahre ich direkt von den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises, wo der Schuh drückt. So gut ich kann versuche ich, ihre Anliegen und Anregungen dann im Rucksack mit nach Berlin zu nehmen und in die politischen Prozesse einzuspeisen.

Was sind Ihre ganz persönlichen politischen Ziele?

Der Grund warum ich überhaupt kandidiert habe, war zu zeigen, dass auch junge Menschen in der Politik etwas zu sagen haben und sich auch durchsetzen können. Auf diese Weise möchte ich bewusst gerade junge Menschen für Politik begeistern. Ich möchte mich im Bundestag, aber auch in der grünen Fraktion für eine nachhaltige und stark friedensorientierte Außen- und Sicherheitspolitik einsetzen.

Um es anhand meiner Aufgaben in der Fraktion konkreter zu machen: Ich trete für eine Stärkung der Abrüstungsverpflichtungen und für die Abschaffung der Wehrpflicht ein. Ich reise nach Afghanistan, um mir ein realistisches Bild von der Situation vor Ort zu verschaffen und Antworten auf die schwierigen Fragen, vor die uns dieser Einsatz stellt, zu formulieren.

Welches Ihrer Wahlversprechen konnten Sie umsetzen?

In der Opposition ist es nicht immer einfach, seine Wahlversprechen einzulösen. Häufig bleibt nur die Möglichkeit, Kritik zu üben oder bei mehr oder weniger guten Initiativen kleine Verbesserungen zu erreichen. Ich habe aber dennoch bereits persönliche Wahlversprechen erfüllen können.

Immer wieder bekomme ich positive Rückmeldungen, insbesondere bei den zahlreichen Gesprächen mit Schulklassen, dass es mir gelingt, junge Menschen für Politik zu interessieren - so weit sogar, dass sie teilweise nach den Gesprächen selbst aktiv werden und sich engagieren.

Außerdem habe ich einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und FDP zur nuklearen Abrüstung und zum Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland mit verhandelt, der mit der Unterstützung einer breiten Mehrheit zur offiziellen Position des Bundestages im Vorfeld der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages geworden ist.

Was können junge Politiker besser als ältere?

Ich glaube, hier kann man keine generellen Aussagen treffen. Es gibt gute und schlechte PolitikerInnen, egal ob jung oder alt. Was ich allerdings beobachte, ist, dass der Ton unter jungen KollegInnen auch unterschiedlicher Parteicouleur manchmal etwas freundlicher ist und es insgesamt eine größere Affinität zur Nutzung neuer Medien gibt.

Warum sollte Ihre Partei auf Sie setzen?

Man sollte sich vor falscher Eitelkeit hüten, niemand ist in der Politik unersetzbar. Ich hoffe aber, dass ich auch weiterhin in meiner Partei mit klaren Worten und viel Leidenschaft für einigen frischen Wind sorgen kann. Und unabhängig von meiner Person glaube ich, dass es ein sehr gutes Zeichen für eine lebendige grüne Partei ist, bewusst auch junge Menschen, die vielleicht nicht immer dem typischen Bild einer/eines Abgeordneten entsprechen, in die "große Politik" zu schicken.

Ist Politik Ihr Leben?

Politik war immer eines meiner größten Hobbys. Jetzt ist es zusätzlich noch ein ziemlich intensiver Job, der mich ausfüllt und mir dabei persönlich unheimlich viel Spaß macht. Derzeit kann ich mir ein Leben ohne Politik und Einmischung - egal in welcher Form - kaum vorstellen. Allerdings lebe ich nicht nur für die Politik. Das ist auch besonders wichtig. Denn wer sich nur noch in den Sphären der Politik bewegt, riskiert die Bodenhaftung zu verlieren.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Vor zehn Jahren, also mit 15, hätte ich mir nicht vorstellen können 2009, in den Bundestag gewählt zu werden. Ich plane meine Zukunft nicht akribisch. Vielmehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass, wenn man die Aufgaben von heute mit Energie und Leidenschaft anpackt, sich morgen vielfältige und ungeahnte Möglichkeiten auftun.

Eine Karriere in der Politik ist ohnehin schwer planbar. Ob ich in zehn Jahren noch im Bundestag sein werde, weiß ich nicht. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, was ganz anderes - allerdings schon im Zusammenhang mit internationalen Themen - zu machen, zum Beispiel eine Tätigkeit in der Wissenschaft oder bei einer NGO.

Wovon träumen Sie?

Auch wenn das in den Augen einiger Pessimisten und Zyniker naiv klingt: Von einer friedlichen, solidarischen und gerechten Welt. Aus dieser Vision, mag sie noch so weit von der Wirklichkeit entfernt sein, hat sich schon immer mein leidenschaftliches Engagement in der Politik gespeist.

Und wenn der Weg dahin lang ist, gilt es nicht zu verzweifeln, sondern gerade deshalb heute mit vielleicht mühsamen und kleinen, aber doch wichtigen Schritten zu beginnen.

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Quelle: Sebastian Körber

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Sebastian Körber, FDP, Jahrgang 1980, Forchheim, Bayern

Herr Körber, Ihr erstes Jahr im Bundestag ist vorbei - was hat Sie zu Beginn am meisten überrascht?

Zahlreiche Abendveranstaltungen, Besprechungen, Sitzungen, Arbeitsgruppentreffen und "Kennenlerntermine" bilden einen bereits sehr starren Rahmen für meine Wochen-, Monats- und bereits Jahresplanung. So musste ich mir für meinem Urlaub erstmals acht Monate vorher ein Zeitfenster freischaufeln, was ich sonst immer spontan entscheiden konnte.

Was hat Sie enttäuscht?

Wie in einigen Medien und auch bei so manchem Bürger oft das Klischee vom faulen und überbezahltem Politiker gepflegt wird, ist ernüchternd. Jene Personen und Journalisten lade ich gerne ein, mich einmal eine ganze Woche zu begleiten.

Manchmal fehlt auch das "Wir-Gefühl" und fraktionsübergreifendes Denken und Handeln im großen Politiktheater in Berlin, da "aus Prinzip dagegen zu sein" nicht immer zielführend ist.

Wie war das erste Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden?

Birgit Homburger fragte mich auf einer Abendveranstaltung, nachdem sie völlig unkompliziert auf mich zuging, ob ich nun schon ein eigenes Büro habe und mit meinem Ausschuss zufrieden bin, nachdem sie mich mit dem Fraktionskollegen Kober verwechselt hatte. Sie unterhielt sich sehr lange mit mir, etwa über die Stadt Berlin, den Freistaat Bayern und Architektur.

Welche Aufgaben in Ihrem Alltag als Abgeordneter rauben am meisten Zeit?

Zahlreiche Sitzungen jede Woche, wie Landesgruppe, Junge Gruppe, Fraktionssitzung und Ausschusssitzung nehmen viel Zeit in Anspruch. Neben der Lektüre diverser Zeitungen, Medienspiegel, Online-Artikel und Fachmagazine rund um Bauen und Verkehr, nimmt wohl, gerade im Wahlkreis, das Auto- und Zugfahren und Ein- und Auschecken am Flughafen viel Zeit in Anspruch.

Wie reagieren die Bürger, wenn Sie nun in Ihrem Wahlkreis unterwegs sind?

Generell werde ich sicherlich häufiger erkannt und beobachtet, wenn ich durch die Straßen laufe oder in einem Restaurant sitze. Die Reaktionen sich unterschiedlich: Auf der einen Seite gibt es Kritik und viele Ratschläge für die Regierung, für mich und die FDP, auf der anderen Seite erhalte ich positive Rückmeldungen für mein Engagement in der Region, etwa für den barrierefreien Bahnhof Forchheim, immaterielles Weltkulturerbe Annafest oder den Erhalt von Kurzzeitparkplätzen in der Bamberger Innenstadt.

Was sind Ihre ganz persönlichen politischen Ziele?

Als überzeugter junger Liberaler gilt mein Einsatz den Bürgerrechten und der Generationengerechtigkeit. Als Bau- und Verkehrspolitiker ist mir umwelt- und ressourcenschonendes Bauen und Sanieren mit Augenmaß und dem Anpassen der Infrastruktur, der Städte und des ländlichen Raumes an die gesellschaftlichen Entwicklungen der älterwerdenden Singlegesellschaft und der Bevölkerungswanderungen besonders wichtig.

Als Vertreter Oberfrankens lasse ich nichts unversucht, mich für regionale Belange, gerade auch für Bamberg und Forchheim, einzusetzen.

Welches Ihrer Wahlversprechen konnten Sie umsetzen?

Die ersten Schritte hin zu einer Entlastung von Familien und Unternehmen, der Umsetzung von konkreten Sparvorschlägen im Haushalt, mindestens eine Aussetzung der Wehrpflicht, eine Kursänderung in der Gesundheitspolitik und kein Eingreifen des Staates bei Schieflagen von Unternehmen wie etwa Opel sind wichtige Punkte, die wir umgesetzt haben.

Außerdem sind wir die erste Bundesregierung seit zwölf Jahren, die wieder Freiheits- und Bürgerrechte mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stärkt, statt sie wieder abzubauen.

Was können junge Politiker besser als ältere?

Meinungsbildung erfolgt meist unvoreingenommener, da Pro- und Contra-Argumente abgewogen werden und auch innovativen, neuen Konzepten und Ideen mehr Raum eingeräumt wird. Hier erscheinen ältere Kollegen manchmal etwas mehr festgelegt, wenngleich ich Ihre Meinung und Ratschläge sehr schätze, aber mich auch stets bemühe, diese zu hinterfragen.

Im Umgang mit den neuen Medien, den Kommunikationswegen der Zukunft, können junge Kollegen und ich einfacher Vorurteile gegenüber Politikern abbauen, gerade bei jüngeren Bürgern, wie etwa, dass "ja eh' alle gleich sind" und der Politikverdrossenheit ein Stückchen entgegenwirken. Auch existieren unter jungen Politikern nicht mehr so viele Vorurteile und Klischees gegenüber den Kollegen anderer Parteien, die eine sachliche Zusammenarbeit behindern.

Warum sollte Ihre Partei auf Sie setzen?

Eigentlich müssten das andere Parteifreunde beurteilen und mit Eigenlob ist das ja auch so eine Sache. Vielleicht könnte in aller Bescheidenheit eine Bewerbungsrede so lauten:

Ich bin ein junger, neugieriger und hochmotivierter Quereinsteiger, als einer der zwölf Jüngsten des Hohen Hauses, der auch schon etwas berufliche Erfahrung mitbringt. Stets bemüht, mich auch in die Lage des anderen zu versetzen, ihn zu verstehen und trotzdem ruhig und respektvoll zu bleiben, vorurteilsfrei und aus vollster Überzeugung liberal. Abzuwägen und erst zu denken und dann zu reden. Anmerkung: Auch habe ich Angebote politischer Mitbewerber, "wegen momentaner Umfragewerte doch die Partei zu wechseln", stets abgelehnt.

Ist Politik Ihr Leben?

Politik ist ein Teil meines Lebens, da es mir sehr viel Freude bereitet, Menschen und Ideen kennenzulernen, Probleme im Großen und im Kleinen zu erkennen und helfen diese zu lösen und Visionen und Rahmenbedingungen für die Gesellschaft mitzugestalten. Dennoch bin ich auch Architekt, Freund, Sohn, Zuhörer, Kind, Genießer, Denker, Bürger ...

Eines ist für mich aber klar: Für Politik würde ich mich niemals verbiegen!

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich werde nach wie vor mit Bauen, Wohnen, Zuhören, Städten, Beraten und Reden zu tun haben und Konzepte, Ideen und Visionen entwickeln - mit oder ohne MdB nach meinem Namen.

Hoffentlich aber mit besseren Italienisch- und Französisch-Kenntnissen, die ich immer wieder versuche aufzufrischen. Ziemlich sicher mit Hauptwohnsitz in der Region Forchheim-Bamberg und vielen Reisen nach Berlin und in unsere Nachbarländer.

Wovon träumen Sie?

Von einem abbezahlten, denkmalgeschützten Häuschen mit einer schönen Aussicht, einem kleinen Grillfest im großem Garten mit Eltern und Freunden und Blick auf den Fernseher mit der Tagesschau: Ohne Katastrophen, Kriege, Attentate, einem positiven Wetterbericht für die darauf folgende Urlaubswoche und dann Sportnachrichten mit dem Satz "unser Club ist jetzt auch Sieger in der Champions League - Franken feiert immer noch!".

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Quelle: Bundestagsfraktion DIE LINKE

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Niema Movassat, Die Linke, Jahrgang 1984, Oberhausen, NRW

Herr Movassat, Ihr erstes Jahr im Bundestag ist vorbei - was hat Sie zu Beginn am meisten überrascht?

Was mich am meisten überrascht hat, kann ich gar nicht sagen, schließlich war alles irgendwie neu und es galt viel zu lernen: Wie läuft eine Ausschusssitzung ab? Wie ist das mit einer Wortmeldung während einer laufenden Bundestagsdebatte? Wie bringt man einen Antrag ein, wie erstellt man eine Kleine Anfrage? Das war alles sehr spannend, aber irgendwie wusste ich natürlich vorher schon, was alles auf mich zukommt.

Was hat Sie enttäuscht?

Dass Kollegen anderer Fraktionen häufig sachlichen Argumenten gegenüber nicht zugänglich sind, egal wie schwach deren eigene Argumentation ist. Das lähmt Diskussionen und manches Mal habe ich mir selbst die Frage gestellt, wie viel Sinn eine eigene gute Argumentation macht, wenn sie nicht angehört, geschweige denn aufgegriffen wird.

Dies hat mich zwar enttäuscht, überrascht hat es mich aber nicht, schließlich ist es gängige Meinung in der Bevölkerung und ein häufiger Vorwurf der Medien, dass in der Politik nicht wirklich sach- und problembezogen diskutiert und entschieden wird, sondern die eigenen beziehungsweise die Parteiinteressen im Vordergrund stehen.

Wie war das erste Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden?

Recht locker und angenehm. Gregor Gysi sprach mich im Plenum an und fragte mich, was ich studiert habe (Jura wie er auch), wie alt ich sei und wie es zu meiner Kandidatur für den Bundestag gekommen sei. Außerdem sprachen wir über die gerade laufende Debatte im Plenum.

Welche Aufgaben in Ihrem Alltag als Abgeordneter rauben am meisten Zeit?

Dinge, die von der Öffentlichkeit eher wenig wahrgenommen werden, aber sehr relevant für die tägliche Arbeit sind: das Lesen von Anträgen und Diskussionspapieren, das Sammeln von Informationen aus Zeitung und Internet zum eigenen Themenbereich, die Vorbereitung auf Ausschusssitzungen und Fachgespräche mit Experten und so weiter. Diese grundlegende Arbeit ist aber wichtig und notwendig, um sich fachpolitisch kompetent äußern zu können und eigene Initiativen wie Anträge, Kleine Anfragen et cetera zu forcieren.

Wie reagieren die Bürger, wenn Sie nun in Ihrem Wahlkreis unterwegs sind?

Häufig kommt die Nachfrage, "wie es so ist im Bundestag" - gerade auch, weil ich im Vergleich zu anderen Abgeordneten noch sehr jung bin. Dabei entspannen sich oft interessante politische Diskussionen, in denen die Gesprächspartner häufig auch auf ihre persönliche (soziale) Lage eingehen. Auch werden mir regelmäßig Probleme vorgetragen, beispielsweise der Ärger mit einer Behörde, wo ich dann gebeten werde, mich als Abgeordneter einzuschalten, einen Brief zu schreiben et cetera.

Was sind Ihre ganz persönlichen politischen Ziele?

Dazu beizutragen, eine soziale, gerechte und friedliche Politik voranzutreiben. Konkret: Kein Mensch soll in diesem Land länger in Armut leben müssen - daher weg mit Hartz IV und her mit einer vernünftigen Mindestsicherung. Arbeit soll vernünftig bezahlt werden - was man über einen Mindestlohn erreichen kann.

Deutsche Soldaten dürfen sich nicht an Kriegen beteiligen. Außerdem möchte ich in meinem Zuständigkeitsbereich Entwicklungspolitik durchsetzen, dass der Reichtum in den Industriestaaten nicht länger auf dem Rücken und unter der Ausbeutung der Entwicklungsstaaten erlangt wird. Was wir brauchen, ist eine gerechte Verteilung der Ressourcen weltweit, damit Menschen überall auf dem Globus in Würde leben können.

Welches Ihrer Wahlversprechen konnten Sie umsetzen?

Ich habe versprochen, mich konsequent für eine sozial gerechte und friedliche Politik einzusetzen. In diesem Sinne habe ich gegen unsoziale Anträge der Bundesregierung gestimmt genauso wie gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr. Außerdem habe ich Initiativen in meinem Bereich (Entwicklungspolitik) gestartet, um Forderungen der LINKEN aus dem Wahlprogramm - dessen Umsetzung ja auch Teil meines Wahlversprechens war - in den Bundestag einzubringen.

Was können junge Politiker besser als ältere?

Ich glaube, als junger Politiker ist man näher an der Lebensrealität junger Menschen dran. Man kennt die Probleme wie schlechte Arbeitsmarktperspektiven, Studiengebühren, Ausbildungsplatzmangel entweder aus eigener Erfahrung oder aus erster Hand. Außerdem geht man sicherlich viele Fragen und Themen (Internet, direkte Demokratie, Bildung, Jugendpolitik) anders an als ältere Generationen, eben weil man eine andere Lebensperspektive hat. Ob man aber damit automatisch "besser" als jeder ältere Politiker ist in diesen Fragen, ist damit nicht gesagt.

Warum sollte Ihre Partei auf Sie setzen?

Das kann nur die Partei beziehungsweise ihre Mitglieder beantworten. Ich selbst kann nur anbieten, meine Kompetenzen einzubringen und zu versuchen, das in mich gesteckte Vertrauen nicht zu enttäuschen und meine Versprechen einzuhalten sowie mich mit aller Kraft politisch für unsere Vorschläge und Ziele einzusetzen.

Ist Politik Ihr Leben?

Politik ist jedenfalls ein großer Teil meines Lebens. Schließlich habe ich mich schon vor meinem Bundestagsmandat jahrelang ehrenamtlich politisch engagiert, viel private Zeit in die politische Arbeit gesteckt und dabei auch viele Freunde gefunden. Außerdem machte und macht Politik mir auch sehr viel Spaß und Freude - sonst hätte ich mich sicherlich nicht dazu entschieden, in die Berufspolitik zu gehen. Dennoch achte ich darauf, genug Ablenkung zu haben, Zeit mit Freunden zu verbringen oder interessante (unpolitische) Bücher zu lesen.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich hoffe, in zehn Jahren deutlich mehr politische und persönliche Erfahrungen gesammelt zu haben. Alles Darüberhinausgehende ist - zumindest was meine politische Laufbahn angeht - letztlich eine Frage des Willens der Wählerinnen und Wähler und natürlich meiner persönlichen Motivation.

Wovon träumen Sie?

Dass die Welt sozialer, gerechter und friedlicher wird und ich vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten kann.

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Quelle: R.Brandl/Christine Kastenhuber

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Dr. Reinhard Brandl, CSU, Jahrgang 1977, Ingolstadt, Bayern

Herr Brandl, Ihr erstes Jahr im Bundestag ist vorbei - was hat Sie zu Beginn am meisten überrascht?

Die gute Zusammenarbeit, gerade auch mit den Kollegen der FDP. Von außen betrachtet, hat man oft den Eindruck, das politische Berlin sei eine einzige Schlangengrube. Ich erlebe auf meiner Ebene das glatte Gegenteil.

Was hat Sie enttäuscht?

Die Diskrepanz zwischen den objektiv guten Ergebnissen unserer Politik und dem öffentlichen Erscheinungsbild der Koalition.

Wie war das erste Gespräch mit dem Fraktionsvorsitzenden?

Er hat mir gleich nach der Wahl gratuliert und sehr freundlich zum Ausdruck gebracht, dass jetzt die Arbeit erst richtig losgeht.

Welche Aufgaben in Ihrem Alltag als Abgeordneter rauben am meisten Zeit?

Die Bewältigung der täglichen Informationsflut und das Filtern, was wirklich wichtig ist.

Wie reagieren die Bürger, wenn Sie nun in Ihrem Wahlkreis unterwegs sind?

Sie freuen sich fast ausnahmslos, wenn sie mich auf Veranstaltungen oder einfach so auf der Straße treffen.

Was sind Ihre ganz persönlichen politischen Ziele?

Auf Bundesebene das zu etablieren, was in Bayern bereits Realität ist: einen ausgeglichenen Haushalt.

Welches Ihrer Wahlversprechen haben Sie umsetzen können?

Dass ich mich für die Sorgen und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger einsetzen werde.

Was können junge Politiker besser als ältere?

Nichts.

Warum sollte Ihre Partei auf Sie setzen?

Weil sie mit meiner Arbeit in Berlin und im Wahlkreis zufrieden ist.

Ist Politik Ihr Leben?

Nein. Ich genieße sehr bewusst die politikfreien Zeiten.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich bin sehr glücklich mit meiner aktuellen Aufgabe und ich kann mir gut vorstellen, sie auch noch länger auszuführen. Ob ich das in zehn Jahren noch darf, entscheiden die Wählerinnen und Wähler.

Wovon träumen Sie?

Von einem langen Urlaub.

In "Das erste Jahr im Bundestag (3)" berichten junge Politiker von der Schnelllebigkeit ihres Berufs und anstrengenden Sitzungen. Lesen Sie die Antworten von Daniela Kolbe (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne), Tankred Schipanski (CDU) und Peter Aumer (CSU).

© sueddeutsche.de/lama
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